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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Jahre 1856 zündete ein Blitzstrahl die gefährliche Masse, und diese
Explosion vollendete die gänzliche Zerstörung der schönen Denkmäler
alter Baukunst, welche schon vorher durch Belagerung und Erdbeben
sehr gelitten hatten.

"In diesem Stadttheil erhebt sich ebenfalls die Citadelle mit
dem ehemaligen Hospital der Ritter, welches jetzt zum Theil als
Staatsgefängniss gebraucht wird. Wir stiegen eine bequeme Freitreppe
hinauf, zwischen deren starkem Gemäuer überall sprossendes Grün
und die verschiedensten Pflanzen sich hervordrängen, zu einer offenen
Galerie, auf welche die Wohnungsräume der Gefangenen münden.
Einige Stufen höher, und wir befinden uns auf einer weit vorspringen-
den geräumigen Plattform, deren äussere Mauern jäh in die unge-
heuere Tiefe des Festungsgrabens abstürzen. Von diesem Punkte ge-
niesst man ein prächtiges Panorama über die Stadt mit ihrem reichen
Kranz von Mauern, Schanzen, welche sie umziehen und ihr das An-
sehen von Alter, Grösse und Bedeutung verleihen, auf das Land und
die asiatische Küste. Tritt man an den inneren Rand, so gewahrt
man einen grossen Hof, der zur Verwahrung der Gefangenen dient,
dessen Mitte eine Cisterne einnimmt, um welche seltsame Gestalten
sich bewegen. Unter ihnen mit Ketten gefesselte, in Nationaltrachten
gekleidete Verbrecher, in deren verbissenen finsteren Gesichtern wir
nur Trotz und Hohn lesen; zwei Derwische, wahrscheinlich aus der
Gegend von Smyrna, und einige Mohren theilen das bittere Los der
Gefangenen.

"Von dieser schaurigen Scene wenden wir uns bald ab, ver-
lassen das Gebäude und gehen zur jetzigen Moschee Suleimanieh. Von
der alten Pracht der früheren Apostelkirche sind nur wenig Spuren
mehr übrig geblieben. Acht weisse Marmorsäulen bilden den Porticus,
reiche Sculpturen schmücken die zwei kleinen, aus dem XV. Jahr-
hundert stammenden Säulen zu beiden Seiten des inneren Einganges.
Dieselben sind mit Engelsköpfchen, färbigen Helmen und Streitäxten
zwischen plastischen Laubgewinden geziert. Im Tempel erscheint alles
kahl, nur einige alte Gebetteppiche und die Kanzel, von welcher die
Lehren des Koran verkündet werden, unterbrechen die Eintönigkeit. Ein
alter Brunnen von reicher Arbeit steht unmittelbar neben der Moschee.

"In der Ibrahim Pascha-Moschee, die sich wenig von der vor-
her erwähnten unterscheidet, uns nur kurz aufhaltend, gelangten wir
durch den südlichen Theil der Stadt, ein labyrinthisches Gewirre
enger dunkler Gassen, deren Häuser meist noch aus der Zeit der Jo-
hanniterherrschaft herrühren, ohne von Bedeutung zu sein, in den Ba-

Das Mittelmeerbecken.
Jahre 1856 zündete ein Blitzstrahl die gefährliche Masse, und diese
Explosion vollendete die gänzliche Zerstörung der schönen Denkmäler
alter Baukunst, welche schon vorher durch Belagerung und Erdbeben
sehr gelitten hatten.

„In diesem Stadttheil erhebt sich ebenfalls die Citadelle mit
dem ehemaligen Hospital der Ritter, welches jetzt zum Theil als
Staatsgefängniss gebraucht wird. Wir stiegen eine bequeme Freitreppe
hinauf, zwischen deren starkem Gemäuer überall sprossendes Grün
und die verschiedensten Pflanzen sich hervordrängen, zu einer offenen
Galerie, auf welche die Wohnungsräume der Gefangenen münden.
Einige Stufen höher, und wir befinden uns auf einer weit vorspringen-
den geräumigen Plattform, deren äussere Mauern jäh in die unge-
heuere Tiefe des Festungsgrabens abstürzen. Von diesem Punkte ge-
niesst man ein prächtiges Panorama über die Stadt mit ihrem reichen
Kranz von Mauern, Schanzen, welche sie umziehen und ihr das An-
sehen von Alter, Grösse und Bedeutung verleihen, auf das Land und
die asiatische Küste. Tritt man an den inneren Rand, so gewahrt
man einen grossen Hof, der zur Verwahrung der Gefangenen dient,
dessen Mitte eine Cisterne einnimmt, um welche seltsame Gestalten
sich bewegen. Unter ihnen mit Ketten gefesselte, in Nationaltrachten
gekleidete Verbrecher, in deren verbissenen finsteren Gesichtern wir
nur Trotz und Hohn lesen; zwei Derwische, wahrscheinlich aus der
Gegend von Smyrna, und einige Mohren theilen das bittere Los der
Gefangenen.

