Von der Hauptlinie der Eisenbahn nach Tiflis-Baku zweigen zum Hafen und allen denselben umgebenden Etablissements zahlreiche Nebengeleise ab, auf welchen die eigenthümlichen cylindrischen Petroleumcisternen, ihrer Form nach auch Kessel-Waggons genannt, in langen Zügen verkehren. Ihr Inhalt wird in dickleibige, cylindrische Reservoirs von mit unterenormer Gehaltfähigkeit mittelst Dampfpumpen gefüllt, um seinerzeit nach Bedarf weiter verladen zu werden. Hafen und Stadt tragen den Typus der grossen Umwälzung an allen Ecken und Enden zur Schau, alles ist unfertig, vieles grossartig, aber zu dem alten gar nicht passend. Auch die Menschen dieser früher so tief verschlafenen Türkenstadt modernisiren sich durch Einwanderung; nur die Natur bleibt sich ewig gleich.
Batum ist die Hauptstadt des gleichnamigen Districtes im reichen Gouvernement Kutais. Nördlich der Mündung des reissenden, aber nicht schiffbaren Tscharuch-Flusses, unter 41° 39' nördl. Br. und 41° 37' östl. L. v. G. (Kirche J) gelegen, geniesst die Stadt alle Reize einer wildromantischen Umgebung. Bis zur Küste herab tragen Höhen und Thäler den Schmuck einer immergrünen Pflanzendecke; Lorbeer und Buxbaum gedeihen hier zu ansehnlicher Höhe.
Batum zählt gegenwärtig bereits 10.000 Einwohner. Die ur- sprüngliche Bevölkerung war mohammedanisch-grusinischer Abstam- mung; ein grosser Theil wanderte nach der Besitzergreifung durch die Russen nach der Türkei aus, den russischen Unterthanen Grund und Boden überlassend. Die gegenwärtige Bevölkerung ist grössten- theils aus den verschiedenen Theilen des Kaukasus, aus Russland und dem Auslande eingewandert und setzt sich zusammen aus: Grusinern mohammedanischer und christlicher Religion (das sind Mingrelier, Imerotiner und Gurier), ferner aus Armeniern, einigen Abchasen, Russen, den fremden Colonien und endlich aus einigen Israeliten.
Die Stadt ist Sitz eines Vice-Gouverneurs und eines Hafen- Commandanten.
Batum besitzt je eine griechische, katholische und armenische Kirche und zwei Capellen. Unter den staatlichen Anstalten sind das Civil- und Militär-Spital erwähnenswerth. Neuester Zeit wurde ein schöner Park angelegt.
Batum war die Jahre 1878--1886 hindurch Freihafen und hat wäh- rend dieser Periode einen grossen Aufschwung genommen. 1886 verfiel es der russischen Prohibitiv-Zollpolitik. Mit der Sperrung des Hafens sank der Import aus dem Auslande der hohen Zölle halber ganz enorm. Der ausländische Import beschränkt sich auf Weissblech und kaustische
Das Mittelmeerbecken.
Von der Hauptlinie der Eisenbahn nach Tiflis-Baku zweigen zum Hafen und allen denselben umgebenden Etablissements zahlreiche Nebengeleise ab, auf welchen die eigenthümlichen cylindrischen Petroleumcisternen, ihrer Form nach auch Kessel-Waggons genannt, in langen Zügen verkehren. Ihr Inhalt wird in dickleibige, cylindrische Reservoirs von mit unterenormer Gehaltfähigkeit mittelst Dampfpumpen gefüllt, um seinerzeit nach Bedarf weiter verladen zu werden. Hafen und Stadt tragen den Typus der grossen Umwälzung an allen Ecken und Enden zur Schau, alles ist unfertig, vieles grossartig, aber zu dem alten gar nicht passend. Auch die Menschen dieser früher so tief verschlafenen Türkenstadt modernisiren sich durch Einwanderung; nur die Natur bleibt sich ewig gleich.
Batum ist die Hauptstadt des gleichnamigen Districtes im reichen Gouvernement Kutais. Nördlich der Mündung des reissenden, aber nicht schiffbaren Tscharuch-Flusses, unter 41° 39′ nördl. Br. und 41° 37′ östl. L. v. G. (Kirche J) gelegen, geniesst die Stadt alle Reize einer wildromantischen Umgebung. Bis zur Küste herab tragen Höhen und Thäler den Schmuck einer immergrünen Pflanzendecke; Lorbeer und Buxbaum gedeihen hier zu ansehnlicher Höhe.
