Ausgedehnte Heideflächen ziehen sich an beiden Ufern der Düna (Dvina) nahe ihrer Mündung hin, nur unterbrochen durch Sandhügel und Sümpfe und kleine Anpflanzungen, die dem öden Charakter der Gegend nur wenig Reiz zu verleihen vermögen. In dieser eintönig trostlosen Gegend, die durch die Kunst der Menschen bisher nur mit geringem Erfolge zu verschönern versucht wurde, liegt Riga, die nach St. Petersburg bedeutendste russische Handels- stadt am Baltischen Meere, die Hauptstadt des Gouvernements Liv- land. Die Stadt breitet sich 13 km von der Mündung der Dvina, die dort etwa 600 m breit ist, an beiden Ufern des Stromes aus. An der Mündung befindet sich unter 57° 3' nördl. Br. und 24° 2' östl. L. v. Gr. die Festung und der Hafen Dünamünde; kleinere Seeschiffe können aber bis Riga selbst gelangen. Zu den beiden Uferorten an der Mündung, Bolderaa und Mühlgraben, führt von Riga die Eisen- bahn. Die Düna bietet in Riga ein grossartiges Bild, dem aber leider der innere Werth des Flusses als Schiffahrtsstrom nicht entspricht. Trotz ihrer mächtigen Breite und ihres Wasserreichthums -- sie besitzt dort eine Tiefe von 4 bis 5 m -- bereitet die Düna doch der Schiff- fahrt grosse Schwierigkeiten. Das Eis weicht erst mehrere Wochen später als in Libau, und der Eisgang bewirkt in jedem Jahre eine völlige Veränderung des Flussbettes. Deshalb bedürfen die stromauf- wärts fahrenden Frachtschiffe auf der Fahrt von Dünamünde nach Riga eines Lootsen, und der Fluss wird jedes Jahr auf Kosten der Regierung neu ausgelothet.
Riga war ehemals eine Festung, deren Umwallungen im Jahre 1858 geschleift wurden. Jetzt bilden prächtige Boulevards einen breiten Ring um die alte Stadt mit ihren gothischen Bauten, ihren engen, finsteren Gassen. Ausserhalb der Boulevards sind die drei Vorstädte: Petersburg (nördlich und östlich der alten Stadt), Moskau (südlich) und die Mitauervorstadt, theils auf dem linken Dünaufer, theils auf den Dünainseln.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 107
Riga.
Ausgedehnte Heideflächen ziehen sich an beiden Ufern der Düna (Dvina) nahe ihrer Mündung hin, nur unterbrochen durch Sandhügel und Sümpfe und kleine Anpflanzungen, die dem öden Charakter der Gegend nur wenig Reiz zu verleihen vermögen. In dieser eintönig trostlosen Gegend, die durch die Kunst der Menschen bisher nur mit geringem Erfolge zu verschönern versucht wurde, liegt Riga, die nach St. Petersburg bedeutendste russische Handels- stadt am Baltischen Meere, die Hauptstadt des Gouvernements Liv- land. Die Stadt breitet sich 13 km von der Mündung der Dvina, die dort etwa 600 m breit ist, an beiden Ufern des Stromes aus. An der Mündung befindet sich unter 57° 3′ nördl. Br. und 24° 2′ östl. L. v. Gr. die Festung und der Hafen Dünamünde; kleinere Seeschiffe können aber bis Riga selbst gelangen. Zu den beiden Uferorten an der Mündung, Bolderaa und Mühlgraben, führt von Riga die Eisen- bahn. Die Düna bietet in Riga ein grossartiges Bild, dem aber leider der innere Werth des Flusses als Schiffahrtsstrom nicht entspricht. Trotz ihrer mächtigen Breite und ihres Wasserreichthums — sie besitzt dort eine Tiefe von 4 bis 5 m — bereitet die Düna doch der Schiff- fahrt grosse Schwierigkeiten. Das Eis weicht erst mehrere Wochen später als in Libau, und der Eisgang bewirkt in jedem Jahre eine völlige Veränderung des Flussbettes. Deshalb bedürfen die stromauf- wärts fahrenden Frachtschiffe auf der Fahrt von Dünamünde nach Riga eines Lootsen, und der Fluss wird jedes Jahr auf Kosten der Regierung neu ausgelothet.
