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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
worden, war auch die Zeit gekommen, in welcher das Christenthum Spaniens
zum Kampfe um das verlorene Gebiet vorstürmte.

Ein wahres Heldenzeitalter brach auf der Halbinsel an. Die Geschichte dieser
Zeit berichtet von einer Fülle der kühnsten Kriegsthaten und verherrlicht die Helden-
gestalt des Cid als Vorbild gottbegeisterter Ritterlichkeit. In zahllosen Liedern
und Poemen besungen, erscheint Cid (Don Roderigo de Vivar) als der leuchtende
Mittelpunkt des damaligen Vernichtungskampfes gegen die heidnischen Mauren.

Unterdessen organisirten sich die vordringenden Christen zu staatlichen
Ordnungen. Im Norden entstand das Königreich Castilien, im Osten das König-
reich Aragonien und im Westen Portugal.

Seit 1238 auf Alicante und Granada beschränkt, hielten sich die Mauren
dennoch bis 1492, in welchem Jahre Ferdinand und Isabella, welche die Kronen
Castiliens und Aragoniens vereinigt hatten, der Maurenherrschaft den Todesstoss
versetzten. Im selben Jahre als Columbus der spanischen Krone die neue Welt
entdeckte, fiel Granada, der letzte Hort des letzten Maurenkönigs Bobadilla.

Von dieser Zeit an beginnt die ungeheure Machtentfaltung Spaniens eines-
theils durch kluge Heiratspolitik, wodurch der Habsburger Philipp die spanische
Königs- und die deutsche Kaiserkrone auf seinem Haupte vereinigte, andererseits
aber durch den weltbewegenden Erfolg der grossen Idee Colon's, welcher Spanien
in der Folge ein weites Machtgebiet in der neuen Welt einbrachte und durch
deren Ueberfluss an Edelmetallen den Nationalreichthum des Mutterlandes wesent-
lich steigerte.

Spanien wurde zur tonangebenden Macht auf der Erde und spanische Sitte
und Tracht galten ebenso unbestritten wie spanisches Geld und spanische Kriegs-
kunst. Bekannt ist der stolze Spruch Karl I. von Spanien (Kaiser Karl V.): "In
meinem Reiche geht die Sonne nicht unter."

Ebenso schnell wie Spaniens Machtfülle angewachsen war, vollzog sich die
Abbröcklung der zahlreichen Besitzungen, und in wirthschaftlicher Beziehung war
der Staat nur das "Sieb", welches die amerikanischen Silberströme nach dem
übrigen Europa leitete. Nach dem spanischen Erbfolgekriege (1701--1714), welcher
die Herrschaft der Bourbonen in Spanien befestigte, war das Reich in Europa
bereits auf den heutigen Umfang eingeschränkt.

Die französische Revolution, noch mehr aber die napoleonische Kaiserzeit
griffen tief in die Schicksale des Landes. Napoleon zwang den König Karl IV.
und dessen Thronerben Ferdinand (1807) zur Thronentsagung und erhob seinen
älteren Bruder Josef Bonaparte zum König von Spanien. Das war das Signal zu
einem mit unerhörter Erbitterung geführten Kampfe des ganzen Volkes gegen die
aufgedrungene Fremdherrschaft. Alle Macht des Imperators reichte nicht aus,
Spanien zu behaupten. In den durch ein englisches Corps unter Wellington unter-
stützten Kämpfen blieben die Vortheile auf Seiten Spaniens, und mit Wellingtons
entscheidendem Siege bei Vittoria (21. Juni 1813) war das napoleonische König-
reich gefallen.

Nun kehrten die legitimen Bourbonen zurück, aber das Land wurde durch
häufige Revolutionen, die sogar zu einer vorübergegangenen republikanischen
Staatsform geführt hatten, und durch die Aufstände der Carlisten tief erschüttert.
Erst seit der Regierung Alphons XII. begannen ruhigere Verhältnisse einzu-
ziehen, welche die gegenwärtige Königin-Regentin Maria Christine im Namen

Das Mittelmeerbecken.
worden, war auch die Zeit gekommen, in welcher das Christenthum Spaniens
zum Kampfe um das verlorene Gebiet vorstürmte.

