Handel auf die Ausfuhr der eigenen Producte der Insel, meist mit Segelschiffen, die für sich allein eine besondere Speculation italienischer Rheder bildeten. Es war eine Zeit des Wohlergehens. Der Bauer verdiente viel, und mit ihm lebten auch die anderen Stände in einer gewissen, gesicherten Wohlhabenheit. Die Verwüstungen, welche die Reblaus in Frankreich angerichtet hatte, der starke Consum der Orangen in den Vereinigten Staaten sicherten dem Weine und den Orangen Siciliens leistungsfähige Abnehmer. Da brach eine Krisis herein; sie nahm ihren Anfang mit der Entwerthung des Schwefels, der in Girgenti an der Südküste Siciliens gewonnen wird, fand ihre Fortsetzung bei den Agrumen und wurde zuletzt durch den Preis- sturz des Weines ungemein verschärft. Der namhafte Gewinn, welcher bei Wein und Orangen erzielt wurde, führte zu übermässiger Aus- dehnung dieser Culturen.
Ein Ende dieser traurigen Verhältnisse ist nicht abzusehen, denn die Ursachen derselben werden zum grossen Theile andauern. In den Vereinigten Staaten wird die Darstellung der Schwefelsäure aus Schwefelkiesen sich immer weiter ausdehnen und den Rohschwefel Siciliens entbehrlich machen, die Verheerungen, welche in Frankreich die Reblaus angerichtet hat, werden mit Glück bekämpft, die Wein- production nimmt dort wieder rasch zu; und auch das Aufhören des Zoll- krieges zwischen Italien und Frankreich, der seit März 1888 dauert, wird daher nicht mehr die alten Preise bringen; das Absatzgebiet der Vereinigten Staaten für Orangen, die man dort in Californien, Louisiana und Florida in immer grösserer Ausdehnung baut, wird jährlich kleiner, wie die trostlosen Preise beweisen, welche sicilianische Orangen 1889 jenseits des atlantischen Oceans erzielten. Man rechnete früher 1000 Stück mit 50 Lire, jetzt sind 12 Lire ein guter Preis. Neue Gegenden für den Verbrauch der genannten drei Artikel sind sehr schwer zu schaffen. Wohl entwickelt sich Triest als wichtiger Platz für Agrumen von geringerer Haltbarkeit in Europa, und in Canada steigt der Consum der Orangen und Limonen, aber viel zu langsam für die grosse Production Siciliens. Durch sogenannte "Natio- nallager", die in der Fremde errichtet werden, hat sich die Weinaus- fuhr in die Schweiz und nach Deutschland entwickelt. Die neu errichtete Dampferlinie Adriatica-Platense, welche von Venedig über Apulien und den grossen Weinhafen Riposto bei Catania nach dem Rio de la Plata geht, führt apulischen und sicilianischen Wein direct dahin, aber diese Länder können nicht das frühere so aufnahms- lustige Frankreich ersetzen.
Das Mittelmeerbecken.
Handel auf die Ausfuhr der eigenen Producte der Insel, meist mit Segelschiffen, die für sich allein eine besondere Speculation italienischer Rheder bildeten. Es war eine Zeit des Wohlergehens. Der Bauer verdiente viel, und mit ihm lebten auch die anderen Stände in einer gewissen, gesicherten Wohlhabenheit. Die Verwüstungen, welche die Reblaus in Frankreich angerichtet hatte, der starke Consum der Orangen in den Vereinigten Staaten sicherten dem Weine und den Orangen Siciliens leistungsfähige Abnehmer. Da brach eine Krisis herein; sie nahm ihren Anfang mit der Entwerthung des Schwefels, der in Girgenti an der Südküste Siciliens gewonnen wird, fand ihre Fortsetzung bei den Agrumen und wurde zuletzt durch den Preis- sturz des Weines ungemein verschärft. Der namhafte Gewinn, welcher bei Wein und Orangen erzielt wurde, führte zu übermässiger Aus- dehnung dieser Culturen.
