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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Odessa.
fällt, blickt uns eine imposante Front von anscheinend herrlichen
Monumentalbauten entgegen; darüber glänzen und glitzern die hoch-
aufragenden Thürme und Kuppeln zahlreicher Kirchen.

Das ist die Oberseite des fesselnden Bildes. Aus dem grünen
Saume schattiger Parkanlagen, welche die Häuserreihen begleiten,
senkt sich, einer genialen Theaterdecoration vergleichbar, zwischen
Blumenparquetten eine grossartige breite Freitreppe mit 200 Stufen
und 20 Ruheplätzen hinab in das Centrum des weiten Hafens.
Mit seiner reichen Quaientwicklung, den hunderten Schiffen aller
Nationen, die sich hier vereinigten, den vielen allen Zwecken dienen-
den Gebäuden, dem lebensvollen Treiben am Lande und zu Wasser
offenbart das Hafengebiet den kräftigen Pulsschlag seines Verkehrs-
lebens und stellt eine Stadt für sich und den Urquell all der schim-
mernden Herrlichkeit des Oberbildes dar.

Odessa ist eine Schöpfung der neueren Zeit. Das rasche Auf-
blühen der Stadt erweist, dass nicht allein die Kriegführung, sondern
auch der Handel strategisch wichtige Punkte kennt. Ein solcher ist
denn durch die glückliche Wahl Katharina's II. in Odessa enstanden.
Der schöpferische Geist dieser weitblickenden Monarchin und die
wirksamen Impulse ihres verlästerten Rathgebers Potemkin schufen
im südlichen Russland eine Zahl gegenwärtig volkreicher und wohl-
habender Hafenstädte, die sämmtlich dank ihrer vortheilhaften Lage
einer immer weiteren Entwicklung entgegengehen.

Potemkin ist der Gründer von Cherson (1778) an der Dnjepr-
Mündung, das gegenwärtig 67.000 Einwohner zählt; er schuf am
selben Strome 1784 Ekaterinoslaw, das heute 47.000 Einwohner hat.
Auch Nikolajew, heute eine Stadt von 67.000 Bewohner und zum
Kriegshafen geworden, entstand 1792 durch Potemkin.

An der Stelle des heutigen Odessa lag zu Ende des vorigen
Jahrhunderts der kleine befestigte türkische Ort Hadschi-Bey, der
1789 durch den russischen Admiral de Ribas erobert wurde. Fünf Jahre
später, und zwar am 22. August 1794, verlieh Katharina II. dem
Platz den Namen Odessa, der an die alte in der Nähe gelegene
griechische Colonie Ordesos erinnern sollte. Wenngleich die Kaiserin
nur die zwei letzten Jahre ihres Lebens die Entwicklung ihrer neuen
Schöpfung mit allen Mitteln fördern konnte, so fand die Stadt in der
Folge doch so mächtige Beschützer, dass sie dadurch und vermöge
der Vortheile ihrer Lage rasch zu einem in der Handelswelt ange-
sehenen Rang emporblühte.

Der erste Gouverneur von Odessa, Admiral de Ribas (1795), dann

Odessa.
fällt, blickt uns eine imposante Front von anscheinend herrlichen
Monumentalbauten entgegen; darüber glänzen und glitzern die hoch-
aufragenden Thürme und Kuppeln zahlreicher Kirchen.

Das ist die Oberseite des fesselnden Bildes. Aus dem grünen
Saume schattiger Parkanlagen, welche die Häuserreihen begleiten,
senkt sich, einer genialen Theaterdecoration vergleichbar, zwischen
Blumenparquetten eine grossartige breite Freitreppe mit 200 Stufen
und 20 Ruheplätzen hinab in das Centrum des weiten Hafens.
Mit seiner reichen Quaientwicklung, den hunderten Schiffen aller
Nationen, die sich hier vereinigten, den vielen allen Zwecken dienen-
den Gebäuden, dem lebensvollen Treiben am Lande und zu Wasser
offenbart das Hafengebiet den kräftigen Pulsschlag seines Verkehrs-
lebens und stellt eine Stadt für sich und den Urquell all der schim-
mernden Herrlichkeit des Oberbildes dar.

Odessa ist eine Schöpfung der neueren Zeit. Das rasche Auf-
blühen der Stadt erweist, dass nicht allein die Kriegführung, sondern
auch der Handel strategisch wichtige Punkte kennt. Ein solcher ist
denn durch die glückliche Wahl Katharina’s II. in Odessa enstanden.
Der schöpferische Geist dieser weitblickenden Monarchin und die
wirksamen Impulse ihres verlästerten Rathgebers Potemkin schufen
im südlichen Russland eine Zahl gegenwärtig volkreicher und wohl-
habender Hafenstädte, die sämmtlich dank ihrer vortheilhaften Lage
einer immer weiteren Entwicklung entgegengehen.