Ein wahres Heldenzeitalter brach auf der Halbinsel an. Die Geschichte dieser
Zeit berichtet von einer Fülle der kühnsten Kriegsthaten und verherrlicht die Helden-
gestalt des Cid als Vorbild gottbegeisterter Ritterlichkeit. In zahllosen Liedern
und Poemen besungen, erscheint Cid (Don Roderigo de Vivar) als der leuchtende
Mittelpunkt des damaligen Vernichtungskampfes gegen die heidnischen Mauren.

Unterdessen organisirten sich die vordringenden Christen zu staatlichen
Ordnungen. Im Norden entstand das Königreich Castilien, im Osten das König-
reich Aragonien und im Westen Portugal.

Seit 1238 auf Alicante und Granada beschränkt, hielten sich die Mauren
dennoch bis 1492, in welchem Jahre Ferdinand und Isabella, welche die Kronen
Castiliens und Aragoniens vereinigt hatten, der Maurenherrschaft den Todesstoss
versetzten. Im selben Jahre als Columbus der spanischen Krone die neue Welt
entdeckte, fiel Granada, der letzte Hort des letzten Maurenkönigs Bobadilla.

Von dieser Zeit an beginnt die ungeheure Machtentfaltung Spaniens eines-
theils durch kluge Heiratspolitik, wodurch der Habsburger Philipp die spanische
Königs- und die deutsche Kaiserkrone auf seinem Haupte vereinigte, andererseits
aber durch den weltbewegenden Erfolg der grossen Idee Colon’s, welcher Spanien
in der Folge ein weites Machtgebiet in der neuen Welt einbrachte und durch
deren Ueberfluss an Edelmetallen den Nationalreichthum des Mutterlandes wesent-
lich steigerte.

Spanien wurde zur tonangebenden Macht auf der Erde und spanische Sitte
und Tracht galten ebenso unbestritten wie spanisches Geld und spanische Kriegs-
kunst. Bekannt ist der stolze Spruch Karl I. von Spanien (Kaiser Karl V.): „In
meinem Reiche geht die Sonne nicht unter.“

Ebenso schnell wie Spaniens Machtfülle angewachsen war, vollzog sich die
Abbröcklung der zahlreichen Besitzungen, und in wirthschaftlicher Beziehung war
der Staat nur das „Sieb“, welches die amerikanischen Silberströme nach dem
übrigen Europa leitete. Nach dem spanischen Erbfolgekriege (1701—1714), welcher
die Herrschaft der Bourbonen in Spanien befestigte, war das Reich in Europa
bereits auf den heutigen Umfang eingeschränkt.

Die französische Revolution, noch mehr aber die napoleonische Kaiserzeit
griffen tief in die Schicksale des Landes. Napoleon zwang den König Karl IV.
und dessen Thronerben Ferdinand (1807) zur Thronentsagung und erhob seinen
älteren Bruder Josef Bonaparte zum König von Spanien. Das war das Signal zu
einem mit unerhörter Erbitterung geführten Kampfe des ganzen Volkes gegen die
aufgedrungene Fremdherrschaft. Alle Macht des Imperators reichte nicht aus,
Spanien zu behaupten. In den durch ein englisches Corps unter Wellington unter-
stützten Kämpfen blieben die Vortheile auf Seiten Spaniens, und mit Wellingtons
entscheidendem Siege bei Vittoria (21. Juni 1813) war das napoleonische König-
reich gefallen.

