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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Alexandria.
Egyptens und den seiner südlichen Grenzländer, vorausgesetzt, dass
dort, wo heute die Mahdisten herrschen, wieder gesicherte Verhältnisse
eintreten.

Der Bau einer Eisenbahn von Port Said nach dem Südwesten
zum Anschlusse an das egyptische Eisenbahnnetz, der ja doch auf die
Dauer nicht zu vermeiden ist, würde mindestens den Handel des öst-
lichen Theiles des Deltas nach Port Said lenken. Die zahlreichen
englischen Kohlenschiffe, welche jährlich dort landen, könnten für die
Verschiffung von Baumwolle und Getreide nach England ausnehmend
niedrige Frachtsätze bewilligen.

So lange aber diese Bahn nach Port Said nicht gebaut ist,
bleibt Alexandria nicht nur der wichtigste, sondern, man könnte fast
sagen, der einzige Hafenplatz Egyptens, weil die Einfuhr und Aus-
fuhr von Port Said auf den Localverkehr im strengsten Sinne des
Wortes beschränkt sind.

Aber trotzdem diese Bahn noch nicht gebaut ist, lässt sich der
Rückgang Alexandrias nicht verkennen. Der Niedergang begann mit
dem Bombardement von 1882, welcher die Blüthe der egyptischen
Seestadt um so schwerer verletzte, als die folgenden Jahre dem Ale-
xandriner Handel nur Entgang, aber keinen Aufschwung brachten. Der
Wohlstand, den Egypten seit der Aufsicht der Engländer erlangt hat,
kommt also nicht der Stadt zugute. Nur die Bauern gewinnen, nicht
der Handel Alexandrias, die Reichsfinanzen floriren, der Stadtbewohner
aber verarmt. Alexandria hat nämlich seinen Zwischenhandel ver-
loren, der bis vor wenig Jahren in seinen Mauern blühte. Die Ausfuhr
erfolgt zum grössten Theile unmittelbar, es fehlt der eigentliche
Waarenumsatz, und die Erwerbsquellen sind dadurch auf ein Minimum
reducirt. Ein Markt von der Bedeutung Alexandrias kann nicht be-
stehen, wenn die Waaren vom Erzeuger direct an den Exporteur gehen,
weil dann im günstigsten Falle nur 2 % von der Summe des Exportes,
der ungefähr 10·5 Millionen egyptische Lire beträgt, verdient werden.

Der Transport der Ausfuhrartikel Egyptens nach Alexandria
findet mit der Eisenbahn statt. Der Mahmudieh-Canal hat dafür nur
sehr geringe Bedeutung, weil die egyptische Regierung die Schiffahrt
auf dem Nil mit empfindlichen Abgaben belastet, um das Erträgniss
ihrer Eisenbahnen zu heben. Auch muss man bedenken, dass ein
Canal vom Rosette'schen Nilarm schon im XIV. und XV. Jahrhundert
bestand, aber gerade so wiederholt verschlammte, wie in unseren
Tagen der Mahmudieh- und Süsswasser-Canal. Gegenwärtig werden
die Bahnlinien über Siut hinaus nach Süden weiter geführt.


Alexandria.
Egyptens und den seiner südlichen Grenzländer, vorausgesetzt, dass
dort, wo heute die Mahdisten herrschen, wieder gesicherte Verhältnisse
eintreten.

Der Bau einer Eisenbahn von Port Saïd nach dem Südwesten
zum Anschlusse an das egyptische Eisenbahnnetz, der ja doch auf die
Dauer nicht zu vermeiden ist, würde mindestens den Handel des öst-
lichen Theiles des Deltas nach Port Saïd lenken. Die zahlreichen
englischen Kohlenschiffe, welche jährlich dort landen, könnten für die
Verschiffung von Baumwolle und Getreide nach England ausnehmend
niedrige Frachtsätze bewilligen.

So lange aber diese Bahn nach Port Saïd nicht gebaut ist,
bleibt Alexandria nicht nur der wichtigste, sondern, man könnte fast
sagen, der einzige Hafenplatz Egyptens, weil die Einfuhr und Aus-
fuhr von Port Saïd auf den Localverkehr im strengsten Sinne des
Wortes beschränkt sind.

