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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.

Bei der Theilung des Reiches kam die Provinz Afrika an das ost-
römische Reich.

Nun fielen (439 n. Chr.) die Vandalen unter Genserich ein; dieser erhob
Neucarthago zur Hauptstadt seines Reiches. Belisar, welcher 533 die Vandalen
auf den Schlachtfeldern bei Tunis schlug, eroberte es wieder für Byzanz.

Im Jahre 647 erschienen die Araber auf afrikanischem Boden und eroberten
670 Tunis. Die Herrschaft der Byzantiner ward gebrochen. Byrsa allein widerstand
bis zum Jahre 693. Mit ihm fiel auch Carthago -- zum zweitenmal -- in
Trümmer.

Khairuan, das der Häuptling Okbah gründete, wurde nun und blieb bis zum
XIII. Jahrhundert die Hauptstadt des Reiches, worauf 1260 Tunis an dessen Stelle
tritt, die aus Spanien immer mehr verdrängten Mauren aufnimmt und deren poli-
tisches und religiöses Centrum wird.

Indessen schwindet die Macht der Mauren auch in Tunis. Karl VI. von
Frankreich zwingt 1391 den König von Tunis zum Frieden mit den Genuesen.

Im XVI. Jahrhundert fiel der Sultan von Algier, der berühmte Khaireddin,
genannt Barbarossa, in Tunis ein, eroberte Bizerta und Tunis und verjagte den
König Muley-Hassan. Da erschien Kaiser Karl V. 1535 mit einer grossen Flotte;
Goletta wurde erfolgreich beschossen und Barbarossa durch ausgeschiffte Truppen
entscheidend geschlagen. Muley ward wieder eingesetzt und Goletta behielt eine
spanische Garnison.

Im Jahre 1575 trat Tunis unter die Oberhoheit der Türkei, aber 1649
nahm der Dey Mohammed den Titel eines Bey an und gründete, obgleich er noch
als Vasall sich bekannte, die erbliche Monarchie.

Gleichwie Marokko, Algier und Tripolis brachte auch Tunis alsbald die
officielle Piraterie im Mittelmeere in Schwung und respectirte selbst die Flaggen
der grossen Seestaaten nicht. Die Handelsschiffahrt gerieth infolge dessen in höchst
fatale Situationen. Wiederholte Beschiessungen der Raubnester an der Küste
führten zu keiner Abhilfe, ebensowenig fruchteten Reclamationen bei der Hohen
Pforte, und so entschlossen die meisten Staaten sich zur Zahlung jährlicher Tri-
bute -- man nannte dieselben Geschenke -- an die Deys oder Beys der Regent-
schaften (Barbaresken- oder Raubstaaten).

Ernstere und langwährende Conflicte hatte Tunis (1784--1790) mit der
Republik Venedig auszukämpfen; diese entsendete den Admiral Emo mit einer
Flotte nach Tunis und demüthigte nach mehrfachen Beschiessungen von Goletta
und Tunis sowie anderer Küstenstädte den Raubstaat. Noch zu Beginn dieses
Jahrhunderts bildeten die Barbaresken den Schrecken der Seefahrer im Mittel-
meere, und erst im dritten Jahrzehnt ward ihre Macht gebrochen, nachdem Tausende
von Matrosen und Passagieren von ihnen gefangen genommen und in die Sclaverei
geführt worden waren.

Die wiederholten Einfälle tunesischer Stämme in Algier, die Niedermetze-
lung der Expedition des Obersten Flatters, der zur Erforschung der Sahara aus-
gesendet war, und vielleicht nicht zum geringsten die Sorge, dass Italien, dessen
Unterthanen bei dem Bau der tunesischen Eisenbahnen betheiligt waren, an eine
Besetzung von Tunis gehen könnte, führten im April 1881 zum Kriege, und durch
den Vertrag vom 12. Mai 1881 (genauer bestimmt 8. Juni 1883) wurde Tunis, das
seit 1575 unter der Souveränetät der Hohen Pforte gestanden, ein Schutzstaat
Frankreichs. Der französische Generalresident ist Minister des Aeussern von

Das Mittelmeerbecken.

