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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Salonich.

Thessalonike beherbergte in seinen Mauern 58 v. Chr. Cicero, der hier im
Exil lebte.

In der Kirchengeschichte erinnert der Name Thessalonike an Apostel Paulus,
der hier zur Zeit der Regierung Nero's das Christenthum predigte und zwei Epistel
an seine christliche Gemeinde richtete.

Thessalonike ward als die Hauptstadt der Christenheit im Oriente angesehen
und galt als orthodoxe Stadt.

Unter ihren Kirchenfürsten steht Erzbischof Eustathius, der Tankred ge-
sehen, als berühmter Rhetoriker und Commentator der Homer'schen Werke in
glänzendem Rufe.

Grossartig und reich an Abwechslung wie ihre Geschichte ist
auch das Bild der Stadt und deren Umgebung.

Schon längst ist Salonich aus den Ringmauern herausgequollen,
welche die alte, an der Berglehne amphiteatralisch aufgebaute Stadt
umgeben. Nördlich und südlich sind Vorstädte aus dem Boden ge-
wachsen, und an Stelle der 1869 geschleiften Hafenbefestigung, welche
der Stadt den Ausblick auf das weite offene Meer raubte, entstand
ein 2 km langer und 10 m breiter mit grossen Lavaplatten belegter
Quai, längs dessen eine neue Häuserfront von modernem Aussehen
freundlich sich erhebt.

Die Neubauten gestalten das Bild von Salonich sehr wirkungs-
voll. Sie bilden den grellen Gegensatz zu den von Thürmen flan-
kirten erenelirten Mauerwerk der die Stadt dominirenden Citadelle
und den düsteren Cypressenpflanzungen; sie drängen das Chaos der
alten Häuser, die wie Wespennester aneinander zu kleben scheinen,
in den Hintergrund, wetteifern als belebende Elemente mit den elegant
aufstrebenden Minarets, welche mehr als alles andere der Stadt den
orientalischen Typus aufprägen. Dazu tritt noch ostwärts der herr-
liche Hintergrund des Kortac, eines mächtigen Gebirgszuges, und
westlich die weite und fruchtbare Niederung der Kampania, durch
welche der Vardar seine Fluten dem Meere zuwälzt, und in duftiger
Ferne das wild zerrissene Hochgebirgsland von Albanien; also eine
Fülle landschaftlicher Effecte, welche das Bild von Salonich imposant
und malerisch ausgestalten. Das Innere der Stadt entspricht aber,
wie in allen türkischen Städen, keineswegs der äusseren Herrlichkeit.
Ausser der Quaifront und der mit ihr parallel gezogenen breiten Via
Egnatia (grande), sowie dem Frankenviertel im Westen und der aus-
gedehnten Vorstadt Kalemaria, wo recht hübsche und solide Stein-
bauten entstanden, besteht das Gros der alten Stadt aus unansehn-
lichen Holzhäuschen und schmutzigen Strassen, diese sind leider nur
von wenigen der in der Türkei bekanntlich als Strassensäuberer thätigen
Hunde bevölkert.


Salonich.

Thessalonike beherbergte in seinen Mauern 58 v. Chr. Cicero, der hier im
Exil lebte.

In der Kirchengeschichte erinnert der Name Thessalonike an Apostel Paulus,
der hier zur Zeit der Regierung Nero’s das Christenthum predigte und zwei Epistel
an seine christliche Gemeinde richtete.

Thessalonike ward als die Hauptstadt der Christenheit im Oriente angesehen
und galt als orthodoxe Stadt.

Unter ihren Kirchenfürsten steht Erzbischof Eustathius, der Tankred ge-
sehen, als berühmter Rhetoriker und Commentator der Homer’schen Werke in
glänzendem Rufe.

Grossartig und reich an Abwechslung wie ihre Geschichte ist
auch das Bild der Stadt und deren Umgebung.

Schon längst ist Salonich aus den Ringmauern herausgequollen,
welche die alte, an der Berglehne amphiteatralisch aufgebaute Stadt
umgeben. Nördlich und südlich sind Vorstädte aus dem Boden ge-
wachsen, und an Stelle der 1869 geschleiften Hafenbefestigung, welche
der Stadt den Ausblick auf das weite offene Meer raubte, entstand
ein 2 km langer und 10 m breiter mit grossen Lavaplatten belegter
Quai, längs dessen eine neue Häuserfront von modernem Aussehen
freundlich sich erhebt.

