welche sich mühsam den Weg durch die Menge bahnen, ihr Nahen durch kleine am Hals angeheftete Glocken verkündend. Ohne sich von der lärmenden Umgebung beirren zu lassen, wandeln diese Thiere zu einem der den Bazar umgebenden grossen Khane, wo sie ihre Last ablegen; es sind dies mit aller Pracht arabischer Baukunst ge- schmückte Höfe, welche als Waarenlager dienen. Der schönste, am meisten Interesse bietende ist der Khan Assad Pascha's. Man gelangt in denselben durch ein reich verziertes Thor, ringsherum sind Galerien, überwölbt von einer von vier Säulen getragenen Kuppel. Die Mitte des Hofes nimmt ein Wasserbassin ein, um welches zwischen den Gruppen eifrig handelnder Geschäftsleute Kameele am Boden lagern, ernste Raucher auf niederen mit Teppichen bedeckten Holzestraden kauern.
"Unser Weg führte weiter in die algierische Colonie, wo wir zwei prachtvollen Gestalten begegneten. Sie waren auffallend durch ihre classischen Züge und ihre weissen Gewänder; nachträglich er- fuhren wir, dass es Verbannte seien, welche mit Abd-el-Kader kamen.
"Hierauf besuchten wir einige Wohnhäuser, ein christliches ,Schamie', von Maroniten bewohnt, und ein jüdisches ,Schamaja', dessen Inhaber sich noch nach der alten biblischen Tracht kleiden; die Räumlichkeiten boten aber nichts Bemerkenswerthes. Einige Strassen durchwandernd, an einer kolossalen Platane und an den Stadtmauern vorbei, lenkten wir unsere Schritte dem Hotel zu.
"Nach dem Dejeuner wurden uns zwei Mitbewohner vorgestellt. Zu meiner Ueberraschung war es ein junges belgisches Ehepaar, wel- ches auf der Hochzeitsreise begriffen war. Sie hatten Egypten be- sucht, die Nilfahrt gemacht, waren nach Palästina gekommen und von Jerusalem über Land auf guten Pferden nach Damaskus. Der Gatte ist ein reicher Fabriksbesitzer aus Antwerpen, die jugendliche Frau aus Lessines. Er war mir nicht unbekannt, da ich ihm wäh- rend meiner Reise nach Spanien und Frankreich im Jahre 1874 in Biarritz begegnet war. Ausserdem wohnten noch ein Deutscher aus Leipzig und zwei höfliche Engländer im Hotel Victoria.
"Wir fuhren hierauf abermals in den Bazar, um uns zu der grossen Moschee El Amauje zu begeben, welche an der Stelle der von Kaiser Heraklius erbauten Kirche St. Johannes des Täufers sich erhebt. Da es eben Sonntag war, bot die Moschee ein sehr bewegtes Bild; wir durchschritten sie schleunigst, um die Gläubigen in ihrer Andacht nicht zu stören, in die sie ganz vertieft waren. Die einen rollten eifrig die Perlen ihrer Gebetschnur zwischen den Fingern, während
Das Mittelmeerbecken.
welche sich mühsam den Weg durch die Menge bahnen, ihr Nahen durch kleine am Hals angeheftete Glocken verkündend. Ohne sich von der lärmenden Umgebung beirren zu lassen, wandeln diese Thiere zu einem der den Bazar umgebenden grossen Khane, wo sie ihre Last ablegen; es sind dies mit aller Pracht arabischer Baukunst ge- schmückte Höfe, welche als Waarenlager dienen. Der schönste, am meisten Interesse bietende ist der Khan Assad Pascha’s. Man gelangt in denselben durch ein reich verziertes Thor, ringsherum sind Galerien, überwölbt von einer von vier Säulen getragenen Kuppel. Die Mitte des Hofes nimmt ein Wasserbassin ein, um welches zwischen den Gruppen eifrig handelnder Geschäftsleute Kameele am Boden lagern, ernste Raucher auf niederen mit Teppichen bedeckten Holzestraden kauern.
„Unser Weg führte weiter in die algierische Colonie, wo wir zwei prachtvollen Gestalten begegneten. Sie waren auffallend durch ihre classischen Züge und ihre weissen Gewänder; nachträglich er- fuhren wir, dass es Verbannte seien, welche mit Abd-el-Kader kamen.
„Hierauf besuchten wir einige Wohnhäuser, ein christliches ‚Schamie‘, von Maroniten bewohnt, und ein jüdisches ‚Schâmaja‘, dessen Inhaber sich noch nach der alten biblischen Tracht kleiden; die Räumlichkeiten boten aber nichts Bemerkenswerthes. Einige Strassen durchwandernd, an einer kolossalen Platane und an den Stadtmauern vorbei, lenkten wir unsere Schritte dem Hôtel zu.
