Der bedeutendste Seehandelsplatz der Welt, London, besitzt keinen von der Natur geschaffenen Hafen, ja er steht nicht einmal in unmittelbarer Berührung mit dem Meere, sondern entwickelte sich an einem Flusse, welcher erst eine ansehuliche Strecke unterhalb in das Meer mündet und an dessen Ufern künstlich das erforderliche Terrain für maritime Zwecke gewonnen und adaptirt werden musste. Aber die ausserordentlich günstige Lage des Punktes überhaupt war es, welche trotz dieser Schwierigkeiten denselben in jene Entwicklung hineintrieb, die er im Laufe der Jahrhunderte genommen und durch die er sich zu seiner heutigen universalen Bedeutung im Weltverkehre emporgeschwungen hat. London ist durch die von diesem Punkte an für alle Schiffe zugängliche Themse mit dem Meere in naher Ver- bindung, es liegt nahe zu allen Küsten des nordwestlichen und westlichen Europa, an der grossen Wasserstrasse des Canales und am Wege, der vom Ocean nach den nordischen Gewässern und zur Ostsee führt, es hat durch den Canal freie Verbindung über den Atlantischen Ocean, sowohl in westlicher Richtung gegen Amerika, als in südlicher und östlicher nach den Küsten Afrikas, an denen, so lange der Isthmus von Suez noch nicht durchstochen war, der Weg nach Indien führte. Dabei wurde London eben wegen seiner Position im Süden der britischen Insel und wegen seiner maritimen Zugänglichkeit die natürliche Hauptstadt des unter einem Herrscher vereinigten Landes, dessen geschichtliche Entwicklung schon deshalb einen östlich gelegenen Hafenplatz als politisches Centrum erheischte, weil lange Zeit viele Interessen seiner Herrscher jenseits des Canales, auf dem Continente gelegen waren und es sich daher als eine Noth- wendigkeit darstellte, stets nach beiden Richtungen hin über eine möglichst sichere Verbindung zu verfügen.
Wir erinnern nur daran, dass die eigentlichen Begründer des britischen Reiches, die Normannenkönige, noch lange Zeit hindurch ihr Stammland, die
London.
Der bedeutendste Seehandelsplatz der Welt, London, besitzt keinen von der Natur geschaffenen Hafen, ja er steht nicht einmal in unmittelbarer Berührung mit dem Meere, sondern entwickelte sich an einem Flusse, welcher erst eine ansehuliche Strecke unterhalb in das Meer mündet und an dessen Ufern künstlich das erforderliche Terrain für maritime Zwecke gewonnen und adaptirt werden musste. Aber die ausserordentlich günstige Lage des Punktes überhaupt war es, welche trotz dieser Schwierigkeiten denselben in jene Entwicklung hineintrieb, die er im Laufe der Jahrhunderte genommen und durch die er sich zu seiner heutigen universalen Bedeutung im Weltverkehre emporgeschwungen hat. London ist durch die von diesem Punkte an für alle Schiffe zugängliche Themse mit dem Meere in naher Ver- bindung, es liegt nahe zu allen Küsten des nordwestlichen und westlichen Europa, an der grossen Wasserstrasse des Canales und am Wege, der vom Ocean nach den nordischen Gewässern und zur Ostsee führt, es hat durch den Canal freie Verbindung über den Atlantischen Ocean, sowohl in westlicher Richtung gegen Amerika, als in südlicher und östlicher nach den Küsten Afrikas, an denen, so lange der Isthmus von Suez noch nicht durchstochen war, der Weg nach Indien führte. Dabei wurde London eben wegen seiner Position im Süden der britischen Insel und wegen seiner maritimen Zugänglichkeit die natürliche Hauptstadt des unter einem Herrscher vereinigten Landes, dessen geschichtliche Entwicklung schon deshalb einen östlich gelegenen Hafenplatz als politisches Centrum erheischte, weil lange Zeit viele Interessen seiner Herrscher jenseits des Canales, auf dem Continente gelegen waren und es sich daher als eine Noth- wendigkeit darstellte, stets nach beiden Richtungen hin über eine möglichst sichere Verbindung zu verfügen.
