hundert herstammenden Doppelmauern geschützt; zwischen diesen und der unter Constantin I. aufgeführten Mauer befand sich das mit dem Namen Exokionion bezeichnete Lager der gothischen Kohorten, welchen die Sicherheit der Stadt anvertraut war.
Der südliche Theil der Mauer stützt sich an das Schloss der sieben Thürme (Jedi Kule), wo ehemals jene fremden Gesandten ein- geschlossen wurden, deren Staaten die Sultane den Krieg erklärten. Heute ist zwischen den düsteren Mauern, die manche geheimnissvolle Execution sahen, eine Industrieschule für Mädchen errichtet.
Von hier aus führt die Doppelmauer bis zum Mermer-Kule-Thurm (Marmara-Thurm), dessen Fuss die See bespült und der die Verbin- dung mit der zur Serailspitze führenden Seemauer herstellt.
Zwischen Stambul und dem gegenüberliegenden Galata krümmt sich das tief eingeschnittene goldene Horn (Chrysokeras), der ehe- malige Hafen von Byzanz. Der Name erinnert nicht nur an die Form der Einbuchtung, sondern auch an den Reichthum ihrer Ufer. In das goldene Horn münden an dessen äusserstem Ende die Flüsschen Cydaris und Barbyzes, die ein grünes Thal durchziehen, in welchem sich der beliebte Vergnügungsort "die europäischen süssen Wässer" (Kiaat- hane = Papierfabrik) befindet.
Die Vorstadt Galata ist mit Stambul durch zwei grossartige Pontonbrücken verbunden, über die ein ausserordentlich lebhafter Ver- kehr wogt. Besonders fesselnd ist das Leben auf der neuen Brücke der Sultanin-Valide (Mutter des Sultans), wo die schönen schnell- fahrenden Dampfer des Localverkehres anlegen, um Tausende von Passagiere nach allen Punkten des Bosporus zu befördern.
An der Stelle von Galata lag einst die grosse Nekropole der ersten Byzantiner; sie wurde durch die Vorstadt Sykae (Feigendorf) verdrängt, welche Justinian erweiterte. Unter den Paläologen errangen die Genuesen dort grossen Einfluss und dehnten Galata bis zur Spitze des kegelförmigen Hügels aus, den der vorne erwähnte, 1348 erbaute Galata-Thurm (Torre di Genova) als Theil der bestandenen Befesti- gung krönt. Von der Höhe des massiven runden Thurmes ist eine der prächtigsten Rundsichten über ganz Constantinopel zu geniessen.
Galata ist der Sitz der Handelsthätigkeit von Constantinopel; dort sind die Börse, das Zollamt, die Bureaux des österreichisch-ungarischen Lloyd, der französischen Messagerie und anderer Schiffahrtsgesell- schaften. Tramway-Linien haben zur Erweiterung und Verjüngung einiger Strassenzüge geführt und auch sonst sind die alten engen Strassen unter dem Hauche der Civilisation vielfach verschwunden.
Das Mittelmeerbecken.
hundert herstammenden Doppelmauern geschützt; zwischen diesen und der unter Constantin I. aufgeführten Mauer befand sich das mit dem Namen Exokionion bezeichnete Lager der gothischen Kohorten, welchen die Sicherheit der Stadt anvertraut war.
Der südliche Theil der Mauer stützt sich an das Schloss der sieben Thürme (Jedi Kule), wo ehemals jene fremden Gesandten ein- geschlossen wurden, deren Staaten die Sultane den Krieg erklärten. Heute ist zwischen den düsteren Mauern, die manche geheimnissvolle Execution sahen, eine Industrieschule für Mädchen errichtet.
Von hier aus führt die Doppelmauer bis zum Mermer-Kule-Thurm (Marmara-Thurm), dessen Fuss die See bespült und der die Verbin- dung mit der zur Serailspitze führenden Seemauer herstellt.
Zwischen Stambul und dem gegenüberliegenden Galata krümmt sich das tief eingeschnittene goldene Horn (Chrysokeras), der ehe- malige Hafen von Byzanz. Der Name erinnert nicht nur an die Form der Einbuchtung, sondern auch an den Reichthum ihrer Ufer. In das goldene Horn münden an dessen äusserstem Ende die Flüsschen Cydaris und Barbyzes, die ein grünes Thal durchziehen, in welchem sich der beliebte Vergnügungsort „die europäischen süssen Wässer“ (Kiaat- hane = Papierfabrik) befindet.
