ginnen. Der praktische Sinn der Briten einerseits, die gänzlich ver- änderte Vertheidigungsart der Festung andererseits liessen die Be- deutung des Handelsplatzes gegenüber den Forderungen des Militärs zur Geltung kommen.
Die höchst reizvoll und malerisch gelegene Stadt ist terrassen- förmig angelegt, so dass ein grosser Theil derselben von der Rhede aus übersehen werden kann. Einschliesslich der Garnison von 6003 Mann zählt Gibraltar (1888) 24.467 Einwohner, unter welchen das spanische Element vorherrschend ist. Dessenungeachtet trägt Alles das Gepräge einer englischen Colonie.
Die reinlichen, wohlbemalten Häuser sind zumeist im englischen Style erbaut, die Strassen geräumig und sauber. Die dominirenden Artikel der Kaufläden, soferne sie nicht die Raritäten abendländischer Nachbarvölker zur Schau stellen, sind vorzugsweise englischer Pro- venienz, und die reichhaltigen Geschäftslocale verrathen sofort, dass man es hier mit Leuten zu thun hat, welche Alles an sich vorüber- ziehen gesehen, was die Welt an Bedürfnissen und Luxus erzeugt und von Land zu Land versendet.
Der Umstand, dass Gibraltar Freihafen ist (seit 1706), in welchem nur Spirituosen, Liqueure, Bier und Wein einem besonderen Zolle unterworfen sind, lässt die Station geradezu als ein Eldorado für den Kleinhandel mit Seefahrern erscheinen.
Das eintönige Leben gemahnt allerdings beständig an den Cha- rakter Gibraltars als Festung; überall begegnet man den schmucken englischen Soldaten, und ein wärmerer Pulsschlag in der Hauptader des Stadtverkehrs tritt nur dann ein, wenn beim Spiele der militäri- schen Retraite auch die geschäftsmüde Menschheit den Heimweg antritt.
Mit unsäglicher Mühe wurden dem sterilen Terrain, den Berg- länden Plätzchen abgerungen, auf welchen herrliche Oasen erblühen und zum Besuche einladen. Die lohnendste Partie ist jedoch ein Auf- stieg nach der Signalstation am Kamme des Berges in 392 m Höhe.
Von dort aus geniesst man eine prächtige Fernsicht über die weite Bai und das nette spanische Städtchen Algeciras, sieht den Grund des Meeres zu seinen Füssen und überblickt, die nächsten Gebiete zweier Welttheile -- die südlichen Gebirgszüge Andalusiens bis Malaga einerseits, und jenseits der hier 20 km breiten Wasserstrasse die spanische Colonie Ceuta, das marokkanische Tanger und einen Theil des Atlasgebirges.
Die Signalstation, eine der musterhaftesten, die es gibt, dient nicht nur militärischen Zwecken, sondern jedes hier vorüberfahrende
Das Mittelmeerbecken.
ginnen. Der praktische Sinn der Briten einerseits, die gänzlich ver- änderte Vertheidigungsart der Festung andererseits liessen die Be- deutung des Handelsplatzes gegenüber den Forderungen des Militärs zur Geltung kommen.
Die höchst reizvoll und malerisch gelegene Stadt ist terrassen- förmig angelegt, so dass ein grosser Theil derselben von der Rhede aus übersehen werden kann. Einschliesslich der Garnison von 6003 Mann zählt Gibraltar (1888) 24.467 Einwohner, unter welchen das spanische Element vorherrschend ist. Dessenungeachtet trägt Alles das Gepräge einer englischen Colonie.
Die reinlichen, wohlbemalten Häuser sind zumeist im englischen Style erbaut, die Strassen geräumig und sauber. Die dominirenden Artikel der Kaufläden, soferne sie nicht die Raritäten abendländischer Nachbarvölker zur Schau stellen, sind vorzugsweise englischer Pro- venienz, und die reichhaltigen Geschäftslocale verrathen sofort, dass man es hier mit Leuten zu thun hat, welche Alles an sich vorüber- ziehen gesehen, was die Welt an Bedürfnissen und Luxus erzeugt und von Land zu Land versendet.
Der Umstand, dass Gibraltar Freihafen ist (seit 1706), in welchem nur Spirituosen, Liqueure, Bier und Wein einem besonderen Zolle unterworfen sind, lässt die Station geradezu als ein Eldorado für den Kleinhandel mit Seefahrern erscheinen.