Potemkin ist der Gründer von Cherson (1778) an der Dnjepr-
Mündung, das gegenwärtig 67.000 Einwohner zählt; er schuf am
selben Strome 1784 Ekaterinoslaw, das heute 47.000 Einwohner hat.
Auch Nikolajew, heute eine Stadt von 67.000 Bewohner und zum
Kriegshafen geworden, entstand 1792 durch Potemkin.

An der Stelle des heutigen Odessa lag zu Ende des vorigen
Jahrhunderts der kleine befestigte türkische Ort Hadschi-Bey, der
1789 durch den russischen Admiral de Ribas erobert wurde. Fünf Jahre
später, und zwar am 22. August 1794, verlieh Katharina II. dem
Platz den Namen Odessa, der an die alte in der Nähe gelegene
griechische Colonie Ordesos erinnern sollte. Wenngleich die Kaiserin
nur die zwei letzten Jahre ihres Lebens die Entwicklung ihrer neuen
Schöpfung mit allen Mitteln fördern konnte, so fand die Stadt in der
Folge doch so mächtige Beschützer, dass sie dadurch und vermöge
der Vortheile ihrer Lage rasch zu einem in der Handelswelt ange-
sehenen Rang emporblühte.

Der erste Gouverneur von Odessa, Admiral de Ribas (1795), dann

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[167/0187] Odessa. fällt, blickt uns eine imposante Front von anscheinend herrlichen Monumentalbauten entgegen; darüber glänzen und glitzern die hoch- aufragenden Thürme und Kuppeln zahlreicher Kirchen. Das ist die Oberseite des fesselnden Bildes. Aus dem grünen Saume schattiger Parkanlagen, welche die Häuserreihen begleiten, senkt sich, einer genialen Theaterdecoration vergleichbar, zwischen Blumenparquetten eine grossartige breite Freitreppe mit 200 Stufen und 20 Ruheplätzen hinab in das Centrum des weiten Hafens. Mit seiner reichen Quaientwicklung, den hunderten Schiffen aller Nationen, die sich hier vereinigten, den vielen allen Zwecken dienen- den Gebäuden, dem lebensvollen Treiben am Lande und zu Wasser offenbart das Hafengebiet den kräftigen Pulsschlag seines Verkehrs- lebens und stellt eine Stadt für sich und den Urquell all der schim- mernden Herrlichkeit des Oberbildes dar. Odessa ist eine Schöpfung der neueren Zeit. Das rasche Auf- blühen der Stadt erweist, dass nicht allein die Kriegführung, sondern auch der Handel strategisch wichtige Punkte kennt. Ein solcher ist denn durch die glückliche Wahl Katharina’s II. in Odessa enstanden. Der schöpferische Geist dieser weitblickenden Monarchin und die wirksamen Impulse ihres verlästerten Rathgebers Potemkin schufen im südlichen Russland eine Zahl gegenwärtig volkreicher und wohl- habender Hafenstädte, die sämmtlich dank ihrer vortheilhaften Lage einer immer weiteren Entwicklung entgegengehen. Potemkin ist der Gründer von Cherson (1778) an der Dnjepr- Mündung, das gegenwärtig 67.000 Einwohner zählt; er schuf am selben Strome 1784 Ekaterinoslaw, das heute 47.000 Einwohner hat. Auch Nikolajew, heute eine Stadt von 67.000 Bewohner und zum Kriegshafen geworden, entstand 1792 durch Potemkin. An der Stelle des heutigen Odessa lag zu Ende des vorigen Jahrhunderts der kleine befestigte türkische Ort Hadschi-Bey, der 1789 durch den russischen Admiral de Ribas erobert wurde. Fünf Jahre später, und zwar am 22. August 1794, verlieh Katharina II. dem Platz den Namen Odessa, der an die alte in der Nähe gelegene griechische Colonie Ordesos erinnern sollte. Wenngleich die Kaiserin nur die zwei letzten Jahre ihres Lebens die Entwicklung ihrer neuen Schöpfung mit allen Mitteln fördern konnte, so fand die Stadt in der Folge doch so mächtige Beschützer, dass sie dadurch und vermöge der Vortheile ihrer Lage rasch zu einem in der Handelswelt ange- sehenen Rang emporblühte. Der erste Gouverneur von Odessa, Admiral de Ribas (1795), dann

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/187>, abgerufen am 21.11.2024.