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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Lissabon.

Ihre geographische Lage unter 38° 42' nördl. Breite und 9° 5'
westl. Länge von Greenwich sichert der Stadt ein mildes Winterklima
(+ 8°C. Jännertemperatur); dagegen ist der Hochsommer heiss (40°C.).

Nach der allgemeinen Gepflogenheit der Geschichtsschreiber Iberiens, haben
einige Historiker von Lissabon die Entstehung der Stadt weit in das graueste
Alterthum zurückverlegt und lassen einen Urenkel Abraham's die ersten Funda-
mente zu derselben in dem mit wundersamer Gründlichkeit berechneten Jahre
3259 v. Chr. legen. Andere sind genügsamer und erklärten Ulysses als den Gründer
der Stadt, indem sie aus dem Namen Olisippo durch Corruption Lisboa ent-
stehen lassen.

Als ursprüngliche Bewohner werden die Lusitanier genannt, welche unter
Viriathus (150--140 v. Chr.) das mächtigste Volk der ganzen Halbinsel waren;
ihre alte Hauptstadt war Olisippo. Julius Cäsar erhob die Stadt zu einem Muni-
cipium und gab ihr den Namen "Felicitas Julia", aber Provinzialhauptstadt blieb
Emerita Augusta (Merida).

Die Zeit der Völkerwanderung bereitete der römischen Herrschaft mit dem
Erscheinen der Alanen (409), Vandalen und Anderer ein rasches Ende. Unter den
Gothen bildete Portugal einen Theil ihres Reiches, fiel jedoch 713 in die Gewalt
der Mauren, welche Lissabon befestigten. Wiederholt wurde die Stadt im XI. und
XII. Jahrhunderte von den Spaniern genommen und wieder verloren, bis Alfonso
Henriques, der erste König von Portugal, sie 1147 endgiltig errang. Aber erst
unter Dom Joao I. wurde Lissabon an Stelle von Coimbra die Hauptstadt des
Königreiches. 1394 ward sie zum Range eines Erzbisthums erhoben. Seitdem nahm
die Stadt an Reichthum und Glanz zu und zählte zu den prächtigsten Städten
Europas.

Von hier segelte 1497 Vasco da Gama zu seiner Ruhmesfahrt aus, die
die Portugiesen zur ersten seefahrenden Nation und Lissabon zum ersten Markte
von Europa erhob.

Während der spanischen Occupation sank Lissabon zum Range einer Pro-
vinzialstadt herab und erlangte erst 1640 als Residenz der neu eingesetzten Könige
von Portugal die frühere Würde, und Dom Joao V. schmückte die Stadt mit einer
Reihe herrlicher öffentlicher Gebäude. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts
hatte Lissabon die Höhe seines Glanzes erreicht, als das bereits Eingangs er-
wähnte schreckliche Erdbeben in der Zeit von wenigen Minuten der ganzen Herr-
lichkeit ein furchtbares Ende bereitete.

Die Gegend um Lissabon war früher schon wiederholten Erderschütterungen
ausgesetzt gewesen. Die Chronik berichtet von Erdstössen in den Jahren 1069,
1117, 1146, 1356, 1531, 1579, in welchem Jahre drei Strassenzüge zerstört wurden,
1699 und 1722.

Nun folgte das Erdbeben von 1755, welches die Stadt vollkommen zer-
störte und zahllose Menschenopfer forderte. Die Schätzungen dieses Verlustes
schwanken zwischen 80.000 und 100.000 Todten. Das Erdbeben erstreckte sich über
halb Europa, und wurden die Stösse im Norden auf den Orkney-Inseln, im Westen
auf Jamaica gefühlt.

Die trostlose Lage der in Trümmer gelegten Stadt wurde durch das Treiben
zahlloser Räuberbanden noch unseliger gestaltet, jedoch gelang es der Energie
Carvalho's durch eiserne Strenge bald Ordnung zu schaffen.


