Der Mehemed Ali-Platz, in dessen Mitte zwischen Baumanlagen das erzene Reiterstandbild des egyptischen Reformators steht, ist mit seinen langen Häuserfronten und den einmündenden breiten Strassen zum fashionablen Quartier der Stadt geworden. Längst sind die Häuserruinen, welche durch die Katastrophe am 11. Juli 1882 ent- standen waren, entfernt und durch Neubauten ersetzt.
Alexandria hatte damals arg gelitten. Als nach einer mörde- rischen Kanonade Admiral Seymour die Forts zum Schweigen ge- bracht, blieb die Stadt den plündernden Horden der Eingeborenen und den in Freiheit gesetzten Bagnosträflingen überlassen; ein grosser Theil der Stadt, darunter das Frankenviertel, gegen welches die ganze Wuth der anarchischen Massen tobte, ging in Flammen auf.
Im Jahre 1798 wurde Alexandria von Bonaparte erstürmt und 1799 erfolgte im Monate Februar eine mehrtägige Beschiessung durch ein englisches Geschwader unter Capitän Troubridge.
Die nächste Umgebung der Stadt besitzt einige durch ihre tropische Vegetation reizende Partien. Man ist überrascht, auf der Strasse nach Ramleh oder an den Ufern des Mahmudieh-Canales hart an trostlosen Wüsteneien einen Kranz herrlicher und wohlgepflegter Gärten, in welchen die zierlichen Wedel der Dattelpalme neben den mächtigen Kronen der Sykomoren gedeihen, vorzufinden. Dort hat sich die besitzende und vornehme Welt der Stadt in zierlichen Villen ein beneidenswerthes Sans-soucis geschaffen, das über die Mühen des Tages wohl hinwegzuhelfen geeignet ist.
Ein Glanzpunkt der Hafenansicht ist das Marmorschloss Ras- el-Tin nächst dem Leuchtthurme, dessen weisse Front markant hervor- tritt. Mehemed Ali erbaute dasselbe, und seither blieb es die Sommer- Residenz des jeweiligen Vicekönigs von Egypten. Auch dieses Gebäude wurde durch das Bombardement hart mitgenommen.
Merkwürdig sind die sogenannten Katakomben. Diese Bestattungs- räume mögen entweder der einstens in der Nähe gelegenen Ortschaft Rha- kotis als Nekropole gedient haben oder aber gehörten sie dem alten Alexandria selbst an. In Felsen gehauen, enthalten sie kaum 2 m hohe Gänge und Hallen von bescheidener Ausdehnung, aber ohne Inschriften oder Sculpturen. Der Zugang befindet sich knapp am Strande nächst der Batterie Tsale.
Alexandria (türkisch Iskanderieh) zählt (1882) 227.000 Ein- wohner, davon 49.000 Fremde. In seiner Bevölkerung sind aller Herren Länder Sprachen und Nationen vertreten, es ist ein internationaler Hafenort, aber wie vor Alters, so herrscht noch heute ein gewisser
Das Mittelmeerbecken.
Der Mehemed Ali-Platz, in dessen Mitte zwischen Baumanlagen das erzene Reiterstandbild des egyptischen Reformators steht, ist mit seinen langen Häuserfronten und den einmündenden breiten Strassen zum fashionablen Quartier der Stadt geworden. Längst sind die Häuserruinen, welche durch die Katastrophe am 11. Juli 1882 ent- standen waren, entfernt und durch Neubauten ersetzt.
Alexandria hatte damals arg gelitten. Als nach einer mörde- rischen Kanonade Admiral Seymour die Forts zum Schweigen ge- bracht, blieb die Stadt den plündernden Horden der Eingeborenen und den in Freiheit gesetzten Bagnosträflingen überlassen; ein grosser Theil der Stadt, darunter das Frankenviertel, gegen welches die ganze Wuth der anarchischen Massen tobte, ging in Flammen auf.
Im Jahre 1798 wurde Alexandria von Bonaparte erstürmt und 1799 erfolgte im Monate Februar eine mehrtägige Beschiessung durch ein englisches Geschwader unter Capitän Troubridge.
Die nächste Umgebung der Stadt besitzt einige durch ihre tropische Vegetation reizende Partien. Man ist überrascht, auf der Strasse nach Ramleh oder an den Ufern des Mahmudieh-Canales hart an trostlosen Wüsteneien einen Kranz herrlicher und wohlgepflegter Gärten, in welchen die zierlichen Wedel der Dattelpalme neben den mächtigen Kronen der Sykomoren gedeihen, vorzufinden. Dort hat sich die besitzende und vornehme Welt der Stadt in zierlichen Villen ein beneidenswerthes Sans-soucis geschaffen, das über die Mühen des Tages wohl hinwegzuhelfen geeignet ist.