Die Neubauten gestalten das Bild von Salonich sehr wirkungs-
voll. Sie bilden den grellen Gegensatz zu den von Thürmen flan-
kirten erenelirten Mauerwerk der die Stadt dominirenden Citadelle
und den düsteren Cypressenpflanzungen; sie drängen das Chaos der
alten Häuser, die wie Wespennester aneinander zu kleben scheinen,
in den Hintergrund, wetteifern als belebende Elemente mit den elegant
aufstrebenden Minarets, welche mehr als alles andere der Stadt den
orientalischen Typus aufprägen. Dazu tritt noch ostwärts der herr-
liche Hintergrund des Kortač, eines mächtigen Gebirgszuges, und
westlich die weite und fruchtbare Niederung der Kampania, durch
welche der Vardar seine Fluten dem Meere zuwälzt, und in duftiger
Ferne das wild zerrissene Hochgebirgsland von Albanien; also eine
Fülle landschaftlicher Effecte, welche das Bild von Salonich imposant
und malerisch ausgestalten. Das Innere der Stadt entspricht aber,
wie in allen türkischen Städen, keineswegs der äusseren Herrlichkeit.
Ausser der Quaifront und der mit ihr parallel gezogenen breiten Via
Egnatia (grande), sowie dem Frankenviertel im Westen und der aus-
gedehnten Vorstadt Kalemaria, wo recht hübsche und solide Stein-
bauten entstanden, besteht das Gros der alten Stadt aus unansehn-
lichen Holzhäuschen und schmutzigen Strassen, diese sind leider nur
von wenigen der in der Türkei bekanntlich als Strassensäuberer thätigen
Hunde bevölkert.


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[95/0115] Salonich. Thessalonike beherbergte in seinen Mauern 58 v. Chr. Cicero, der hier im Exil lebte. In der Kirchengeschichte erinnert der Name Thessalonike an Apostel Paulus, der hier zur Zeit der Regierung Nero’s das Christenthum predigte und zwei Epistel an seine christliche Gemeinde richtete. Thessalonike ward als die Hauptstadt der Christenheit im Oriente angesehen und galt als orthodoxe Stadt. Unter ihren Kirchenfürsten steht Erzbischof Eustathius, der Tankred ge- sehen, als berühmter Rhetoriker und Commentator der Homer’schen Werke in glänzendem Rufe. Grossartig und reich an Abwechslung wie ihre Geschichte ist auch das Bild der Stadt und deren Umgebung. Schon längst ist Salonich aus den Ringmauern herausgequollen, welche die alte, an der Berglehne amphiteatralisch aufgebaute Stadt umgeben. Nördlich und südlich sind Vorstädte aus dem Boden ge- wachsen, und an Stelle der 1869 geschleiften Hafenbefestigung, welche der Stadt den Ausblick auf das weite offene Meer raubte, entstand ein 2 km langer und 10 m breiter mit grossen Lavaplatten belegter Quai, längs dessen eine neue Häuserfront von modernem Aussehen freundlich sich erhebt. Die Neubauten gestalten das Bild von Salonich sehr wirkungs- voll. Sie bilden den grellen Gegensatz zu den von Thürmen flan- kirten erenelirten Mauerwerk der die Stadt dominirenden Citadelle und den düsteren Cypressenpflanzungen; sie drängen das Chaos der alten Häuser, die wie Wespennester aneinander zu kleben scheinen, in den Hintergrund, wetteifern als belebende Elemente mit den elegant aufstrebenden Minarets, welche mehr als alles andere der Stadt den orientalischen Typus aufprägen. Dazu tritt noch ostwärts der herr- liche Hintergrund des Kortač, eines mächtigen Gebirgszuges, und westlich die weite und fruchtbare Niederung der Kampania, durch welche der Vardar seine Fluten dem Meere zuwälzt, und in duftiger Ferne das wild zerrissene Hochgebirgsland von Albanien; also eine Fülle landschaftlicher Effecte, welche das Bild von Salonich imposant und malerisch ausgestalten. Das Innere der Stadt entspricht aber, wie in allen türkischen Städen, keineswegs der äusseren Herrlichkeit. Ausser der Quaifront und der mit ihr parallel gezogenen breiten Via Egnatia (grande), sowie dem Frankenviertel im Westen und der aus- gedehnten Vorstadt Kalemaria, wo recht hübsche und solide Stein- bauten entstanden, besteht das Gros der alten Stadt aus unansehn- lichen Holzhäuschen und schmutzigen Strassen, diese sind leider nur von wenigen der in der Türkei bekanntlich als Strassensäuberer thätigen Hunde bevölkert.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/115>, abgerufen am 25.11.2024.