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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.

Es knüpfen sich an dessen Geschichte keine bemerkenswerthen Ereig-
nisse, vielmehr schleppte Glasgow durch viele Jahrhunderte seine Existenz als
ein kleines, unansehnliches Städtchen hin, dessen in den viel bewegten Stürmen
der Vergangenheit nur vorübergehend Erwähnung gethan wird. Erst in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts tritt Glasgow aus seinem Stillleben hervor und
nimmt dann rasch unter dem Einflusse günstiger Momente eine staunenswerthe
Entwicklung. Noch im Anfange des XVIII. Jahrhunderts zählte Glasgow nicht viel
über 10.000 Einwohner, am Ausgange waren sie schon auf 71.000 gestiegen und
heute weist es mit Einrechnung der Vororte 760.000 auf. Für das Aufblühen von
Glasgow war zunächst der Handel mit den nordamerikanischen Colonien von
Wichtigkeit, namentlich waren Tabak und Zucker jene Artikel, welchen sich die
Kaufleute der Stadt mit Vorliebe zuwendeten und in denen es denselben auch
gelang, einen recht starken Handel zu treiben. Der Abfall jener Colonien blieb
zwar nicht ohne Rückwirkung auf den Platz, aber schon hatte dessen Einwohner-
schaft jenen Unternehmungsgeist gewonnen, der sie nicht ruhen, sondern nach
stets neuen Quellen des Erwerbes suchen liess.

Und in dieser Beziehung wurde Glasgow von der Natur trefflich unterstützt
und durch die Entwicklung der Technik gefördert. Hatte dort schon früher noch
als in Lancashire eine rege Manufactur in Leinen und Calicostoffen platzgegriffen,
so kam der Stadt der Reichthum an Kohlen und Eisen in deren Nähe von dem
Augenblick an zu Gute, als der Dampf seine Macht zur Geltung brachte und das
Zeitalter der Maschinen begann. Und dabei wollte es ein günstiges Geschick, dass
der eigentliche Erfinder der Dampfmaschine, James Watt, gerade in Glasgow
seine Versuche machte und dass auf dem Clyde das erste Dampfboot, der kleine
"Komet" zu Fahrten zwischen dieser Stadt und dem benachbarten Greenock ver-
wendet wurde. Dieser "Komet" war 1812 in Europa das erste durch die Er-
findung Watt's betriebene Schiff. In Glasgow behielt man die neue Erfindung sofort
im Auge und verstand bald ihren vollen Werth, und es ist wohl natürlich, dass
man dort, wo Dampfschiffahrt und Maschinenwesen eine solche Heimstätte ge-
funden und so ungeheuer zur allgemeinen Förderung beigetragen haben, auch
das Andenken jenes Mannes sonderlich hochhält und ihn sowohl als den Eigen-
thümer des "Komet", Mr. Henry Bell, durch Monumente ehrte.

Glasgow stellt sich uns heute als eine schöne, regelmässige,
meist aus gutem Sandstein gebaute Stadt modernen Charakters dar.

Es liegt mit dem grösseren Theile auf dem rechten, mit dem
kleineren Theile auf dem linken Ufer des Flusses und weist viele
rechtwinkelig sich schneidende Strassen mit ganz stattlichen Bau-
werken auf. Das Terrain ist nicht eben, sondern erhebt sich stellen-
weise zu Hügelkuppen. Unter den Baulichkeiten der Stadt verdienen
insbesondere die aus dem XII. Jahrhundert stammende, im XV. Jahr-
hundert in ihre heutige Form gebrachte Kathedrale, die Universität,
deren Stiftung bereits in das Jahr 1450 fällt, dann die Börse, das
Postamt, die Bank of Scotland Erwähnung. Auch Glasgow verfügt
wie viele andere britische und schottische Städte über ausgedehnte
Parkanlagen, unter denen jene am Clyde gelegene von Glasgow

Der atlantische Ocean.

