dem Meere sich auf. Welch ein Gegensatz zu dem lachenden Sommer der zaubervollen Insellandschaft!
Den geistigen Hintergrund zum Gesammtbilde aber schuf Homer, indem er Corfu und den jonischen Sund poetisch belebte.
"Man nehme einmal", sagt Ferd. Gregorovius, der glanzvolle Historiograph und begeisterte Schilderer von Corfu, "das unsterbliche jonische Märchen, welches Odyssee heisst, von diesen Inseln und Küsten hinweg, und man wird sie zu einem Theil entgeistern und entzaubern. Man nehme aus Corfu Odysseus, Alkinoos und Nausikaa und man wird der Insel mehr Reiz entziehen, als zerstörte man ihre prachtvollen Olivenwälder".
Das nationale Bewusstsein der heutigen Griechen griff wieder zurück in das poesievolle Alterthum und brachte, unbekümmert darum ob Corfu wirklich der Schauplatz der Odyssee gewesen oder nicht, das ehrwürdige Kerkyra, den gegenwärtig officiellen Namen der Insel und Stadt, wieder zur Geltung.
In der alten Geschichte ist Corfu und den jonischen Inseln ein durchaus bevorzugter Platz angewiesen. Nach einer glänzenden Mythenzeit, die Herakles, Jason und Medea, den göttlichen Odysseus und die flüchtenden Trojaner auf den Inseln sieht, erscheint um 734 v. Chr. die Flotte der mächtigen Korinther und gründet die Colonie Korkyra, die, als sie zur Blüthe gelangt, sich und die jonischen Inseln von Korinth losreisst. Im peloponnesischen Kriege, den Korkyra mit- verschuldet, steht die Insel auf Seite Athens und erlangt dann nach harten Kämpfen und Drangsalen die Selbständigkeit. So endet die erste griechische Epoche der Insel. Schon um 229 v. Chr. tritt Kor- kyra in die Machtsphäre Roms, in der sie, von den Kaisern begün- stigt, ein halbes Jahrtausend festgebannt bleibt.
Korkyra und Illyrien sind die Schlüssel zum Oriente; ersteres wird durch seine seegeübten Flotten besonders werthvoll für Rom.
Bei Actium (31 v. Chr.), wo Octavianus im heissen Seekampfe gegen den Liebesbund des Antonius und der Kleopatra Sieger bleibt und die Alleinherrschaft in Rom erringt, betheiligen sich auch Schiffe der Korkyräer. Durch die Theilung des römischen Reiches (395 n. Chr.) wird die Insel byzantinisch und tritt in ihre zweite griechische Periode, die einen Zeitraum von acht Jahrhunderten umfasst, ein Abschnitt, in welchem die barbarische Flut der Völkerwanderung mit allen Schrecken die jonischen Inseln überschäumt.
Es kommen die Kreuzzüge und mit diesen der Kampf um die Levante. Corfu ist wieder ein Schlüsselpunkt für den Besitz
Das Mittelmeerbecken.
dem Meere sich auf. Welch ein Gegensatz zu dem lachenden Sommer der zaubervollen Insellandschaft!
Den geistigen Hintergrund zum Gesammtbilde aber schuf Homer, indem er Corfù und den jonischen Sund poetisch belebte.
„Man nehme einmal“, sagt Ferd. Gregorovius, der glanzvolle Historiograph und begeisterte Schilderer von Corfù, „das unsterbliche jonische Märchen, welches Odyssee heisst, von diesen Inseln und Küsten hinweg, und man wird sie zu einem Theil entgeistern und entzaubern. Man nehme aus Corfù Odysseus, Alkinoos und Nausikaa und man wird der Insel mehr Reiz entziehen, als zerstörte man ihre prachtvollen Olivenwälder“.
Das nationale Bewusstsein der heutigen Griechen griff wieder zurück in das poesievolle Alterthum und brachte, unbekümmert darum ob Corfù wirklich der Schauplatz der Odyssee gewesen oder nicht, das ehrwürdige Kerkyra, den gegenwärtig officiellen Namen der Insel und Stadt, wieder zur Geltung.
