zeitig die mit der Gründung von Byzanz verknüpfte Sage von dem Raub der Europa, die hier von dem als Stier erscheinenden Zeus über den Bosporus ge- tragen wurde, versinnlichen. Auch wird damit die Sage von der Gründung von Byzanz verknüpft, indem angeblich die in eine Kuh verwandelte Io im Thal des Barbyses die Keroessa, nachherige Mutter des Byzas, des Gründers der Stadt, gebar. Der türkische Name Mädchenthurm ist dagegen mit einer anderen aller- liebsten Sage in Verbindung gebracht.
In byzantinischer Zeit war am Fusse des Leanderthurmes die schwere Kette angelegt, welche zur Spitze Serai Burnu und von dort zum jetzigen Zollamt in Galata führte und den Bosporus und das goldene Horn für die Schiffahrt absperrte.
Südlich von Skutari ist noch die bedeutende Vorstadt Kadikiöi (Dorf des Richters) zu nennen, welche nach zwei verheerenden Feuers- brünsten neu aufgebaut, einen durchaus europäischen Charakter er- halten hat, wie sie denn auch fast nur von Franken aller Nationen bewohnt ist.
An der Stelle von Kadikiöi lag das 18 Jahre vor der Gründung von Byzanz entstandene Chalkedon, die älteste Niederlassung am Bosporus. Kadikiöi steht mit Constantinopel im regsten Dampferver- kehr, und viele reiche Kaufleute haben in der mit breiten Strassen und schönen Gärten gezierten Stadt ein trauliches Heim aufgeschlagen.
Kadikiöi ist an Zahl der Kirchen und christlichen Bildungs- anstalten beachtenswerth, es besitzt unter anderen auch ein griechi- sches Lyceum, das an der Stätte der alten Basilika der St. Euphemia, wo 451 und 507 Kirchenconcilien abgehalten wurden, liegen soll.
Noch eine Dependenz von Constantinopel sei hier erwähnt; es ist die im Marmara-Meere gelegene Gruppe der hohen und maleri- schen Prinzen-Inseln, die in byzantinischer Zeit der vielen dort bestandenen griechischen Klöster wegen auch Pfaffen-Inseln (Papa- donisia) hiessen. Prinzessinnen- oder Prinzen-Inseln nannte man sie, weil die Eilande ein Verbannungsort für byzantinische Kaiser und Kaiserinnen (Irene, Regentin von 780 bis 803), Prinzen und Prin- zessinnen war. Prinkipo, die grösste und höchste der Inseln, ist ein beliebter Ausflugsort der griechischen Bevölkerung von Constantinopel und besitzt bei herrlichem Klima, reicher Vegetation und reizenden Villen auch vielbesuchte Seebäder.
Nach der Rundschau, die wir in der unvergleichlich schönen Umgebung von Constantinopel gehalten haben, sei nun auch dem ehr- würdigen Stambul und seinen herrlichen Bauwerken ein Raum in der Schilderung eingeräumt.
Die weltberühmte Aja Sophia, der uralte mit Recht bewunderte
Constantinopel.
zeitig die mit der Gründung von Byzanz verknüpfte Sage von dem Raub der Europa, die hier von dem als Stier erscheinenden Zeus über den Bosporus ge- tragen wurde, versinnlichen. Auch wird damit die Sage von der Gründung von Byzanz verknüpft, indem angeblich die in eine Kuh verwandelte Io im Thal des Barbyses die Keroessa, nachherige Mutter des Byzas, des Gründers der Stadt, gebar. Der türkische Name Mädchenthurm ist dagegen mit einer anderen aller- liebsten Sage in Verbindung gebracht.
In byzantinischer Zeit war am Fusse des Leanderthurmes die schwere Kette angelegt, welche zur Spitze Serai Burnu und von dort zum jetzigen Zollamt in Galata führte und den Bosporus und das goldene Horn für die Schiffahrt absperrte.
Südlich von Skutari ist noch die bedeutende Vorstadt Kadikiöi (Dorf des Richters) zu nennen, welche nach zwei verheerenden Feuers- brünsten neu aufgebaut, einen durchaus europäischen Charakter er- halten hat, wie sie denn auch fast nur von Franken aller Nationen bewohnt ist.
An der Stelle von Kadikiöi lag das 18 Jahre vor der Gründung von Byzanz entstandene Chalkedon, die älteste Niederlassung am Bosporus. Kadikiöi steht mit Constantinopel im regsten Dampferver- kehr, und viele reiche Kaufleute haben in der mit breiten Strassen und schönen Gärten gezierten Stadt ein trauliches Heim aufgeschlagen.