Es knüpfen sich an dessen Geschichte keine bemerkenswerthen Ereig-
nisse, vielmehr schleppte Glasgow durch viele Jahrhunderte seine Existenz als
ein kleines, unansehnliches Städtchen hin, dessen in den viel bewegten Stürmen
der Vergangenheit nur vorübergehend Erwähnung gethan wird. Erst in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts tritt Glasgow aus seinem Stillleben hervor und
nimmt dann rasch unter dem Einflusse günstiger Momente eine staunenswerthe
Entwicklung. Noch im Anfange des XVIII. Jahrhunderts zählte Glasgow nicht viel
über 10.000 Einwohner, am Ausgange waren sie schon auf 71.000 gestiegen und
heute weist es mit Einrechnung der Vororte 760.000 auf. Für das Aufblühen von
Glasgow war zunächst der Handel mit den nordamerikanischen Colonien von
Wichtigkeit, namentlich waren Tabak und Zucker jene Artikel, welchen sich die
Kaufleute der Stadt mit Vorliebe zuwendeten und in denen es denselben auch
gelang, einen recht starken Handel zu treiben. Der Abfall jener Colonien blieb
zwar nicht ohne Rückwirkung auf den Platz, aber schon hatte dessen Einwohner-
schaft jenen Unternehmungsgeist gewonnen, der sie nicht ruhen, sondern nach
stets neuen Quellen des Erwerbes suchen liess.

Und in dieser Beziehung wurde Glasgow von der Natur trefflich unterstützt
und durch die Entwicklung der Technik gefördert. Hatte dort schon früher noch
als in Lancashire eine rege Manufactur in Leinen und Calicostoffen platzgegriffen,
so kam der Stadt der Reichthum an Kohlen und Eisen in deren Nähe von dem
Augenblick an zu Gute, als der Dampf seine Macht zur Geltung brachte und das
Zeitalter der Maschinen begann. Und dabei wollte es ein günstiges Geschick, dass
der eigentliche Erfinder der Dampfmaschine, James Watt, gerade in Glasgow
seine Versuche machte und dass auf dem Clyde das erste Dampfboot, der kleine
„Komet“ zu Fahrten zwischen dieser Stadt und dem benachbarten Greenock ver-
wendet wurde. Dieser „Komet“ war 1812 in Europa das erste durch die Er-
findung Watt’s betriebene Schiff. In Glasgow behielt man die neue Erfindung sofort
im Auge und verstand bald ihren vollen Werth, und es ist wohl natürlich, dass
man dort, wo Dampfschiffahrt und Maschinenwesen eine solche Heimstätte ge-
funden und so ungeheuer zur allgemeinen Förderung beigetragen haben, auch
das Andenken jenes Mannes sonderlich hochhält und ihn sowohl als den Eigen-
thümer des „Komet“, Mr. Henry Bell, durch Monumente ehrte.

Glasgow stellt sich uns heute als eine schöne, regelmässige,
meist aus gutem Sandstein gebaute Stadt modernen Charakters dar.

Es liegt mit dem grösseren Theile auf dem rechten, mit dem
kleineren Theile auf dem linken Ufer des Flusses und weist viele
rechtwinkelig sich schneidende Strassen mit ganz stattlichen Bau-
werken auf. Das Terrain ist nicht eben, sondern erhebt sich stellen-
weise zu Hügelkuppen. Unter den Baulichkeiten der Stadt verdienen
insbesondere die aus dem XII. Jahrhundert stammende, im XV. Jahr-
hundert in ihre heutige Form gebrachte Kathedrale, die Universität,
deren Stiftung bereits in das Jahr 1450 fällt, dann die Börse, das
Postamt, die Bank of Scotland Erwähnung. Auch Glasgow verfügt
wie viele andere britische und schottische Städte über ausgedehnte
Parkanlagen, unter denen jene am Clyde gelegene von Glasgow

