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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Tunis.
Landverbindungen von Tunis-Goletta geschehen; Localbahnen wurden von Tunis
aus gebaut und der Anschluss an das Netz Algiers hergestellt.

Weil nun ausserdem an der Landesgrenze Tunis-Algier kein Zoll besteht,
ist Bona Verschiffungshafen für Güter aus dem westlichen Tunis.

Die telegraphische Verbindung mit Algier und dadurch mit Europa wird
durch eine Landlinie und zwei Kabel (Biserta-la Calle) hergestellt.

Consuln haben in Tunis: Belgien, Dänemark, Deutsches Reich (in Goletta
ausserdem ein V.-C.), Frankreich, Griechenland (G.-C.), Grossbritannien, Italien
(G.-C.), Monaco (G.-C.), Oesterreich-Ungarn (G.-C.), Portugal, Russland, Schweden-
Norwegen, Spanien (G.-C.).

Wir haben hier noch Tripolis, die Hauptstadt der gleichnamigen
türkischen Provinz, zu erwähnen, von Belang als Ausfuhrhafen an der
afrikanischen Küste zwischen den beiden Syrten und als Ausgangs-
punkt einer wichtigen Karawanenstrasse durch die Sahara an den
Tsadsee im Sudan. Tripolis, das alte Tarabulus (32° 54' nördl.
Breite und 13° 11' östl. Länge v. Gr.), thront von alterthümlichen Mauern
und detachirten Forts umgeben an einem felsigen Küstenvorsprung,
von dem aus eine meilenlange Kette von Riffen und Bänken in der
Richtung nach ONO. in das Meer sich zieht und einen zwar schwer
anzulaufenden, allein sicheren Hafen bildet, in den Schiffe bis zu 6.2 m
Tauchung einlaufen können. Diese Küstenbeschaffenheit begünstigte
in früheren Zeiten ungemein das Piratenwesen, und Tripolis genoss
den traurigen Ruf als einer der gefürchtetsten Raubstaaten des Mittel-
meeres.

Im Alterthume gelangte die Stadt bald unter die Herrschaft Carthagos,
wurde dann römisch, hierauf arabisch, stand von 1509 bis 1551 unter spanischer
Herrschaft, bis die Türken von Stadt und Land Besitz ergriffen. In der Periode
1714 bis 1835 war das Paschalik von Tripolis eine erbliche Würde gewesen;
seitdem regiert dort ein Vali der hohen Pforte.

Der Anblick der Stadt bietet manche malerische Reize. Ueber
den dunkeln, hohen, aus den Meeresfluten aufsteigenden Mauern ragen
die Kuppeln einiger Moscheen und viele hohe Minarete empor, da-
zwischen Gruppen der hier charakteristischen dachlosen schneeweissen
Häuser. Im Osten erhebt sich innerhalb der Citadelle das Amts- und
Wohngebäude des Vali. Die Stadt zählt 30.000 Einwohner, zumeist
Berber, Araber und Türken, neben ihnen 6900 Juden, 4500 Christen
und überdies eine sehr starke türkische Garnison, da sich die
Pforte von etwaigen Gelüsten europäischer Mächte auf Tripolis nicht
überraschen lassen will.

Die Stadt liegt in einer gut cultivirten Oase, welche sehr reich
ist an Oliven, Orangen und Dattelpalmen, die theils in malerischen
Gruppen, theils in ausgedehnten Waldungen eine prächtige Staffage
im Bilde der Festung darbieten.


Tunis.
Landverbindungen von Tunis-Goletta geschehen; Localbahnen wurden von Tunis
aus gebaut und der Anschluss an das Netz Algiers hergestellt.

Weil nun ausserdem an der Landesgrenze Tunis-Algier kein Zoll besteht,
ist Bona Verschiffungshafen für Güter aus dem westlichen Tunis.

Die telegraphische Verbindung mit Algier und dadurch mit Europa wird
durch eine Landlinie und zwei Kabel (Biserta-la Calle) hergestellt.

Consuln haben in Tunis: Belgien, Dänemark, Deutsches Reich (in Goletta
ausserdem ein V.-C.), Frankreich, Griechenland (G.-C.), Grossbritannien, Italien
(G.-C.), Monaco (G.-C.), Oesterreich-Ungarn (G.-C.), Portugal, Russland, Schweden-
Norwegen, Spanien (G.-C.).

Wir haben hier noch Tripolis, die Hauptstadt der gleichnamigen
türkischen Provinz, zu erwähnen, von Belang als Ausfuhrhafen an der
afrikanischen Küste zwischen den beiden Syrten und als Ausgangs-
punkt einer wichtigen Karawanenstrasse durch die Sahara an den
Tsadsee im Sudan. Tripolis, das alte Tarabulus (32° 54′ nördl.
Breite und 13° 11′ östl. Länge v. Gr.), thront von alterthümlichen Mauern
und detachirten Forts umgeben an einem felsigen Küstenvorsprung,
von dem aus eine meilenlange Kette von Riffen und Bänken in der
Richtung nach ONO. in das Meer sich zieht und einen zwar schwer
anzulaufenden, allein sicheren Hafen bildet, in den Schiffe bis zu 6.2 m
Tauchung einlaufen können. Diese Küstenbeschaffenheit begünstigte
in früheren Zeiten ungemein das Piratenwesen, und Tripolis genoss
den traurigen Ruf als einer der gefürchtetsten Raubstaaten des Mittel-
meeres.