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Lissabon.

Ihre geographische Lage unter 38° 42′ nördl. Breite und 9° 5′
westl. Länge von Greenwich sichert der Stadt ein mildes Winterklima
(+ 8°C. Jännertemperatur); dagegen ist der Hochsommer heiss (40°C.).

Nach der allgemeinen Gepflogenheit der Geschichtsschreiber Iberiens, haben
einige Historiker von Lissabon die Entstehung der Stadt weit in das graueste
Alterthum zurückverlegt und lassen einen Urenkel Abraham’s die ersten Funda-
mente zu derselben in dem mit wundersamer Gründlichkeit berechneten Jahre
3259 v. Chr. legen. Andere sind genügsamer und erklärten Ulysses als den Gründer
der Stadt, indem sie aus dem Namen Olisippo durch Corruption Lisboa ent-
stehen lassen.

Als ursprüngliche Bewohner werden die Lusitanier genannt, welche unter
Viriathus (150—140 v. Chr.) das mächtigste Volk der ganzen Halbinsel waren;
ihre alte Hauptstadt war Olisippo. Julius Cäsar erhob die Stadt zu einem Muni-
cipium und gab ihr den Namen „Felicitas Julia“, aber Provinzialhauptstadt blieb
Emerita Augusta (Mérida).

Die Zeit der Völkerwanderung bereitete der römischen Herrschaft mit dem
Erscheinen der Alanen (409), Vandalen und Anderer ein rasches Ende. Unter den
Gothen bildete Portugal einen Theil ihres Reiches, fiel jedoch 713 in die Gewalt
der Mauren, welche Lissabon befestigten. Wiederholt wurde die Stadt im XI. und
XII. Jahrhunderte von den Spaniern genommen und wieder verloren, bis Alfonso
Henriques, der erste König von Portugal, sie 1147 endgiltig errang. Aber erst
unter Dom Joao I. wurde Lissabon an Stelle von Coimbra die Hauptstadt des
Königreiches. 1394 ward sie zum Range eines Erzbisthums erhoben. Seitdem nahm
die Stadt an Reichthum und Glanz zu und zählte zu den prächtigsten Städten
Europas.

Von hier segelte 1497 Vasco da Gama zu seiner Ruhmesfahrt aus, die
die Portugiesen zur ersten seefahrenden Nation und Lissabon zum ersten Markte
von Europa erhob.

Während der spanischen Occupation sank Lissabon zum Range einer Pro-
vinzialstadt herab und erlangte erst 1640 als Residenz der neu eingesetzten Könige
von Portugal die frühere Würde, und Dom Joao V. schmückte die Stadt mit einer
Reihe herrlicher öffentlicher Gebäude. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts
hatte Lissabon die Höhe seines Glanzes erreicht, als das bereits Eingangs er-
wähnte schreckliche Erdbeben in der Zeit von wenigen Minuten der ganzen Herr-
lichkeit ein furchtbares Ende bereitete.

Die Gegend um Lissabon war früher schon wiederholten Erderschütterungen
ausgesetzt gewesen. Die Chronik berichtet von Erdstössen in den Jahren 1069,
1117, 1146, 1356, 1531, 1579, in welchem Jahre drei Strassenzüge zerstört wurden,
1699 und 1722.

Nun folgte das Erdbeben von 1755, welches die Stadt vollkommen zer-
störte und zahllose Menschenopfer forderte. Die Schätzungen dieses Verlustes
schwanken zwischen 80.000 und 100.000 Todten. Das Erdbeben erstreckte sich über
halb Europa, und wurden die Stösse im Norden auf den Orkney-Inseln, im Westen
auf Jamaica gefühlt.

Die trostlose Lage der in Trümmer gelegten Stadt wurde durch das Treiben
zahlloser Räuberbanden noch unseliger gestaltet, jedoch gelang es der Energie
Carvalho’s durch eiserne Strenge bald Ordnung zu schaffen.