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[1014/1034] Der atlantische Ocean. Es knüpfen sich an dessen Geschichte keine bemerkenswerthen Ereig- nisse, vielmehr schleppte Glasgow durch viele Jahrhunderte seine Existenz als ein kleines, unansehnliches Städtchen hin, dessen in den viel bewegten Stürmen der Vergangenheit nur vorübergehend Erwähnung gethan wird. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts tritt Glasgow aus seinem Stillleben hervor und nimmt dann rasch unter dem Einflusse günstiger Momente eine staunenswerthe Entwicklung. Noch im Anfange des XVIII. Jahrhunderts zählte Glasgow nicht viel über 10.000 Einwohner, am Ausgange waren sie schon auf 71.000 gestiegen und heute weist es mit Einrechnung der Vororte 760.000 auf. Für das Aufblühen von Glasgow war zunächst der Handel mit den nordamerikanischen Colonien von Wichtigkeit, namentlich waren Tabak und Zucker jene Artikel, welchen sich die Kaufleute der Stadt mit Vorliebe zuwendeten und in denen es denselben auch gelang, einen recht starken Handel zu treiben. Der Abfall jener Colonien blieb zwar nicht ohne Rückwirkung auf den Platz, aber schon hatte dessen Einwohner- schaft jenen Unternehmungsgeist gewonnen, der sie nicht ruhen, sondern nach stets neuen Quellen des Erwerbes suchen liess. Und in dieser Beziehung wurde Glasgow von der Natur trefflich unterstützt und durch die Entwicklung der Technik gefördert. Hatte dort schon früher noch als in Lancashire eine rege Manufactur in Leinen und Calicostoffen platzgegriffen, so kam der Stadt der Reichthum an Kohlen und Eisen in deren Nähe von dem Augenblick an zu Gute, als der Dampf seine Macht zur Geltung brachte und das Zeitalter der Maschinen begann. Und dabei wollte es ein günstiges Geschick, dass der eigentliche Erfinder der Dampfmaschine, James Watt, gerade in Glasgow seine Versuche machte und dass auf dem Clyde das erste Dampfboot, der kleine „Komet“ zu Fahrten zwischen dieser Stadt und dem benachbarten Greenock ver- wendet wurde. Dieser „Komet“ war 1812 in Europa das erste durch die Er- findung Watt’s betriebene Schiff. In Glasgow behielt man die neue Erfindung sofort im Auge und verstand bald ihren vollen Werth, und es ist wohl natürlich, dass man dort, wo Dampfschiffahrt und Maschinenwesen eine solche Heimstätte ge- funden und so ungeheuer zur allgemeinen Förderung beigetragen haben, auch das Andenken jenes Mannes sonderlich hochhält und ihn sowohl als den Eigen- thümer des „Komet“, Mr. Henry Bell, durch Monumente ehrte. Glasgow stellt sich uns heute als eine schöne, regelmässige, meist aus gutem Sandstein gebaute Stadt modernen Charakters dar. Es liegt mit dem grösseren Theile auf dem rechten, mit dem kleineren Theile auf dem linken Ufer des Flusses und weist viele rechtwinkelig sich schneidende Strassen mit ganz stattlichen Bau- werken auf. Das Terrain ist nicht eben, sondern erhebt sich stellen- weise zu Hügelkuppen. Unter den Baulichkeiten der Stadt verdienen insbesondere die aus dem XII. Jahrhundert stammende, im XV. Jahr- hundert in ihre heutige Form gebrachte Kathedrale, die Universität, deren Stiftung bereits in das Jahr 1450 fällt, dann die Börse, das Postamt, die Bank of Scotland Erwähnung. Auch Glasgow verfügt wie viele andere britische und schottische Städte über ausgedehnte Parkanlagen, unter denen jene am Clyde gelegene von Glasgow

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 1014. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/1034>, abgerufen am 23.11.2024.