Bei der Theilung des Reiches kam die Provinz Afrika an das ost-
römische Reich.

Nun fielen (439 n. Chr.) die Vandalen unter Genserich ein; dieser erhob
Neucarthago zur Hauptstadt seines Reiches. Belisar, welcher 533 die Vandalen
auf den Schlachtfeldern bei Tunis schlug, eroberte es wieder für Byzanz.

Im Jahre 647 erschienen die Araber auf afrikanischem Boden und eroberten
670 Tunis. Die Herrschaft der Byzantiner ward gebrochen. Byrsa allein widerstand
bis zum Jahre 693. Mit ihm fiel auch Carthago — zum zweitenmal — in
Trümmer.

Khairuan, das der Häuptling Okbah gründete, wurde nun und blieb bis zum
XIII. Jahrhundert die Hauptstadt des Reiches, worauf 1260 Tunis an dessen Stelle
tritt, die aus Spanien immer mehr verdrängten Mauren aufnimmt und deren poli-
tisches und religiöses Centrum wird.

Indessen schwindet die Macht der Mauren auch in Tunis. Karl VI. von
Frankreich zwingt 1391 den König von Tunis zum Frieden mit den Genuesen.

Im XVI. Jahrhundert fiel der Sultan von Algier, der berühmte Khaireddin,
genannt Barbarossa, in Tunis ein, eroberte Bizerta und Tunis und verjagte den
König Muley-Hassan. Da erschien Kaiser Karl V. 1535 mit einer grossen Flotte;
Goletta wurde erfolgreich beschossen und Barbarossa durch ausgeschiffte Truppen
entscheidend geschlagen. Muley ward wieder eingesetzt und Goletta behielt eine
spanische Garnison.

Im Jahre 1575 trat Tunis unter die Oberhoheit der Türkei, aber 1649
nahm der Dey Mohammed den Titel eines Bey an und gründete, obgleich er noch
als Vasall sich bekannte, die erbliche Monarchie.

Gleichwie Marokko, Algier und Tripolis brachte auch Tunis alsbald die
officielle Piraterie im Mittelmeere in Schwung und respectirte selbst die Flaggen
der grossen Seestaaten nicht. Die Handelsschiffahrt gerieth infolge dessen in höchst
fatale Situationen. Wiederholte Beschiessungen der Raubnester an der Küste
führten zu keiner Abhilfe, ebensowenig fruchteten Reclamationen bei der Hohen
Pforte, und so entschlossen die meisten Staaten sich zur Zahlung jährlicher Tri-
bute — man nannte dieselben Geschenke — an die Deys oder Beys der Regent-
schaften (Barbaresken- oder Raubstaaten).

Ernstere und langwährende Conflicte hatte Tunis (1784—1790) mit der
Republik Venedig auszukämpfen; diese entsendete den Admiral Emo mit einer
Flotte nach Tunis und demüthigte nach mehrfachen Beschiessungen von Goletta
und Tunis sowie anderer Küstenstädte den Raubstaat. Noch zu Beginn dieses
Jahrhunderts bildeten die Barbaresken den Schrecken der Seefahrer im Mittel-
meere, und erst im dritten Jahrzehnt ward ihre Macht gebrochen, nachdem Tausende
von Matrosen und Passagieren von ihnen gefangen genommen und in die Sclaverei
geführt worden waren.

Die wiederholten Einfälle tunesischer Stämme in Algier, die Niedermetze-
lung der Expedition des Obersten Flatters, der zur Erforschung der Sahara aus-
gesendet war, und vielleicht nicht zum geringsten die Sorge, dass Italien, dessen
Unterthanen bei dem Bau der tunesischen Eisenbahnen betheiligt waren, an eine
Besetzung von Tunis gehen könnte, führten im April 1881 zum Kriege, und durch
den Vertrag vom 12. Mai 1881 (genauer bestimmt 8. Juni 1883) wurde Tunis, das
seit 1575 unter der Souveränetät der Hohen Pforte gestanden, ein Schutzstaat
Frankreichs. Der französische Generalresident ist Minister des Aeussern von