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[531/0551] Lissabon. Ihre geographische Lage unter 38° 42′ nördl. Breite und 9° 5′ westl. Länge von Greenwich sichert der Stadt ein mildes Winterklima (+ 8°C. Jännertemperatur); dagegen ist der Hochsommer heiss (40°C.). Nach der allgemeinen Gepflogenheit der Geschichtsschreiber Iberiens, haben einige Historiker von Lissabon die Entstehung der Stadt weit in das graueste Alterthum zurückverlegt und lassen einen Urenkel Abraham’s die ersten Funda- mente zu derselben in dem mit wundersamer Gründlichkeit berechneten Jahre 3259 v. Chr. legen. Andere sind genügsamer und erklärten Ulysses als den Gründer der Stadt, indem sie aus dem Namen Olisippo durch Corruption Lisboa ent- stehen lassen. Als ursprüngliche Bewohner werden die Lusitanier genannt, welche unter Viriathus (150—140 v. Chr.) das mächtigste Volk der ganzen Halbinsel waren; ihre alte Hauptstadt war Olisippo. Julius Cäsar erhob die Stadt zu einem Muni- cipium und gab ihr den Namen „Felicitas Julia“, aber Provinzialhauptstadt blieb Emerita Augusta (Mérida). Die Zeit der Völkerwanderung bereitete der römischen Herrschaft mit dem Erscheinen der Alanen (409), Vandalen und Anderer ein rasches Ende. Unter den Gothen bildete Portugal einen Theil ihres Reiches, fiel jedoch 713 in die Gewalt der Mauren, welche Lissabon befestigten. Wiederholt wurde die Stadt im XI. und XII. Jahrhunderte von den Spaniern genommen und wieder verloren, bis Alfonso Henriques, der erste König von Portugal, sie 1147 endgiltig errang. Aber erst unter Dom Joao I. wurde Lissabon an Stelle von Coimbra die Hauptstadt des Königreiches. 1394 ward sie zum Range eines Erzbisthums erhoben. Seitdem nahm die Stadt an Reichthum und Glanz zu und zählte zu den prächtigsten Städten Europas. Von hier segelte 1497 Vasco da Gama zu seiner Ruhmesfahrt aus, die die Portugiesen zur ersten seefahrenden Nation und Lissabon zum ersten Markte von Europa erhob. Während der spanischen Occupation sank Lissabon zum Range einer Pro- vinzialstadt herab und erlangte erst 1640 als Residenz der neu eingesetzten Könige von Portugal die frühere Würde, und Dom Joao V. schmückte die Stadt mit einer Reihe herrlicher öffentlicher Gebäude. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts hatte Lissabon die Höhe seines Glanzes erreicht, als das bereits Eingangs er- wähnte schreckliche Erdbeben in der Zeit von wenigen Minuten der ganzen Herr- lichkeit ein furchtbares Ende bereitete. Die Gegend um Lissabon war früher schon wiederholten Erderschütterungen ausgesetzt gewesen. Die Chronik berichtet von Erdstössen in den Jahren 1069, 1117, 1146, 1356, 1531, 1579, in welchem Jahre drei Strassenzüge zerstört wurden, 1699 und 1722. Nun folgte das Erdbeben von 1755, welches die Stadt vollkommen zer- störte und zahllose Menschenopfer forderte. Die Schätzungen dieses Verlustes schwanken zwischen 80.000 und 100.000 Todten. Das Erdbeben erstreckte sich über halb Europa, und wurden die Stösse im Norden auf den Orkney-Inseln, im Westen auf Jamaica gefühlt. Die trostlose Lage der in Trümmer gelegten Stadt wurde durch das Treiben zahlloser Räuberbanden noch unseliger gestaltet, jedoch gelang es der Energie Carvalho’s durch eiserne Strenge bald Ordnung zu schaffen. 67*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/551>, abgerufen am 22.11.2024.