kammer. Die Bevölkerung, welche am 31. December 1887 die Zahl 134.016 erreichte, hat sich seitdem durch Auswanderung bedeutend vermindert, denn der wirtschaftliche Niedergang der Stadt und Provinz Malaga, die Tyrannei der in den kleinen Gemeinden gewählten Vorsteher, welche officiell Alcalden, von dem Volke aber Caziken, wie die Häuptlinge des alten Mexico genannt werden, treibt die städtischen und ländlichen Arbeiter aus dem fruchtbaren Spanien nach Argentinien, Südbrasilien und Venezuela, deren Regierungen freie Ueberfahrt anbieten. Durch grossartige öffentliche Arbeiten sucht man zunächst in der Stadt Malaga Gelegenheit zum Verdienen zu geben. Eine breite Strasse, die "Avenida de Larios" tritt in die Nähe des Hafens an die Stelle alter, enger und winkeliger Strassen; im Osten der Stadt wird der "Camino Nuevo" angelegt; Sennor Garcia, wie die Fabriksbesitzer D. Heredia, D. M. und D. C. Larios ein grosser Wohlthäter der Stadt, hat eine grosse Geld- summe gespendet, um den Arbeitern Beschäftigung zu geben. Aber die grösste Hoffnung für die Wiedergeburt der Stadt setzt man auf den Plan der Ablenkung des Guadalmedina, der die beiden volk- reichen Vorstädte Perchel und La Trinidad von der eigentlichen Stadt trennt. Meist sehr wasserarm, verwandelt sich der Fluss in der Regen- zeit in einen furchtbaren Torrento, der mit seinen Ablagerungen den Hafen blockirt, und zur Zeit seines trägen Laufes verschlechtert er die Luft gerade des gesündesten Theiles einer Stadt, welche durch ihr Klima berühmt ist. Die Regierung hat bereits dem Plane zugestimmt, den Guadalmedina, der heute im Osten der genannten Vorstädte fliesst, an deren Westseite zu verlegen und ihn 3 km von dem Hafen ins Meer münden zu lassen. Auf dem so gewonnenen Lande soll sich eine neue Villenstadt erheben, ähnlich der schon bestehenden von der Ostseite Malagas an der Strasse nach Velez-Malaga.
Schon sehen sanguinische Verehrer ihre Vaterstadt Malaga als Rivalin von Nizza und Monte Carlo, deren Klima gewiss für Kranke weniger günstig ist.
Und in der That beruht die Zukunft Malagas auf der Möglich- keit, aus ihm einen klimatischen Curort von europäischer Berühmtheit zu machen. Dies würde nicht allein unmittelbar Geld nach Malaga bringen und die Einfuhr von Luxusartikeln heben, sondern auch fremdes Capital und fremde Arbeitskraft in ein von der Natur so reich gesegnetes Land bringen, wo noch wenig Unternehmungsgeist herrscht; die Eingebornen nennen diese Eigenschaft so treffend "anemia".
Das Mittelmeerbecken.
kammer. Die Bevölkerung, welche am 31. December 1887 die Zahl 134.016 erreichte, hat sich seitdem durch Auswanderung bedeutend vermindert, denn der wirtschaftliche Niedergang der Stadt und Provinz Málaga, die Tyrannei der in den kleinen Gemeinden gewählten Vorsteher, welche officiell Alcalden, von dem Volke aber Caziken, wie die Häuptlinge des alten Mexico genannt werden, treibt die städtischen und ländlichen Arbeiter aus dem fruchtbaren Spanien nach Argentinien, Südbrasilien und Venezuela, deren Regierungen freie Ueberfahrt anbieten. Durch grossartige öffentliche Arbeiten sucht man zunächst in der Stadt Málaga Gelegenheit zum Verdienen zu geben. Eine breite Strasse, die „Avenida de Larios“ tritt in die Nähe des Hafens an die Stelle alter, enger und winkeliger Strassen; im Osten der Stadt wird der „Camino Nuevo“ angelegt; Señor Garcia, wie die Fabriksbesitzer D. Heredia, D. M. und D. C. Lários ein grosser Wohlthäter der Stadt, hat eine grosse Geld- summe gespendet, um den Arbeitern Beschäftigung zu geben. Aber die grösste Hoffnung für die Wiedergeburt der Stadt setzt man auf den Plan der Ablenkung des Guadalmedina, der die beiden volk- reichen Vorstädte Perchel und La Trinidad von der eigentlichen Stadt trennt. Meist sehr wasserarm, verwandelt sich der Fluss in der Regen- zeit in einen furchtbaren Torrento, der mit seinen Ablagerungen den Hafen blockirt, und zur Zeit seines trägen Laufes verschlechtert er die Luft gerade des gesündesten Theiles einer Stadt, welche durch ihr Klima berühmt ist. Die Regierung hat bereits dem Plane zugestimmt, den Guadalmedina, der heute im Osten der genannten Vorstädte fliesst, an deren Westseite zu verlegen und ihn 3 km von dem Hafen ins Meer münden zu lassen. Auf dem so gewonnenen Lande soll sich eine neue Villenstadt erheben, ähnlich der schon bestehenden von der Ostseite Málagas an der Strasse nach Velez-Málaga.