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[300/0320] Das Mittelmeerbecken. Bei der Theilung des Reiches kam die Provinz Afrika an das ost- römische Reich. Nun fielen (439 n. Chr.) die Vandalen unter Genserich ein; dieser erhob Neucarthago zur Hauptstadt seines Reiches. Belisar, welcher 533 die Vandalen auf den Schlachtfeldern bei Tunis schlug, eroberte es wieder für Byzanz. Im Jahre 647 erschienen die Araber auf afrikanischem Boden und eroberten 670 Tunis. Die Herrschaft der Byzantiner ward gebrochen. Byrsa allein widerstand bis zum Jahre 693. Mit ihm fiel auch Carthago — zum zweitenmal — in Trümmer. Khairuan, das der Häuptling Okbah gründete, wurde nun und blieb bis zum XIII. Jahrhundert die Hauptstadt des Reiches, worauf 1260 Tunis an dessen Stelle tritt, die aus Spanien immer mehr verdrängten Mauren aufnimmt und deren poli- tisches und religiöses Centrum wird. Indessen schwindet die Macht der Mauren auch in Tunis. Karl VI. von Frankreich zwingt 1391 den König von Tunis zum Frieden mit den Genuesen. Im XVI. Jahrhundert fiel der Sultan von Algier, der berühmte Khaireddin, genannt Barbarossa, in Tunis ein, eroberte Bizerta und Tunis und verjagte den König Muley-Hassan. Da erschien Kaiser Karl V. 1535 mit einer grossen Flotte; Goletta wurde erfolgreich beschossen und Barbarossa durch ausgeschiffte Truppen entscheidend geschlagen. Muley ward wieder eingesetzt und Goletta behielt eine spanische Garnison. Im Jahre 1575 trat Tunis unter die Oberhoheit der Türkei, aber 1649 nahm der Dey Mohammed den Titel eines Bey an und gründete, obgleich er noch als Vasall sich bekannte, die erbliche Monarchie. Gleichwie Marokko, Algier und Tripolis brachte auch Tunis alsbald die officielle Piraterie im Mittelmeere in Schwung und respectirte selbst die Flaggen der grossen Seestaaten nicht. Die Handelsschiffahrt gerieth infolge dessen in höchst fatale Situationen. Wiederholte Beschiessungen der Raubnester an der Küste führten zu keiner Abhilfe, ebensowenig fruchteten Reclamationen bei der Hohen Pforte, und so entschlossen die meisten Staaten sich zur Zahlung jährlicher Tri- bute — man nannte dieselben Geschenke — an die Deys oder Beys der Regent- schaften (Barbaresken- oder Raubstaaten). Ernstere und langwährende Conflicte hatte Tunis (1784—1790) mit der Republik Venedig auszukämpfen; diese entsendete den Admiral Emo mit einer Flotte nach Tunis und demüthigte nach mehrfachen Beschiessungen von Goletta und Tunis sowie anderer Küstenstädte den Raubstaat. Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts bildeten die Barbaresken den Schrecken der Seefahrer im Mittel- meere, und erst im dritten Jahrzehnt ward ihre Macht gebrochen, nachdem Tausende von Matrosen und Passagieren von ihnen gefangen genommen und in die Sclaverei geführt worden waren. Die wiederholten Einfälle tunesischer Stämme in Algier, die Niedermetze- lung der Expedition des Obersten Flatters, der zur Erforschung der Sahara aus- gesendet war, und vielleicht nicht zum geringsten die Sorge, dass Italien, dessen Unterthanen bei dem Bau der tunesischen Eisenbahnen betheiligt waren, an eine Besetzung von Tunis gehen könnte, führten im April 1881 zum Kriege, und durch den Vertrag vom 12. Mai 1881 (genauer bestimmt 8. Juni 1883) wurde Tunis, das seit 1575 unter der Souveränetät der Hohen Pforte gestanden, ein Schutzstaat Frankreichs. Der französische Generalresident ist Minister des Aeussern von

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/320>, abgerufen am 24.11.2024.