In der alten Geschichte ist Corfù und den jonischen Inseln ein durchaus bevorzugter Platz angewiesen. Nach einer glänzenden Mythenzeit, die Herakles, Jason und Medea, den göttlichen Odysseus und die flüchtenden Trojaner auf den Inseln sieht, erscheint um 734 v. Chr. die Flotte der mächtigen Korinther und gründet die Colonie Korkyra, die, als sie zur Blüthe gelangt, sich und die jonischen Inseln von Korinth losreisst. Im peloponnesischen Kriege, den Korkyra mit- verschuldet, steht die Insel auf Seite Athens und erlangt dann nach harten Kämpfen und Drangsalen die Selbständigkeit. So endet die erste griechische Epoche der Insel. Schon um 229 v. Chr. tritt Kor- kyra in die Machtsphäre Roms, in der sie, von den Kaisern begün- stigt, ein halbes Jahrtausend festgebannt bleibt.
Korkyra und Illyrien sind die Schlüssel zum Oriente; ersteres wird durch seine seegeübten Flotten besonders werthvoll für Rom.
Bei Actium (31 v. Chr.), wo Octavianus im heissen Seekampfe gegen den Liebesbund des Antonius und der Kleopatra Sieger bleibt und die Alleinherrschaft in Rom erringt, betheiligen sich auch Schiffe der Korkyräer. Durch die Theilung des römischen Reiches (395 n. Chr.) wird die Insel byzantinisch und tritt in ihre zweite griechische Periode, die einen Zeitraum von acht Jahrhunderten umfasst, ein Abschnitt, in welchem die barbarische Flut der Völkerwanderung mit allen Schrecken die jonischen Inseln überschäumt.
Es kommen die Kreuzzüge und mit diesen der Kampf um die Levante. Corfù ist wieder ein Schlüsselpunkt für den Besitz
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0080"n="60"/><fwplace="top"type="header">Das Mittelmeerbecken.</fw><lb/>
dem Meere sich auf. Welch ein Gegensatz zu dem lachenden Sommer<lb/>
der zaubervollen Insellandschaft!</p><lb/><p>Den geistigen Hintergrund zum Gesammtbilde aber schuf Homer,<lb/>
indem er Corfù und den jonischen Sund poetisch belebte.</p><lb/><p>„Man nehme einmal“, sagt Ferd. Gregorovius, der glanzvolle<lb/>
Historiograph und begeisterte Schilderer von Corfù, „das unsterbliche<lb/>
jonische Märchen, welches Odyssee heisst, von diesen Inseln und<lb/>
Küsten hinweg, und man wird sie zu einem Theil entgeistern und<lb/>
entzaubern. Man nehme aus Corfù Odysseus, Alkinoos und Nausikaa<lb/>
und man wird der Insel mehr Reiz entziehen, als zerstörte man ihre<lb/>
prachtvollen Olivenwälder“.</p><lb/><p>Das nationale Bewusstsein der heutigen Griechen griff wieder<lb/>
zurück in das poesievolle Alterthum und brachte, unbekümmert darum<lb/>
ob Corfù wirklich der Schauplatz der Odyssee gewesen oder nicht,<lb/>
das ehrwürdige Kerkyra, den gegenwärtig officiellen Namen der Insel<lb/>
und Stadt, wieder zur Geltung.</p><lb/><p>In der alten Geschichte ist Corfù und den jonischen Inseln ein<lb/>
durchaus bevorzugter Platz angewiesen. Nach einer glänzenden<lb/>
Mythenzeit, die Herakles, Jason und Medea, den göttlichen Odysseus<lb/>
und die flüchtenden Trojaner auf den Inseln sieht, erscheint um 734<lb/>
v. Chr. die Flotte der mächtigen Korinther und gründet die Colonie<lb/>
Korkyra, die, als sie zur Blüthe gelangt, sich und die jonischen Inseln<lb/>
von Korinth losreisst. Im peloponnesischen Kriege, den Korkyra mit-<lb/>
verschuldet, steht die Insel auf Seite Athens und erlangt dann nach<lb/>
harten Kämpfen und Drangsalen die Selbständigkeit. So endet die<lb/>
erste griechische Epoche der Insel. Schon um 229 v. Chr. tritt Kor-<lb/>
kyra in die Machtsphäre Roms, in der sie, von den Kaisern begün-<lb/>
stigt, ein halbes Jahrtausend festgebannt bleibt.</p><lb/><p>Korkyra und Illyrien sind die Schlüssel zum Oriente; ersteres<lb/>
wird durch seine seegeübten Flotten besonders werthvoll für Rom.</p><lb/><p>Bei Actium (31 v. Chr.), wo Octavianus im heissen Seekampfe<lb/>
gegen den Liebesbund des Antonius und der Kleopatra Sieger bleibt<lb/>
und die Alleinherrschaft in Rom erringt, betheiligen sich auch Schiffe<lb/>
der Korkyräer. Durch die Theilung des römischen Reiches (395 n. Chr.)<lb/>
wird die Insel byzantinisch und tritt in ihre zweite griechische Periode,<lb/>
die einen Zeitraum von acht Jahrhunderten umfasst, ein Abschnitt, in<lb/>
welchem die barbarische Flut der Völkerwanderung mit allen Schrecken<lb/>
die jonischen Inseln überschäumt.</p><lb/><p>Es kommen die Kreuzzüge und mit diesen der Kampf um<lb/>
die Levante. Corfù ist wieder ein Schlüsselpunkt für den Besitz<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0080]
Das Mittelmeerbecken.