Schon sehen sanguinische Verehrer ihre Vaterstadt Málaga als Rivalin von Nizza und Monte Carlo, deren Klima gewiss für Kranke weniger günstig ist.
Und in der That beruht die Zukunft Málagas auf der Möglich- keit, aus ihm einen klimatischen Curort von europäischer Berühmtheit zu machen. Dies würde nicht allein unmittelbar Geld nach Málaga bringen und die Einfuhr von Luxusartikeln heben, sondern auch fremdes Capital und fremde Arbeitskraft in ein von der Natur so reich gesegnetes Land bringen, wo noch wenig Unternehmungsgeist herrscht; die Eingebornen nennen diese Eigenschaft so treffend „anemia“.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0498"n="478"/><fwplace="top"type="header">Das Mittelmeerbecken.</fw><lb/>
kammer. Die Bevölkerung, welche am 31. December 1887 die Zahl<lb/>
134.016 erreichte, hat sich seitdem durch Auswanderung bedeutend<lb/>
vermindert, denn der wirtschaftliche Niedergang der Stadt und<lb/>
Provinz Málaga, die Tyrannei der in den kleinen Gemeinden gewählten<lb/>
Vorsteher, welche officiell Alcalden, von dem Volke aber Caziken,<lb/>
wie die Häuptlinge des alten Mexico genannt werden, treibt die<lb/>
städtischen und ländlichen Arbeiter aus dem fruchtbaren Spanien<lb/>
nach Argentinien, Südbrasilien und Venezuela, deren Regierungen freie<lb/>
Ueberfahrt anbieten. Durch grossartige öffentliche Arbeiten sucht man<lb/>
zunächst in der Stadt Málaga Gelegenheit zum Verdienen zu geben.<lb/>
Eine breite Strasse, die „Avenida de Larios“ tritt in die Nähe<lb/>
des Hafens an die Stelle alter, enger und winkeliger Strassen; im<lb/>
Osten der Stadt wird der „Camino Nuevo“ angelegt; Señor<lb/>
Garcia, wie die Fabriksbesitzer D. Heredia, D. M. und D. C.<lb/>
Lários ein grosser Wohlthäter der Stadt, hat eine grosse Geld-<lb/>
summe gespendet, um den Arbeitern Beschäftigung zu geben. Aber<lb/>
die grösste Hoffnung für die Wiedergeburt der Stadt setzt man auf<lb/>
den Plan der Ablenkung des Guadalmedina, der die beiden volk-<lb/>
reichen Vorstädte Perchel und La Trinidad von der eigentlichen Stadt<lb/>
trennt. Meist sehr wasserarm, verwandelt sich der Fluss in der Regen-<lb/>
zeit in einen furchtbaren Torrento, der mit seinen Ablagerungen den<lb/>
Hafen blockirt, und zur Zeit seines trägen Laufes verschlechtert er die<lb/>
Luft gerade des gesündesten Theiles einer Stadt, welche durch ihr<lb/>
Klima berühmt ist. Die Regierung hat bereits dem Plane zugestimmt,<lb/>
den Guadalmedina, der heute im Osten der genannten Vorstädte fliesst,<lb/>
an deren Westseite zu verlegen und ihn 3 <hirendition="#i">km</hi> von dem Hafen ins Meer<lb/>
münden zu lassen. Auf dem so gewonnenen Lande soll sich eine neue<lb/>
Villenstadt erheben, ähnlich der schon bestehenden von der Ostseite<lb/>
Málagas an der Strasse nach Velez-Málaga.</p><lb/><p>Schon sehen sanguinische Verehrer ihre Vaterstadt Málaga als<lb/>
Rivalin von Nizza und Monte Carlo, deren Klima gewiss für Kranke<lb/>
weniger günstig ist.</p><lb/><p>Und in der That beruht die Zukunft Málagas auf der Möglich-<lb/>
keit, aus ihm einen klimatischen Curort von europäischer Berühmtheit<lb/>
zu machen. Dies würde nicht allein unmittelbar Geld nach Málaga<lb/>
bringen und die Einfuhr von Luxusartikeln heben, sondern auch<lb/>
fremdes Capital und fremde Arbeitskraft in ein von der Natur so<lb/>
reich gesegnetes Land bringen, wo noch wenig Unternehmungsgeist<lb/>
herrscht; die Eingebornen nennen diese Eigenschaft so treffend<lb/>„anemia“.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[478/0498]
Das Mittelmeerbecken.