Nun kehrten die legitimen Bourbonen zurück, aber das Land wurde durch
häufige Revolutionen, die sogar zu einer vorübergegangenen republikanischen
Staatsform geführt hatten, und durch die Aufstände der Carlisten tief erschüttert.
Erst seit der Regierung Alphons XII. begannen ruhigere Verhältnisse einzu-
ziehen, welche die gegenwärtige Königin-Regentin Maria Christine im Namen

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[442/0462] Das Mittelmeerbecken. worden, war auch die Zeit gekommen, in welcher das Christenthum Spaniens zum Kampfe um das verlorene Gebiet vorstürmte. Ein wahres Heldenzeitalter brach auf der Halbinsel an. Die Geschichte dieser Zeit berichtet von einer Fülle der kühnsten Kriegsthaten und verherrlicht die Helden- gestalt des Cid als Vorbild gottbegeisterter Ritterlichkeit. In zahllosen Liedern und Poemen besungen, erscheint Cid (Don Roderigo de Vivar) als der leuchtende Mittelpunkt des damaligen Vernichtungskampfes gegen die heidnischen Mauren. Unterdessen organisirten sich die vordringenden Christen zu staatlichen Ordnungen. Im Norden entstand das Königreich Castilien, im Osten das König- reich Aragonien und im Westen Portugal. Seit 1238 auf Alicante und Granada beschränkt, hielten sich die Mauren dennoch bis 1492, in welchem Jahre Ferdinand und Isabella, welche die Kronen Castiliens und Aragoniens vereinigt hatten, der Maurenherrschaft den Todesstoss versetzten. Im selben Jahre als Columbus der spanischen Krone die neue Welt entdeckte, fiel Granada, der letzte Hort des letzten Maurenkönigs Bobadilla. Von dieser Zeit an beginnt die ungeheure Machtentfaltung Spaniens eines- theils durch kluge Heiratspolitik, wodurch der Habsburger Philipp die spanische Königs- und die deutsche Kaiserkrone auf seinem Haupte vereinigte, andererseits aber durch den weltbewegenden Erfolg der grossen Idee Colon’s, welcher Spanien in der Folge ein weites Machtgebiet in der neuen Welt einbrachte und durch deren Ueberfluss an Edelmetallen den Nationalreichthum des Mutterlandes wesent- lich steigerte. Spanien wurde zur tonangebenden Macht auf der Erde und spanische Sitte und Tracht galten ebenso unbestritten wie spanisches Geld und spanische Kriegs- kunst. Bekannt ist der stolze Spruch Karl I. von Spanien (Kaiser Karl V.): „In meinem Reiche geht die Sonne nicht unter.“ Ebenso schnell wie Spaniens Machtfülle angewachsen war, vollzog sich die Abbröcklung der zahlreichen Besitzungen, und in wirthschaftlicher Beziehung war der Staat nur das „Sieb“, welches die amerikanischen Silberströme nach dem übrigen Europa leitete. Nach dem spanischen Erbfolgekriege (1701—1714), welcher die Herrschaft der Bourbonen in Spanien befestigte, war das Reich in Europa bereits auf den heutigen Umfang eingeschränkt. Die französische Revolution, noch mehr aber die napoleonische Kaiserzeit griffen tief in die Schicksale des Landes. Napoleon zwang den König Karl IV. und dessen Thronerben Ferdinand (1807) zur Thronentsagung und erhob seinen älteren Bruder Josef Bonaparte zum König von Spanien. Das war das Signal zu einem mit unerhörter Erbitterung geführten Kampfe des ganzen Volkes gegen die aufgedrungene Fremdherrschaft. Alle Macht des Imperators reichte nicht aus, Spanien zu behaupten. In den durch ein englisches Corps unter Wellington unter- stützten Kämpfen blieben die Vortheile auf Seiten Spaniens, und mit Wellingtons entscheidendem Siege bei Vittoria (21. Juni 1813) war das napoleonische König- reich gefallen. Nun kehrten die legitimen Bourbonen zurück, aber das Land wurde durch häufige Revolutionen, die sogar zu einer vorübergegangenen republikanischen Staatsform geführt hatten, und durch die Aufstände der Carlisten tief erschüttert. Erst seit der Regierung Alphons XII. begannen ruhigere Verhältnisse einzu- ziehen, welche die gegenwärtige Königin-Regentin Maria Christine im Namen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/462>, abgerufen am 22.11.2024.