Die Vorstadt Galata ist mit Stambul durch zwei grossartige Pontonbrücken verbunden, über die ein ausserordentlich lebhafter Ver- kehr wogt. Besonders fesselnd ist das Leben auf der neuen Brücke der Sultanin-Valide (Mutter des Sultans), wo die schönen schnell- fahrenden Dampfer des Localverkehres anlegen, um Tausende von Passagiere nach allen Punkten des Bosporus zu befördern.
An der Stelle von Galata lag einst die grosse Nekropole der ersten Byzantiner; sie wurde durch die Vorstadt Sykae (Feigendorf) verdrängt, welche Justinian erweiterte. Unter den Paläologen errangen die Genuesen dort grossen Einfluss und dehnten Galata bis zur Spitze des kegelförmigen Hügels aus, den der vorne erwähnte, 1348 erbaute Galata-Thurm (Torre di Genova) als Theil der bestandenen Befesti- gung krönt. Von der Höhe des massiven runden Thurmes ist eine der prächtigsten Rundsichten über ganz Constantinopel zu geniessen.
Galata ist der Sitz der Handelsthätigkeit von Constantinopel; dort sind die Börse, das Zollamt, die Bureaux des österreichisch-ungarischen Lloyd, der französischen Messagerie und anderer Schiffahrtsgesell- schaften. Tramway-Linien haben zur Erweiterung und Verjüngung einiger Strassenzüge geführt und auch sonst sind die alten engen Strassen unter dem Hauche der Civilisation vielfach verschwunden.
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hundert herstammenden Doppelmauern geschützt; zwischen diesen
und der unter Constantin I. aufgeführten Mauer befand sich das mit
dem Namen Exokionion bezeichnete Lager der gothischen Kohorten,
welchen die Sicherheit der Stadt anvertraut war.
Der südliche Theil der Mauer stützt sich an das Schloss der
sieben Thürme (Jedi Kule), wo ehemals jene fremden Gesandten ein-
geschlossen wurden, deren Staaten die Sultane den Krieg erklärten.
Heute ist zwischen den düsteren Mauern, die manche geheimnissvolle
Execution sahen, eine Industrieschule für Mädchen errichtet.
Von hier aus führt die Doppelmauer bis zum Mermer-Kule-Thurm
(Marmara-Thurm), dessen Fuss die See bespült und der die Verbin-
dung mit der zur Serailspitze führenden Seemauer herstellt.
Zwischen Stambul und dem gegenüberliegenden Galata krümmt
sich das tief eingeschnittene goldene Horn (Chrysokeras), der ehe-
malige Hafen von Byzanz. Der Name erinnert nicht nur an die Form
der Einbuchtung, sondern auch an den Reichthum ihrer Ufer. In das
goldene Horn münden an dessen äusserstem Ende die Flüsschen Cydaris
und Barbyzes, die ein grünes Thal durchziehen, in welchem sich der
beliebte Vergnügungsort „die europäischen süssen Wässer“ (Kiaat-
hane = Papierfabrik) befindet.
Die Vorstadt Galata ist mit Stambul durch zwei grossartige
Pontonbrücken verbunden, über die ein ausserordentlich lebhafter Ver-
kehr wogt. Besonders fesselnd ist das Leben auf der neuen Brücke
der Sultanin-Valide (Mutter des Sultans), wo die schönen schnell-
fahrenden Dampfer des Localverkehres anlegen, um Tausende von
Passagiere nach allen Punkten des Bosporus zu befördern.
An der Stelle von Galata lag einst die grosse Nekropole der
ersten Byzantiner; sie wurde durch die Vorstadt Sykae (Feigendorf)
verdrängt, welche Justinian erweiterte. Unter den Paläologen errangen
die Genuesen dort grossen Einfluss und dehnten Galata bis zur Spitze
des kegelförmigen Hügels aus, den der vorne erwähnte, 1348 erbaute
Galata-Thurm (Torre di Genova) als Theil der bestandenen Befesti-
gung krönt. Von der Höhe des massiven runden Thurmes ist eine der
prächtigsten Rundsichten über ganz Constantinopel zu geniessen.
Galata ist der Sitz der Handelsthätigkeit von Constantinopel; dort
sind die Börse, das Zollamt, die Bureaux des österreichisch-ungarischen
Lloyd, der französischen Messagerie und anderer Schiffahrtsgesell-
schaften. Tramway-Linien haben zur Erweiterung und Verjüngung
einiger Strassenzüge geführt und auch sonst sind die alten engen
Strassen unter dem Hauche der Civilisation vielfach verschwunden.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/134>, abgerufen am 26.11.2024.
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