„Nach dem Déjeuner wurden uns zwei Mitbewohner vorgestellt. Zu meiner Ueberraschung war es ein junges belgisches Ehepaar, wel- ches auf der Hochzeitsreise begriffen war. Sie hatten Egypten be- sucht, die Nilfahrt gemacht, waren nach Palästina gekommen und von Jerusalem über Land auf guten Pferden nach Damaskus. Der Gatte ist ein reicher Fabriksbesitzer aus Antwerpen, die jugendliche Frau aus Lessines. Er war mir nicht unbekannt, da ich ihm wäh- rend meiner Reise nach Spanien und Frankreich im Jahre 1874 in Biarritz begegnet war. Ausserdem wohnten noch ein Deutscher aus Leipzig und zwei höfliche Engländer im Hôtel Victoria.
„Wir fuhren hierauf abermals in den Bazar, um uns zu der grossen Moschee El Amûjè zu begeben, welche an der Stelle der von Kaiser Heraklius erbauten Kirche St. Johannes des Täufers sich erhebt. Da es eben Sonntag war, bot die Moschee ein sehr bewegtes Bild; wir durchschritten sie schleunigst, um die Gläubigen in ihrer Andacht nicht zu stören, in die sie ganz vertieft waren. Die einen rollten eifrig die Perlen ihrer Gebetschnur zwischen den Fingern, während
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Das Mittelmeerbecken.
welche sich mühsam den Weg durch die Menge bahnen, ihr Nahen
durch kleine am Hals angeheftete Glocken verkündend. Ohne sich
von der lärmenden Umgebung beirren zu lassen, wandeln diese Thiere
zu einem der den Bazar umgebenden grossen Khane, wo sie ihre
Last ablegen; es sind dies mit aller Pracht arabischer Baukunst ge-
schmückte Höfe, welche als Waarenlager dienen. Der schönste, am
meisten Interesse bietende ist der Khan Assad Pascha’s. Man gelangt
in denselben durch ein reich verziertes Thor, ringsherum sind Galerien,
überwölbt von einer von vier Säulen getragenen Kuppel. Die Mitte
des Hofes nimmt ein Wasserbassin ein, um welches zwischen den
Gruppen eifrig handelnder Geschäftsleute Kameele am Boden lagern,
ernste Raucher auf niederen mit Teppichen bedeckten Holzestraden
kauern.
„Unser Weg führte weiter in die algierische Colonie, wo wir
zwei prachtvollen Gestalten begegneten. Sie waren auffallend durch
ihre classischen Züge und ihre weissen Gewänder; nachträglich er-
fuhren wir, dass es Verbannte seien, welche mit Abd-el-Kader kamen.
„Hierauf besuchten wir einige Wohnhäuser, ein christliches
‚Schamie‘, von Maroniten bewohnt, und ein jüdisches ‚Schâmaja‘,
dessen Inhaber sich noch nach der alten biblischen Tracht kleiden;
die Räumlichkeiten boten aber nichts Bemerkenswerthes. Einige Strassen
durchwandernd, an einer kolossalen Platane und an den Stadtmauern
vorbei, lenkten wir unsere Schritte dem Hôtel zu.
„Nach dem Déjeuner wurden uns zwei Mitbewohner vorgestellt.
Zu meiner Ueberraschung war es ein junges belgisches Ehepaar, wel-
ches auf der Hochzeitsreise begriffen war. Sie hatten Egypten be-
sucht, die Nilfahrt gemacht, waren nach Palästina gekommen und
von Jerusalem über Land auf guten Pferden nach Damaskus. Der
Gatte ist ein reicher Fabriksbesitzer aus Antwerpen, die jugendliche
Frau aus Lessines. Er war mir nicht unbekannt, da ich ihm wäh-
rend meiner Reise nach Spanien und Frankreich im Jahre 1874 in
Biarritz begegnet war. Ausserdem wohnten noch ein Deutscher aus
Leipzig und zwei höfliche Engländer im Hôtel Victoria.
„Wir fuhren hierauf abermals in den Bazar, um uns zu der
grossen Moschee El Amûjè zu begeben, welche an der Stelle der von
Kaiser Heraklius erbauten Kirche St. Johannes des Täufers sich erhebt.
Da es eben Sonntag war, bot die Moschee ein sehr bewegtes Bild;
wir durchschritten sie schleunigst, um die Gläubigen in ihrer Andacht
nicht zu stören, in die sie ganz vertieft waren. Die einen rollten
eifrig die Perlen ihrer Gebetschnur zwischen den Fingern, während
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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