Wir erinnern nur daran, dass die eigentlichen Begründer des britischen Reiches, die Normannenkönige, noch lange Zeit hindurch ihr Stammland, die
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0937"n="[917]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">London.</hi></head><lb/><p>Der bedeutendste Seehandelsplatz der Welt, <hirendition="#g">London</hi>, besitzt<lb/>
keinen von der Natur geschaffenen Hafen, ja er steht nicht einmal<lb/>
in unmittelbarer Berührung mit dem Meere, sondern entwickelte sich<lb/>
an einem Flusse, welcher erst eine ansehuliche Strecke unterhalb in<lb/>
das Meer mündet und an dessen Ufern künstlich das erforderliche<lb/>
Terrain für maritime Zwecke gewonnen und adaptirt werden musste.<lb/>
Aber die ausserordentlich günstige Lage des Punktes überhaupt war<lb/>
es, welche trotz dieser Schwierigkeiten denselben in jene Entwicklung<lb/>
hineintrieb, die er im Laufe der Jahrhunderte genommen und durch<lb/>
die er sich zu seiner heutigen universalen Bedeutung im Weltverkehre<lb/>
emporgeschwungen hat. London ist durch die von diesem Punkte an<lb/>
für alle Schiffe zugängliche Themse mit dem Meere in naher Ver-<lb/>
bindung, es liegt nahe zu allen Küsten des nordwestlichen und<lb/>
westlichen Europa, an der grossen Wasserstrasse des Canales und<lb/>
am Wege, der vom Ocean nach den nordischen Gewässern und zur<lb/>
Ostsee führt, es hat durch den Canal freie Verbindung über den<lb/>
Atlantischen Ocean, sowohl in westlicher Richtung gegen Amerika,<lb/>
als in südlicher und östlicher nach den Küsten Afrikas, an denen,<lb/>
so lange der Isthmus von Suez noch nicht durchstochen war, der<lb/>
Weg nach Indien führte. Dabei wurde London eben wegen seiner<lb/>
Position im Süden der britischen Insel und wegen seiner maritimen<lb/>
Zugänglichkeit die natürliche Hauptstadt des unter einem Herrscher<lb/>
vereinigten Landes, dessen geschichtliche Entwicklung schon deshalb<lb/>
einen östlich gelegenen Hafenplatz als politisches Centrum erheischte,<lb/>
weil lange Zeit viele Interessen seiner Herrscher jenseits des Canales,<lb/>
auf dem Continente gelegen waren und es sich daher als eine Noth-<lb/>
wendigkeit darstellte, stets nach beiden Richtungen hin über eine<lb/>
möglichst sichere Verbindung zu verfügen.</p><lb/><p>Wir erinnern nur daran, dass die eigentlichen Begründer des britischen<lb/>
Reiches, die Normannenkönige, noch lange Zeit hindurch ihr Stammland, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[917]/0937]
London.
Der bedeutendste Seehandelsplatz der Welt, London, besitzt
keinen von der Natur geschaffenen Hafen, ja er steht nicht einmal
in unmittelbarer Berührung mit dem Meere, sondern entwickelte sich
an einem Flusse, welcher erst eine ansehuliche Strecke unterhalb in
das Meer mündet und an dessen Ufern künstlich das erforderliche
Terrain für maritime Zwecke gewonnen und adaptirt werden musste.
Aber die ausserordentlich günstige Lage des Punktes überhaupt war
es, welche trotz dieser Schwierigkeiten denselben in jene Entwicklung
hineintrieb, die er im Laufe der Jahrhunderte genommen und durch
die er sich zu seiner heutigen universalen Bedeutung im Weltverkehre
emporgeschwungen hat. London ist durch die von diesem Punkte an
für alle Schiffe zugängliche Themse mit dem Meere in naher Ver-
bindung, es liegt nahe zu allen Küsten des nordwestlichen und
westlichen Europa, an der grossen Wasserstrasse des Canales und
am Wege, der vom Ocean nach den nordischen Gewässern und zur
Ostsee führt, es hat durch den Canal freie Verbindung über den
Atlantischen Ocean, sowohl in westlicher Richtung gegen Amerika,
als in südlicher und östlicher nach den Küsten Afrikas, an denen,
so lange der Isthmus von Suez noch nicht durchstochen war, der
Weg nach Indien führte. Dabei wurde London eben wegen seiner
Position im Süden der britischen Insel und wegen seiner maritimen
Zugänglichkeit die natürliche Hauptstadt des unter einem Herrscher
vereinigten Landes, dessen geschichtliche Entwicklung schon deshalb
einen östlich gelegenen Hafenplatz als politisches Centrum erheischte,
weil lange Zeit viele Interessen seiner Herrscher jenseits des Canales,
auf dem Continente gelegen waren und es sich daher als eine Noth-
wendigkeit darstellte, stets nach beiden Richtungen hin über eine
möglichst sichere Verbindung zu verfügen.
Wir erinnern nur daran, dass die eigentlichen Begründer des britischen
Reiches, die Normannenkönige, noch lange Zeit hindurch ihr Stammland, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [917]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/937>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.