dem Meere sich auf. Welch ein Gegensatz zu dem lachenden Sommer
der zaubervollen Insellandschaft!
Den geistigen Hintergrund zum Gesammtbilde aber schuf Homer,
indem er Corfù und den jonischen Sund poetisch belebte.
„Man nehme einmal“, sagt Ferd. Gregorovius, der glanzvolle
Historiograph und begeisterte Schilderer von Corfù, „das unsterbliche
jonische Märchen, welches Odyssee heisst, von diesen Inseln und
Küsten hinweg, und man wird sie zu einem Theil entgeistern und
entzaubern. Man nehme aus Corfù Odysseus, Alkinoos und Nausikaa
und man wird der Insel mehr Reiz entziehen, als zerstörte man ihre
prachtvollen Olivenwälder“.
Das nationale Bewusstsein der heutigen Griechen griff wieder
zurück in das poesievolle Alterthum und brachte, unbekümmert darum
ob Corfù wirklich der Schauplatz der Odyssee gewesen oder nicht,
das ehrwürdige Kerkyra, den gegenwärtig officiellen Namen der Insel
und Stadt, wieder zur Geltung.
In der alten Geschichte ist Corfù und den jonischen Inseln ein
durchaus bevorzugter Platz angewiesen. Nach einer glänzenden
Mythenzeit, die Herakles, Jason und Medea, den göttlichen Odysseus
und die flüchtenden Trojaner auf den Inseln sieht, erscheint um 734
v. Chr. die Flotte der mächtigen Korinther und gründet die Colonie
Korkyra, die, als sie zur Blüthe gelangt, sich und die jonischen Inseln
von Korinth losreisst. Im peloponnesischen Kriege, den Korkyra mit-
verschuldet, steht die Insel auf Seite Athens und erlangt dann nach
harten Kämpfen und Drangsalen die Selbständigkeit. So endet die
erste griechische Epoche der Insel. Schon um 229 v. Chr. tritt Kor-
kyra in die Machtsphäre Roms, in der sie, von den Kaisern begün-
stigt, ein halbes Jahrtausend festgebannt bleibt.
Korkyra und Illyrien sind die Schlüssel zum Oriente; ersteres
wird durch seine seegeübten Flotten besonders werthvoll für Rom.
Bei Actium (31 v. Chr.), wo Octavianus im heissen Seekampfe
gegen den Liebesbund des Antonius und der Kleopatra Sieger bleibt
und die Alleinherrschaft in Rom erringt, betheiligen sich auch Schiffe
der Korkyräer. Durch die Theilung des römischen Reiches (395 n. Chr.)
wird die Insel byzantinisch und tritt in ihre zweite griechische Periode,
die einen Zeitraum von acht Jahrhunderten umfasst, ein Abschnitt, in
welchem die barbarische Flut der Völkerwanderung mit allen Schrecken
die jonischen Inseln überschäumt.
Es kommen die Kreuzzüge und mit diesen der Kampf um
die Levante. Corfù ist wieder ein Schlüsselpunkt für den Besitz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/80>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.