Im Alterthume gelangte die Stadt bald unter die Herrschaft Carthagos,
wurde dann römisch, hierauf arabisch, stand von 1509 bis 1551 unter spanischer
Herrschaft, bis die Türken von Stadt und Land Besitz ergriffen. In der Periode
1714 bis 1835 war das Paschalik von Tripolis eine erbliche Würde gewesen;
seitdem regiert dort ein Vali der hohen Pforte.

Der Anblick der Stadt bietet manche malerische Reize. Ueber
den dunkeln, hohen, aus den Meeresfluten aufsteigenden Mauern ragen
die Kuppeln einiger Moscheen und viele hohe Minarete empor, da-
zwischen Gruppen der hier charakteristischen dachlosen schneeweissen
Häuser. Im Osten erhebt sich innerhalb der Citadelle das Amts- und
Wohngebäude des Vali. Die Stadt zählt 30.000 Einwohner, zumeist
Berber, Araber und Türken, neben ihnen 6900 Juden, 4500 Christen
und überdies eine sehr starke türkische Garnison, da sich die
Pforte von etwaigen Gelüsten europäischer Mächte auf Tripolis nicht
überraschen lassen will.

Die Stadt liegt in einer gut cultivirten Oase, welche sehr reich
ist an Oliven, Orangen und Dattelpalmen, die theils in malerischen
Gruppen, theils in ausgedehnten Waldungen eine prächtige Staffage
im Bilde der Festung darbieten.


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[309/0329] Tunis. Landverbindungen von Tunis-Goletta geschehen; Localbahnen wurden von Tunis aus gebaut und der Anschluss an das Netz Algiers hergestellt. Weil nun ausserdem an der Landesgrenze Tunis-Algier kein Zoll besteht, ist Bona Verschiffungshafen für Güter aus dem westlichen Tunis. Die telegraphische Verbindung mit Algier und dadurch mit Europa wird durch eine Landlinie und zwei Kabel (Biserta-la Calle) hergestellt. Consuln haben in Tunis: Belgien, Dänemark, Deutsches Reich (in Goletta ausserdem ein V.-C.), Frankreich, Griechenland (G.-C.), Grossbritannien, Italien (G.-C.), Monaco (G.-C.), Oesterreich-Ungarn (G.-C.), Portugal, Russland, Schweden- Norwegen, Spanien (G.-C.). Wir haben hier noch Tripolis, die Hauptstadt der gleichnamigen türkischen Provinz, zu erwähnen, von Belang als Ausfuhrhafen an der afrikanischen Küste zwischen den beiden Syrten und als Ausgangs- punkt einer wichtigen Karawanenstrasse durch die Sahara an den Tsadsee im Sudan. Tripolis, das alte Tarabulus (32° 54′ nördl. Breite und 13° 11′ östl. Länge v. Gr.), thront von alterthümlichen Mauern und detachirten Forts umgeben an einem felsigen Küstenvorsprung, von dem aus eine meilenlange Kette von Riffen und Bänken in der Richtung nach ONO. in das Meer sich zieht und einen zwar schwer anzulaufenden, allein sicheren Hafen bildet, in den Schiffe bis zu 6.2 m Tauchung einlaufen können. Diese Küstenbeschaffenheit begünstigte in früheren Zeiten ungemein das Piratenwesen, und Tripolis genoss den traurigen Ruf als einer der gefürchtetsten Raubstaaten des Mittel- meeres. Im Alterthume gelangte die Stadt bald unter die Herrschaft Carthagos, wurde dann römisch, hierauf arabisch, stand von 1509 bis 1551 unter spanischer Herrschaft, bis die Türken von Stadt und Land Besitz ergriffen. In der Periode 1714 bis 1835 war das Paschalik von Tripolis eine erbliche Würde gewesen; seitdem regiert dort ein Vali der hohen Pforte. Der Anblick der Stadt bietet manche malerische Reize. Ueber den dunkeln, hohen, aus den Meeresfluten aufsteigenden Mauern ragen die Kuppeln einiger Moscheen und viele hohe Minarete empor, da- zwischen Gruppen der hier charakteristischen dachlosen schneeweissen Häuser. Im Osten erhebt sich innerhalb der Citadelle das Amts- und Wohngebäude des Vali. Die Stadt zählt 30.000 Einwohner, zumeist Berber, Araber und Türken, neben ihnen 6900 Juden, 4500 Christen und überdies eine sehr starke türkische Garnison, da sich die Pforte von etwaigen Gelüsten europäischer Mächte auf Tripolis nicht überraschen lassen will. Die Stadt liegt in einer gut cultivirten Oase, welche sehr reich ist an Oliven, Orangen und Dattelpalmen, die theils in malerischen Gruppen, theils in ausgedehnten Waldungen eine prächtige Staffage im Bilde der Festung darbieten.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/329>, abgerufen am 24.11.2024.