Riga war ehemals eine Festung, deren Umwallungen im Jahre 1858 geschleift wurden. Jetzt bilden prächtige Boulevards einen breiten Ring um die alte Stadt mit ihren gothischen Bauten, ihren engen, finsteren Gassen. Ausserhalb der Boulevards sind die drei Vorstädte: Petersburg (nördlich und östlich der alten Stadt), Moskau (südlich) und die Mitauervorstadt, theils auf dem linken Dünaufer, theils auf den Dünainseln.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 107
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0869"n="[849]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Riga.</hi></head><lb/><p>Ausgedehnte Heideflächen ziehen sich an beiden Ufern der<lb/>
Düna (Dvina) nahe ihrer Mündung hin, nur unterbrochen durch<lb/>
Sandhügel und Sümpfe und kleine Anpflanzungen, die dem öden<lb/>
Charakter der Gegend nur wenig Reiz zu verleihen vermögen. In<lb/>
dieser eintönig trostlosen Gegend, die durch die Kunst der Menschen<lb/>
bisher nur mit geringem Erfolge zu verschönern versucht wurde,<lb/>
liegt Riga, die nach St. Petersburg bedeutendste russische Handels-<lb/>
stadt am Baltischen Meere, die Hauptstadt des Gouvernements Liv-<lb/>
land. Die Stadt breitet sich 13 <hirendition="#i">km</hi> von der Mündung der Dvina, die<lb/>
dort etwa 600 <hirendition="#i">m</hi> breit ist, an beiden Ufern des Stromes aus. An der<lb/>
Mündung befindet sich unter 57° 3′ nördl. Br. und 24° 2′ östl. L.<lb/>
v. Gr. die Festung und der Hafen Dünamünde; kleinere Seeschiffe<lb/>
können aber bis Riga selbst gelangen. Zu den beiden Uferorten an<lb/>
der Mündung, Bolderaa und Mühlgraben, führt von Riga die Eisen-<lb/>
bahn. Die Düna bietet in Riga ein grossartiges Bild, dem aber leider<lb/>
der innere Werth des Flusses als Schiffahrtsstrom nicht entspricht.<lb/>
Trotz ihrer mächtigen Breite und ihres Wasserreichthums — sie besitzt<lb/>
dort eine Tiefe von 4 bis 5 <hirendition="#i">m</hi>— bereitet die Düna doch der Schiff-<lb/>
fahrt grosse Schwierigkeiten. Das Eis weicht erst mehrere Wochen<lb/>
später als in Libau, und der Eisgang bewirkt in jedem Jahre eine<lb/>
völlige Veränderung des Flussbettes. Deshalb bedürfen die stromauf-<lb/>
wärts fahrenden Frachtschiffe auf der Fahrt von Dünamünde nach<lb/>
Riga eines Lootsen, und der Fluss wird jedes Jahr auf Kosten der<lb/>
Regierung neu ausgelothet.</p><lb/><p>Riga war ehemals eine Festung, deren Umwallungen im Jahre<lb/>
1858 geschleift wurden. Jetzt bilden prächtige Boulevards einen<lb/>
breiten Ring um die alte Stadt mit ihren gothischen Bauten, ihren<lb/>
engen, finsteren Gassen. Ausserhalb der Boulevards sind die drei<lb/>
Vorstädte: Petersburg (nördlich und östlich der alten Stadt), Moskau<lb/>
(südlich) und die Mitauervorstadt, theils auf dem linken Dünaufer,<lb/>
theils auf den Dünainseln.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 107</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[849]/0869]
Riga.
Ausgedehnte Heideflächen ziehen sich an beiden Ufern der
Düna (Dvina) nahe ihrer Mündung hin, nur unterbrochen durch
Sandhügel und Sümpfe und kleine Anpflanzungen, die dem öden
Charakter der Gegend nur wenig Reiz zu verleihen vermögen. In
dieser eintönig trostlosen Gegend, die durch die Kunst der Menschen
bisher nur mit geringem Erfolge zu verschönern versucht wurde,
liegt Riga, die nach St. Petersburg bedeutendste russische Handels-
stadt am Baltischen Meere, die Hauptstadt des Gouvernements Liv-
land. Die Stadt breitet sich 13 km von der Mündung der Dvina, die
dort etwa 600 m breit ist, an beiden Ufern des Stromes aus. An der
Mündung befindet sich unter 57° 3′ nördl. Br. und 24° 2′ östl. L.
v. Gr. die Festung und der Hafen Dünamünde; kleinere Seeschiffe
können aber bis Riga selbst gelangen. Zu den beiden Uferorten an
der Mündung, Bolderaa und Mühlgraben, führt von Riga die Eisen-
bahn. Die Düna bietet in Riga ein grossartiges Bild, dem aber leider
der innere Werth des Flusses als Schiffahrtsstrom nicht entspricht.
Trotz ihrer mächtigen Breite und ihres Wasserreichthums — sie besitzt
dort eine Tiefe von 4 bis 5 m — bereitet die Düna doch der Schiff-
fahrt grosse Schwierigkeiten. Das Eis weicht erst mehrere Wochen
später als in Libau, und der Eisgang bewirkt in jedem Jahre eine
völlige Veränderung des Flussbettes. Deshalb bedürfen die stromauf-
wärts fahrenden Frachtschiffe auf der Fahrt von Dünamünde nach
Riga eines Lootsen, und der Fluss wird jedes Jahr auf Kosten der
Regierung neu ausgelothet.
Riga war ehemals eine Festung, deren Umwallungen im Jahre
1858 geschleift wurden. Jetzt bilden prächtige Boulevards einen
breiten Ring um die alte Stadt mit ihren gothischen Bauten, ihren
engen, finsteren Gassen. Ausserhalb der Boulevards sind die drei
Vorstädte: Petersburg (nördlich und östlich der alten Stadt), Moskau
(südlich) und die Mitauervorstadt, theils auf dem linken Dünaufer,
theils auf den Dünainseln.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 107
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [849]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/869>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.