Ein Ende dieser traurigen Verhältnisse ist nicht abzusehen, denn die Ursachen derselben werden zum grossen Theile andauern. In den Vereinigten Staaten wird die Darstellung der Schwefelsäure aus Schwefelkiesen sich immer weiter ausdehnen und den Rohschwefel Siciliens entbehrlich machen, die Verheerungen, welche in Frankreich die Reblaus angerichtet hat, werden mit Glück bekämpft, die Wein- production nimmt dort wieder rasch zu; und auch das Aufhören des Zoll- krieges zwischen Italien und Frankreich, der seit März 1888 dauert, wird daher nicht mehr die alten Preise bringen; das Absatzgebiet der Vereinigten Staaten für Orangen, die man dort in Californien, Louisiana und Florida in immer grösserer Ausdehnung baut, wird jährlich kleiner, wie die trostlosen Preise beweisen, welche sicilianische Orangen 1889 jenseits des atlantischen Oceans erzielten. Man rechnete früher 1000 Stück mit 50 Lire, jetzt sind 12 Lire ein guter Preis. Neue Gegenden für den Verbrauch der genannten drei Artikel sind sehr schwer zu schaffen. Wohl entwickelt sich Triest als wichtiger Platz für Agrumen von geringerer Haltbarkeit in Europa, und in Canada steigt der Consum der Orangen und Limonen, aber viel zu langsam für die grosse Production Siciliens. Durch sogenannte „Natio- nallager“, die in der Fremde errichtet werden, hat sich die Weinaus- fuhr in die Schweiz und nach Deutschland entwickelt. Die neu errichtete Dampferlinie Adriatica-Platense, welche von Venedig über Apulien und den grossen Weinhafen Riposto bei Catania nach dem Rio de la Plata geht, führt apulischen und sicilianischen Wein direct dahin, aber diese Länder können nicht das frühere so aufnahms- lustige Frankreich ersetzen.
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Das Mittelmeerbecken.
Handel auf die Ausfuhr der eigenen Producte der Insel, meist mit
Segelschiffen, die für sich allein eine besondere Speculation italienischer
Rheder bildeten. Es war eine Zeit des Wohlergehens. Der Bauer
verdiente viel, und mit ihm lebten auch die anderen Stände in einer
gewissen, gesicherten Wohlhabenheit. Die Verwüstungen, welche die
Reblaus in Frankreich angerichtet hatte, der starke Consum der
Orangen in den Vereinigten Staaten sicherten dem Weine und den
Orangen Siciliens leistungsfähige Abnehmer. Da brach eine Krisis
herein; sie nahm ihren Anfang mit der Entwerthung des Schwefels,
der in Girgenti an der Südküste Siciliens gewonnen wird, fand ihre
Fortsetzung bei den Agrumen und wurde zuletzt durch den Preis-
sturz des Weines ungemein verschärft. Der namhafte Gewinn, welcher
bei Wein und Orangen erzielt wurde, führte zu übermässiger Aus-
dehnung dieser Culturen.
Ein Ende dieser traurigen Verhältnisse ist nicht abzusehen, denn
die Ursachen derselben werden zum grossen Theile andauern. In den
Vereinigten Staaten wird die Darstellung der Schwefelsäure aus
Schwefelkiesen sich immer weiter ausdehnen und den Rohschwefel
Siciliens entbehrlich machen, die Verheerungen, welche in Frankreich
die Reblaus angerichtet hat, werden mit Glück bekämpft, die Wein-
production nimmt dort wieder rasch zu; und auch das Aufhören des Zoll-
krieges zwischen Italien und Frankreich, der seit März 1888 dauert,
wird daher nicht mehr die alten Preise bringen; das Absatzgebiet
der Vereinigten Staaten für Orangen, die man dort in Californien,
Louisiana und Florida in immer grösserer Ausdehnung baut, wird
jährlich kleiner, wie die trostlosen Preise beweisen, welche sicilianische
Orangen 1889 jenseits des atlantischen Oceans erzielten. Man rechnete
früher 1000 Stück mit 50 Lire, jetzt sind 12 Lire ein guter Preis.
Neue Gegenden für den Verbrauch der genannten drei Artikel sind
sehr schwer zu schaffen. Wohl entwickelt sich Triest als wichtiger
Platz für Agrumen von geringerer Haltbarkeit in Europa, und in
Canada steigt der Consum der Orangen und Limonen, aber viel zu
langsam für die grosse Production Siciliens. Durch sogenannte „Natio-
nallager“, die in der Fremde errichtet werden, hat sich die Weinaus-
fuhr in die Schweiz und nach Deutschland entwickelt. Die neu
errichtete Dampferlinie Adriatica-Platense, welche von Venedig über
Apulien und den grossen Weinhafen Riposto bei Catania nach dem
Rio de la Plata geht, führt apulischen und sicilianischen Wein direct
dahin, aber diese Länder können nicht das frühere so aufnahms-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/348>, abgerufen am 24.11.2024.
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