Aber trotzdem diese Bahn noch nicht gebaut ist, lässt sich der
Rückgang Alexandrias nicht verkennen. Der Niedergang begann mit
dem Bombardement von 1882, welcher die Blüthe der egyptischen
Seestadt um so schwerer verletzte, als die folgenden Jahre dem Ale-
xandriner Handel nur Entgang, aber keinen Aufschwung brachten. Der
Wohlstand, den Egypten seit der Aufsicht der Engländer erlangt hat,
kommt also nicht der Stadt zugute. Nur die Bauern gewinnen, nicht
der Handel Alexandrias, die Reichsfinanzen floriren, der Stadtbewohner
aber verarmt. Alexandria hat nämlich seinen Zwischenhandel ver-
loren, der bis vor wenig Jahren in seinen Mauern blühte. Die Ausfuhr
erfolgt zum grössten Theile unmittelbar, es fehlt der eigentliche
Waarenumsatz, und die Erwerbsquellen sind dadurch auf ein Minimum
reducirt. Ein Markt von der Bedeutung Alexandrias kann nicht be-
stehen, wenn die Waaren vom Erzeuger direct an den Exporteur gehen,
weil dann im günstigsten Falle nur 2 % von der Summe des Exportes,
der ungefähr 10·5 Millionen egyptische Lire beträgt, verdient werden.

Der Transport der Ausfuhrartikel Egyptens nach Alexandria
findet mit der Eisenbahn statt. Der Mahmudieh-Canal hat dafür nur
sehr geringe Bedeutung, weil die egyptische Regierung die Schiffahrt
auf dem Nil mit empfindlichen Abgaben belastet, um das Erträgniss
ihrer Eisenbahnen zu heben. Auch muss man bedenken, dass ein
Canal vom Rosette’schen Nilarm schon im XIV. und XV. Jahrhundert
bestand, aber gerade so wiederholt verschlammte, wie in unseren
Tagen der Mahmudieh- und Süsswasser-Canal. Gegenwärtig werden
die Bahnlinien über Siut hinaus nach Süden weiter geführt.


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[287/0307] Alexandria. Egyptens und den seiner südlichen Grenzländer, vorausgesetzt, dass dort, wo heute die Mahdisten herrschen, wieder gesicherte Verhältnisse eintreten. Der Bau einer Eisenbahn von Port Saïd nach dem Südwesten zum Anschlusse an das egyptische Eisenbahnnetz, der ja doch auf die Dauer nicht zu vermeiden ist, würde mindestens den Handel des öst- lichen Theiles des Deltas nach Port Saïd lenken. Die zahlreichen englischen Kohlenschiffe, welche jährlich dort landen, könnten für die Verschiffung von Baumwolle und Getreide nach England ausnehmend niedrige Frachtsätze bewilligen. So lange aber diese Bahn nach Port Saïd nicht gebaut ist, bleibt Alexandria nicht nur der wichtigste, sondern, man könnte fast sagen, der einzige Hafenplatz Egyptens, weil die Einfuhr und Aus- fuhr von Port Saïd auf den Localverkehr im strengsten Sinne des Wortes beschränkt sind. Aber trotzdem diese Bahn noch nicht gebaut ist, lässt sich der Rückgang Alexandrias nicht verkennen. Der Niedergang begann mit dem Bombardement von 1882, welcher die Blüthe der egyptischen Seestadt um so schwerer verletzte, als die folgenden Jahre dem Ale- xandriner Handel nur Entgang, aber keinen Aufschwung brachten. Der Wohlstand, den Egypten seit der Aufsicht der Engländer erlangt hat, kommt also nicht der Stadt zugute. Nur die Bauern gewinnen, nicht der Handel Alexandrias, die Reichsfinanzen floriren, der Stadtbewohner aber verarmt. Alexandria hat nämlich seinen Zwischenhandel ver- loren, der bis vor wenig Jahren in seinen Mauern blühte. Die Ausfuhr erfolgt zum grössten Theile unmittelbar, es fehlt der eigentliche Waarenumsatz, und die Erwerbsquellen sind dadurch auf ein Minimum reducirt. Ein Markt von der Bedeutung Alexandrias kann nicht be- stehen, wenn die Waaren vom Erzeuger direct an den Exporteur gehen, weil dann im günstigsten Falle nur 2 % von der Summe des Exportes, der ungefähr 10·5 Millionen egyptische Lire beträgt, verdient werden. Der Transport der Ausfuhrartikel Egyptens nach Alexandria findet mit der Eisenbahn statt. Der Mahmudieh-Canal hat dafür nur sehr geringe Bedeutung, weil die egyptische Regierung die Schiffahrt auf dem Nil mit empfindlichen Abgaben belastet, um das Erträgniss ihrer Eisenbahnen zu heben. Auch muss man bedenken, dass ein Canal vom Rosette’schen Nilarm schon im XIV. und XV. Jahrhundert bestand, aber gerade so wiederholt verschlammte, wie in unseren Tagen der Mahmudieh- und Süsswasser-Canal. Gegenwärtig werden die Bahnlinien über Siut hinaus nach Süden weiter geführt.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/307>, abgerufen am 23.11.2024.