Ein Glanzpunkt der Hafenansicht ist das Marmorschloss Ras- el-Tin nächst dem Leuchtthurme, dessen weisse Front markant hervor- tritt. Mehemed Ali erbaute dasselbe, und seither blieb es die Sommer- Residenz des jeweiligen Vicekönigs von Egypten. Auch dieses Gebäude wurde durch das Bombardement hart mitgenommen.
Merkwürdig sind die sogenannten Katakomben. Diese Bestattungs- räume mögen entweder der einstens in der Nähe gelegenen Ortschaft Rha- kotis als Nekropole gedient haben oder aber gehörten sie dem alten Alexandria selbst an. In Felsen gehauen, enthalten sie kaum 2 m hohe Gänge und Hallen von bescheidener Ausdehnung, aber ohne Inschriften oder Sculpturen. Der Zugang befindet sich knapp am Strande nächst der Batterie Tsalé.
Alexandria (türkisch Iskanderieh) zählt (1882) 227.000 Ein- wohner, davon 49.000 Fremde. In seiner Bevölkerung sind aller Herren Länder Sprachen und Nationen vertreten, es ist ein internationaler Hafenort, aber wie vor Alters, so herrscht noch heute ein gewisser
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Der Mehemed Ali-Platz, in dessen Mitte zwischen Baumanlagen
das erzene Reiterstandbild des egyptischen Reformators steht, ist mit
seinen langen Häuserfronten und den einmündenden breiten Strassen
zum fashionablen Quartier der Stadt geworden. Längst sind die
Häuserruinen, welche durch die Katastrophe am 11. Juli 1882 ent-
standen waren, entfernt und durch Neubauten ersetzt.
Alexandria hatte damals arg gelitten. Als nach einer mörde-
rischen Kanonade Admiral Seymour die Forts zum Schweigen ge-
bracht, blieb die Stadt den plündernden Horden der Eingeborenen
und den in Freiheit gesetzten Bagnosträflingen überlassen; ein grosser
Theil der Stadt, darunter das Frankenviertel, gegen welches die ganze
Wuth der anarchischen Massen tobte, ging in Flammen auf.
Im Jahre 1798 wurde Alexandria von Bonaparte erstürmt und 1799 erfolgte
im Monate Februar eine mehrtägige Beschiessung durch ein englisches Geschwader
unter Capitän Troubridge.
Die nächste Umgebung der Stadt besitzt einige durch ihre
tropische Vegetation reizende Partien. Man ist überrascht, auf der
Strasse nach Ramleh oder an den Ufern des Mahmudieh-Canales hart
an trostlosen Wüsteneien einen Kranz herrlicher und wohlgepflegter
Gärten, in welchen die zierlichen Wedel der Dattelpalme neben den
mächtigen Kronen der Sykomoren gedeihen, vorzufinden. Dort hat sich
die besitzende und vornehme Welt der Stadt in zierlichen Villen ein
beneidenswerthes Sans-soucis geschaffen, das über die Mühen des
Tages wohl hinwegzuhelfen geeignet ist.
Ein Glanzpunkt der Hafenansicht ist das Marmorschloss Ras-
el-Tin nächst dem Leuchtthurme, dessen weisse Front markant hervor-
tritt. Mehemed Ali erbaute dasselbe, und seither blieb es die Sommer-
Residenz des jeweiligen Vicekönigs von Egypten. Auch dieses Gebäude
wurde durch das Bombardement hart mitgenommen.
Merkwürdig sind die sogenannten Katakomben. Diese Bestattungs-
räume mögen entweder der einstens in der Nähe gelegenen Ortschaft Rha-
kotis als Nekropole gedient haben oder aber gehörten sie dem alten
Alexandria selbst an. In Felsen gehauen, enthalten sie kaum 2 m hohe
Gänge und Hallen von bescheidener Ausdehnung, aber ohne Inschriften
oder Sculpturen. Der Zugang befindet sich knapp am Strande nächst
der Batterie Tsalé.
Alexandria (türkisch Iskanderieh) zählt (1882) 227.000 Ein-
wohner, davon 49.000 Fremde. In seiner Bevölkerung sind aller Herren
Länder Sprachen und Nationen vertreten, es ist ein internationaler
Hafenort, aber wie vor Alters, so herrscht noch heute ein gewisser
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/304>, abgerufen am 23.11.2024.
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