kammer. Die Bevölkerung, welche am 31. December 1887 die Zahl
134.016 erreichte, hat sich seitdem durch Auswanderung bedeutend
vermindert, denn der wirtschaftliche Niedergang der Stadt und
Provinz Málaga, die Tyrannei der in den kleinen Gemeinden gewählten
Vorsteher, welche officiell Alcalden, von dem Volke aber Caziken,
wie die Häuptlinge des alten Mexico genannt werden, treibt die
städtischen und ländlichen Arbeiter aus dem fruchtbaren Spanien
nach Argentinien, Südbrasilien und Venezuela, deren Regierungen freie
Ueberfahrt anbieten. Durch grossartige öffentliche Arbeiten sucht man
zunächst in der Stadt Málaga Gelegenheit zum Verdienen zu geben.
Eine breite Strasse, die „Avenida de Larios“ tritt in die Nähe
des Hafens an die Stelle alter, enger und winkeliger Strassen; im
Osten der Stadt wird der „Camino Nuevo“ angelegt; Señor
Garcia, wie die Fabriksbesitzer D. Heredia, D. M. und D. C.
Lários ein grosser Wohlthäter der Stadt, hat eine grosse Geld-
summe gespendet, um den Arbeitern Beschäftigung zu geben. Aber
die grösste Hoffnung für die Wiedergeburt der Stadt setzt man auf
den Plan der Ablenkung des Guadalmedina, der die beiden volk-
reichen Vorstädte Perchel und La Trinidad von der eigentlichen Stadt
trennt. Meist sehr wasserarm, verwandelt sich der Fluss in der Regen-
zeit in einen furchtbaren Torrento, der mit seinen Ablagerungen den
Hafen blockirt, und zur Zeit seines trägen Laufes verschlechtert er die
Luft gerade des gesündesten Theiles einer Stadt, welche durch ihr
Klima berühmt ist. Die Regierung hat bereits dem Plane zugestimmt,
den Guadalmedina, der heute im Osten der genannten Vorstädte fliesst,
an deren Westseite zu verlegen und ihn 3 km von dem Hafen ins Meer
münden zu lassen. Auf dem so gewonnenen Lande soll sich eine neue
Villenstadt erheben, ähnlich der schon bestehenden von der Ostseite
Málagas an der Strasse nach Velez-Málaga.
Schon sehen sanguinische Verehrer ihre Vaterstadt Málaga als
Rivalin von Nizza und Monte Carlo, deren Klima gewiss für Kranke
weniger günstig ist.
Und in der That beruht die Zukunft Málagas auf der Möglich-
keit, aus ihm einen klimatischen Curort von europäischer Berühmtheit
zu machen. Dies würde nicht allein unmittelbar Geld nach Málaga
bringen und die Einfuhr von Luxusartikeln heben, sondern auch
fremdes Capital und fremde Arbeitskraft in ein von der Natur so
reich gesegnetes Land bringen, wo noch wenig Unternehmungsgeist
herrscht; die Eingebornen nennen diese Eigenschaft so treffend
„anemia“.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/498>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.