Batum zählt gegenwärtig bereits 10.000 Einwohner. Die ur- sprüngliche Bevölkerung war mohammedanisch-grusinischer Abstam- mung; ein grosser Theil wanderte nach der Besitzergreifung durch die Russen nach der Türkei aus, den russischen Unterthanen Grund und Boden überlassend. Die gegenwärtige Bevölkerung ist grössten- theils aus den verschiedenen Theilen des Kaukasus, aus Russland und dem Auslande eingewandert und setzt sich zusammen aus: Grusinern mohammedanischer und christlicher Religion (das sind Mingrelier, Imerotiner und Gurier), ferner aus Armeniern, einigen Abchasen, Russen, den fremden Colonien und endlich aus einigen Israeliten.
Die Stadt ist Sitz eines Vice-Gouverneurs und eines Hafen- Commandanten.
Batum besitzt je eine griechische, katholische und armenische Kirche und zwei Capellen. Unter den staatlichen Anstalten sind das Civil- und Militär-Spital erwähnenswerth. Neuester Zeit wurde ein schöner Park angelegt.
Batum war die Jahre 1878—1886 hindurch Freihafen und hat wäh- rend dieser Periode einen grossen Aufschwung genommen. 1886 verfiel es der russischen Prohibitiv-Zollpolitik. Mit der Sperrung des Hafens sank der Import aus dem Auslande der hohen Zölle halber ganz enorm. Der ausländische Import beschränkt sich auf Weissblech und kaustische
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Das Mittelmeerbecken.
Von der Hauptlinie der Eisenbahn nach Tiflis-Baku zweigen
zum Hafen und allen denselben umgebenden Etablissements zahlreiche
Nebengeleise ab, auf welchen die eigenthümlichen cylindrischen
Petroleumcisternen, ihrer Form nach auch Kessel-Waggons genannt,
in langen Zügen verkehren. Ihr Inhalt wird in dickleibige, cylindrische
Reservoirs von mit unterenormer Gehaltfähigkeit mittelst Dampfpumpen
gefüllt, um seinerzeit nach Bedarf weiter verladen zu werden. Hafen
und Stadt tragen den Typus der grossen Umwälzung an allen Ecken
und Enden zur Schau, alles ist unfertig, vieles grossartig, aber zu
dem alten gar nicht passend. Auch die Menschen dieser früher so
tief verschlafenen Türkenstadt modernisiren sich durch Einwanderung;
nur die Natur bleibt sich ewig gleich.
Batum ist die Hauptstadt des gleichnamigen Districtes im reichen
Gouvernement Kutais. Nördlich der Mündung des reissenden, aber
nicht schiffbaren Tscharuch-Flusses, unter 41° 39′ nördl. Br. und
41° 37′ östl. L. v. G. (Kirche J) gelegen, geniesst die Stadt alle Reize
einer wildromantischen Umgebung. Bis zur Küste herab tragen Höhen
und Thäler den Schmuck einer immergrünen Pflanzendecke; Lorbeer
und Buxbaum gedeihen hier zu ansehnlicher Höhe.
Batum zählt gegenwärtig bereits 10.000 Einwohner. Die ur-
sprüngliche Bevölkerung war mohammedanisch-grusinischer Abstam-
mung; ein grosser Theil wanderte nach der Besitzergreifung durch
die Russen nach der Türkei aus, den russischen Unterthanen Grund
und Boden überlassend. Die gegenwärtige Bevölkerung ist grössten-
theils aus den verschiedenen Theilen des Kaukasus, aus Russland und
dem Auslande eingewandert und setzt sich zusammen aus: Grusinern
mohammedanischer und christlicher Religion (das sind Mingrelier,
Imerotiner und Gurier), ferner aus Armeniern, einigen Abchasen,
Russen, den fremden Colonien und endlich aus einigen Israeliten.
Die Stadt ist Sitz eines Vice-Gouverneurs und eines Hafen-
Commandanten.
Batum besitzt je eine griechische, katholische und armenische
Kirche und zwei Capellen. Unter den staatlichen Anstalten sind das
Civil- und Militär-Spital erwähnenswerth. Neuester Zeit wurde ein
schöner Park angelegt.
Batum war die Jahre 1878—1886 hindurch Freihafen und hat wäh-
rend dieser Periode einen grossen Aufschwung genommen. 1886 verfiel es
der russischen Prohibitiv-Zollpolitik. Mit der Sperrung des Hafens sank
der Import aus dem Auslande der hohen Zölle halber ganz enorm.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/206>, abgerufen am 23.11.2024.
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