Kadikiöi ist an Zahl der Kirchen und christlichen Bildungs- anstalten beachtenswerth, es besitzt unter anderen auch ein griechi- sches Lyceum, das an der Stätte der alten Basilika der St. Euphemia, wo 451 und 507 Kirchenconcilien abgehalten wurden, liegen soll.
Noch eine Dependenz von Constantinopel sei hier erwähnt; es ist die im Marmara-Meere gelegene Gruppe der hohen und maleri- schen Prinzen-Inseln, die in byzantinischer Zeit der vielen dort bestandenen griechischen Klöster wegen auch Pfaffen-Inseln (Papa- donisia) hiessen. Prinzessinnen- oder Prinzen-Inseln nannte man sie, weil die Eilande ein Verbannungsort für byzantinische Kaiser und Kaiserinnen (Irene, Regentin von 780 bis 803), Prinzen und Prin- zessinnen war. Prinkipo, die grösste und höchste der Inseln, ist ein beliebter Ausflugsort der griechischen Bevölkerung von Constantinopel und besitzt bei herrlichem Klima, reicher Vegetation und reizenden Villen auch vielbesuchte Seebäder.
Nach der Rundschau, die wir in der unvergleichlich schönen Umgebung von Constantinopel gehalten haben, sei nun auch dem ehr- würdigen Stambul und seinen herrlichen Bauwerken ein Raum in der Schilderung eingeräumt.
Die weltberühmte Aja Sophia, der uralte mit Recht bewunderte
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Constantinopel.
zeitig die mit der Gründung von Byzanz verknüpfte Sage von dem Raub der
Europa, die hier von dem als Stier erscheinenden Zeus über den Bosporus ge-
tragen wurde, versinnlichen. Auch wird damit die Sage von der Gründung von
Byzanz verknüpft, indem angeblich die in eine Kuh verwandelte Io im Thal des
Barbyses die Keroessa, nachherige Mutter des Byzas, des Gründers der Stadt,
gebar. Der türkische Name Mädchenthurm ist dagegen mit einer anderen aller-
liebsten Sage in Verbindung gebracht.
In byzantinischer Zeit war am Fusse des Leanderthurmes die
schwere Kette angelegt, welche zur Spitze Serai Burnu und von dort
zum jetzigen Zollamt in Galata führte und den Bosporus und das
goldene Horn für die Schiffahrt absperrte.
Südlich von Skutari ist noch die bedeutende Vorstadt Kadikiöi
(Dorf des Richters) zu nennen, welche nach zwei verheerenden Feuers-
brünsten neu aufgebaut, einen durchaus europäischen Charakter er-
halten hat, wie sie denn auch fast nur von Franken aller Nationen
bewohnt ist.
An der Stelle von Kadikiöi lag das 18 Jahre vor der Gründung
von Byzanz entstandene Chalkedon, die älteste Niederlassung am
Bosporus. Kadikiöi steht mit Constantinopel im regsten Dampferver-
kehr, und viele reiche Kaufleute haben in der mit breiten Strassen
und schönen Gärten gezierten Stadt ein trauliches Heim aufgeschlagen.
Kadikiöi ist an Zahl der Kirchen und christlichen Bildungs-
anstalten beachtenswerth, es besitzt unter anderen auch ein griechi-
sches Lyceum, das an der Stätte der alten Basilika der St. Euphemia,
wo 451 und 507 Kirchenconcilien abgehalten wurden, liegen soll.
Noch eine Dependenz von Constantinopel sei hier erwähnt; es
ist die im Marmara-Meere gelegene Gruppe der hohen und maleri-
schen Prinzen-Inseln, die in byzantinischer Zeit der vielen dort
bestandenen griechischen Klöster wegen auch Pfaffen-Inseln (Papa-
donisia) hiessen. Prinzessinnen- oder Prinzen-Inseln nannte man sie,
weil die Eilande ein Verbannungsort für byzantinische Kaiser und
Kaiserinnen (Irene, Regentin von 780 bis 803), Prinzen und Prin-
zessinnen war. Prinkipo, die grösste und höchste der Inseln, ist ein
beliebter Ausflugsort der griechischen Bevölkerung von Constantinopel
und besitzt bei herrlichem Klima, reicher Vegetation und reizenden
Villen auch vielbesuchte Seebäder.
Nach der Rundschau, die wir in der unvergleichlich schönen
Umgebung von Constantinopel gehalten haben, sei nun auch dem ehr-
würdigen Stambul und seinen herrlichen Bauwerken ein Raum in
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/137>, abgerufen am 25.11.2024.
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