„Von dieser schaurigen Scene wenden wir uns bald ab, ver-
lassen das Gebäude und gehen zur jetzigen Moschee Suleimanieh. Von
der alten Pracht der früheren Apostelkirche sind nur wenig Spuren
mehr übrig geblieben. Acht weisse Marmorsäulen bilden den Porticus,
reiche Sculpturen schmücken die zwei kleinen, aus dem XV. Jahr-
hundert stammenden Säulen zu beiden Seiten des inneren Einganges.
Dieselben sind mit Engelsköpfchen, färbigen Helmen und Streitäxten
zwischen plastischen Laubgewinden geziert. Im Tempel erscheint alles
kahl, nur einige alte Gebetteppiche und die Kanzel, von welcher die
Lehren des Koran verkündet werden, unterbrechen die Eintönigkeit. Ein
alter Brunnen von reicher Arbeit steht unmittelbar neben der Moschee.

„In der Ibrahim Pascha-Moschee, die sich wenig von der vor-
her erwähnten unterscheidet, uns nur kurz aufhaltend, gelangten wir
durch den südlichen Theil der Stadt, ein labyrinthisches Gewirre
enger dunkler Gassen, deren Häuser meist noch aus der Zeit der Jo-
hanniterherrschaft herrühren, ohne von Bedeutung zu sein, in den Ba-

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[220/0240] Das Mittelmeerbecken. Jahre 1856 zündete ein Blitzstrahl die gefährliche Masse, und diese Explosion vollendete die gänzliche Zerstörung der schönen Denkmäler alter Baukunst, welche schon vorher durch Belagerung und Erdbeben sehr gelitten hatten. „In diesem Stadttheil erhebt sich ebenfalls die Citadelle mit dem ehemaligen Hospital der Ritter, welches jetzt zum Theil als Staatsgefängniss gebraucht wird. Wir stiegen eine bequeme Freitreppe hinauf, zwischen deren starkem Gemäuer überall sprossendes Grün und die verschiedensten Pflanzen sich hervordrängen, zu einer offenen Galerie, auf welche die Wohnungsräume der Gefangenen münden. Einige Stufen höher, und wir befinden uns auf einer weit vorspringen- den geräumigen Plattform, deren äussere Mauern jäh in die unge- heuere Tiefe des Festungsgrabens abstürzen. Von diesem Punkte ge- niesst man ein prächtiges Panorama über die Stadt mit ihrem reichen Kranz von Mauern, Schanzen, welche sie umziehen und ihr das An- sehen von Alter, Grösse und Bedeutung verleihen, auf das Land und die asiatische Küste. Tritt man an den inneren Rand, so gewahrt man einen grossen Hof, der zur Verwahrung der Gefangenen dient, dessen Mitte eine Cisterne einnimmt, um welche seltsame Gestalten sich bewegen. Unter ihnen mit Ketten gefesselte, in Nationaltrachten gekleidete Verbrecher, in deren verbissenen finsteren Gesichtern wir nur Trotz und Hohn lesen; zwei Derwische, wahrscheinlich aus der Gegend von Smyrna, und einige Mohren theilen das bittere Los der Gefangenen. „Von dieser schaurigen Scene wenden wir uns bald ab, ver- lassen das Gebäude und gehen zur jetzigen Moschee Suleimanieh. Von der alten Pracht der früheren Apostelkirche sind nur wenig Spuren mehr übrig geblieben. Acht weisse Marmorsäulen bilden den Porticus, reiche Sculpturen schmücken die zwei kleinen, aus dem XV. Jahr- hundert stammenden Säulen zu beiden Seiten des inneren Einganges. Dieselben sind mit Engelsköpfchen, färbigen Helmen und Streitäxten zwischen plastischen Laubgewinden geziert. Im Tempel erscheint alles kahl, nur einige alte Gebetteppiche und die Kanzel, von welcher die Lehren des Koran verkündet werden, unterbrechen die Eintönigkeit. Ein alter Brunnen von reicher Arbeit steht unmittelbar neben der Moschee. „In der Ibrahim Pascha-Moschee, die sich wenig von der vor- her erwähnten unterscheidet, uns nur kurz aufhaltend, gelangten wir durch den südlichen Theil der Stadt, ein labyrinthisches Gewirre enger dunkler Gassen, deren Häuser meist noch aus der Zeit der Jo- hanniterherrschaft herrühren, ohne von Bedeutung zu sein, in den Ba-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/240>, abgerufen am 23.11.2024.