Das eintönige Leben gemahnt allerdings beständig an den Cha- rakter Gibraltars als Festung; überall begegnet man den schmucken englischen Soldaten, und ein wärmerer Pulsschlag in der Hauptader des Stadtverkehrs tritt nur dann ein, wenn beim Spiele der militäri- schen Retraite auch die geschäftsmüde Menschheit den Heimweg antritt.
Mit unsäglicher Mühe wurden dem sterilen Terrain, den Berg- länden Plätzchen abgerungen, auf welchen herrliche Oasen erblühen und zum Besuche einladen. Die lohnendste Partie ist jedoch ein Auf- stieg nach der Signalstation am Kamme des Berges in 392 m Höhe.
Von dort aus geniesst man eine prächtige Fernsicht über die weite Bai und das nette spanische Städtchen Algeciras, sieht den Grund des Meeres zu seinen Füssen und überblickt, die nächsten Gebiete zweier Welttheile — die südlichen Gebirgszüge Andalusiens bis Malaga einerseits, und jenseits der hier 20 km breiten Wasserstrasse die spanische Colonie Ceuta, das marokkanische Tanger und einen Theil des Atlasgebirges.
Die Signalstation, eine der musterhaftesten, die es gibt, dient nicht nur militärischen Zwecken, sondern jedes hier vorüberfahrende
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Das Mittelmeerbecken.
ginnen. Der praktische Sinn der Briten einerseits, die gänzlich ver-
änderte Vertheidigungsart der Festung andererseits liessen die Be-
deutung des Handelsplatzes gegenüber den Forderungen des Militärs
zur Geltung kommen.
Die höchst reizvoll und malerisch gelegene Stadt ist terrassen-
förmig angelegt, so dass ein grosser Theil derselben von der Rhede
aus übersehen werden kann. Einschliesslich der Garnison von 6003
Mann zählt Gibraltar (1888) 24.467 Einwohner, unter welchen das
spanische Element vorherrschend ist. Dessenungeachtet trägt Alles
das Gepräge einer englischen Colonie.
Die reinlichen, wohlbemalten Häuser sind zumeist im englischen
Style erbaut, die Strassen geräumig und sauber. Die dominirenden
Artikel der Kaufläden, soferne sie nicht die Raritäten abendländischer
Nachbarvölker zur Schau stellen, sind vorzugsweise englischer Pro-
venienz, und die reichhaltigen Geschäftslocale verrathen sofort, dass
man es hier mit Leuten zu thun hat, welche Alles an sich vorüber-
ziehen gesehen, was die Welt an Bedürfnissen und Luxus erzeugt
und von Land zu Land versendet.
Der Umstand, dass Gibraltar Freihafen ist (seit 1706), in welchem
nur Spirituosen, Liqueure, Bier und Wein einem besonderen Zolle
unterworfen sind, lässt die Station geradezu als ein Eldorado für den
Kleinhandel mit Seefahrern erscheinen.
Das eintönige Leben gemahnt allerdings beständig an den Cha-
rakter Gibraltars als Festung; überall begegnet man den schmucken
englischen Soldaten, und ein wärmerer Pulsschlag in der Hauptader
des Stadtverkehrs tritt nur dann ein, wenn beim Spiele der militäri-
schen Retraite auch die geschäftsmüde Menschheit den Heimweg antritt.
Mit unsäglicher Mühe wurden dem sterilen Terrain, den Berg-
länden Plätzchen abgerungen, auf welchen herrliche Oasen erblühen
und zum Besuche einladen. Die lohnendste Partie ist jedoch ein Auf-
stieg nach der Signalstation am Kamme des Berges in 392 m Höhe.
Von dort aus geniesst man eine prächtige Fernsicht über die
weite Bai und das nette spanische Städtchen Algeciras, sieht den
Grund des Meeres zu seinen Füssen und überblickt, die nächsten
Gebiete zweier Welttheile — die südlichen Gebirgszüge Andalusiens
bis Malaga einerseits, und jenseits der hier 20 km breiten Wasserstrasse
die spanische Colonie Ceuta, das marokkanische Tanger und einen
Theil des Atlasgebirges.
Die Signalstation, eine der musterhaftesten, die es gibt, dient
nicht nur militärischen Zwecken, sondern jedes hier vorüberfahrende
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/506>, abgerufen am 22.11.2024.
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