Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

London.
handelnden Kaufleuten, einen künstlichen Hafen, die West-India-Docks,
zu schaffen, und nachdem einmal ein Anfang gemacht, folgten bald
andere ähnliche Einrichtungen nach; nur verfiel man sofort in den
Fehler, den jetzt entstehenden Docks abermals gewisse Vorrechte, und
zwar auf bestimmte Zeit einzuräumen, so dass trotz des steigenden
Bedürfnisses ein Stillstand eintreten musste und erst nach Ablauf
jener Frist eine Reihe weiterer Institutionen ins Leben gerufen werden
konnte.

Heute verfügt man über eine nicht geringe Zahl solcher Docks,
in denen sich der ganze grosse Verkehr abspielt. Unter Dock ver-
steht man in England nicht nur künstliche Hafenbassins, in denen die
Schiffe sicher liegen und die meist durch Schleussen geschlossen
werden, sondern auch grosse damit in unmittelbarem Zusammenhang
befindliche Waarenmagazine, in welche die Waaren möglichst direct
vom Schiffe gelangen, aufgespeichert werden, und über welche auf
Grund der ganzen Dock-Organisation von den Eigenthümern verfügt
werden kann, bis diese Waaren ihrer weiteren Bestimmung zugeführt,
beziehungsweise neuerlich verschifft werden. Die Docks sind eine un-
geheure Erleichterung für den ganzen Verkehr, sie ersparen viel Zeit
und Arbeit und entheben den einzelnen Kaufmann von der Sorge für
eine Menge von Manipulationen, welche für ihn und auf seine Rech-
nung die Dockverwaltung vornimmt. Es entwickelt sich derart das
eigenthümliche Verhältniss, dass der betreffende Kaufmann ein grosses
Geschäft mit seinen Waaren durchführen kann, ohne dass er auch
dieselben nur ein einzigesmal flüchtig zu Gesichte bekommen hat.
Die Dockverwaltung übernimmt die Waaren, lagert sie ein, besorgt
Alles, was auf deren Instandhaltung Bezug nimmt, liefert dieselben
wieder aus oder veranlasst nach Auftrag deren Verschiffung; ferner
ist durch das sehr ausgebildete Warrantsystem Sorge getragen, dass
das Eigenthum leicht übertragen werden kann und dass auch Vor-
schüsse auf den Werth der eingelagerten Waaren gegeben werden
können. In den Docks concentrirt sich also der grosse Handel und
dabei haben es die Verhältnisse mit sich gebracht, dass die Docks
wenigstens zum Theil bestimmten Artikeln gewidmet sind, und sich
daher dadurch grosse Centralpunkte für einzelne Artikel herausgebildet
haben, was abermals eine Erleichterung des Geschäftes in denselben
bedeutet.

Man darf aber trotz der grossen Entwicklung des Dockwesens
in London nicht glauben, dass die bezüglichen Anlagen durchaus
mustergiltig seien. Sie zeigen mehr oder minder verschiedene Uebelstände,

London.
handelnden Kaufleuten, einen künstlichen Hafen, die West-India-Docks,
zu schaffen, und nachdem einmal ein Anfang gemacht, folgten bald
andere ähnliche Einrichtungen nach; nur verfiel man sofort in den
Fehler, den jetzt entstehenden Docks abermals gewisse Vorrechte, und
zwar auf bestimmte Zeit einzuräumen, so dass trotz des steigenden
Bedürfnisses ein Stillstand eintreten musste und erst nach Ablauf
jener Frist eine Reihe weiterer Institutionen ins Leben gerufen werden
konnte.

Heute verfügt man über eine nicht geringe Zahl solcher Docks,
in denen sich der ganze grosse Verkehr abspielt. Unter Dock ver-
steht man in England nicht nur künstliche Hafenbassins, in denen die
Schiffe sicher liegen und die meist durch Schleussen geschlossen
werden, sondern auch grosse damit in unmittelbarem Zusammenhang
befindliche Waarenmagazine, in welche die Waaren möglichst direct
vom Schiffe gelangen, aufgespeichert werden, und über welche auf
Grund der ganzen Dock-Organisation von den Eigenthümern verfügt
werden kann, bis diese Waaren ihrer weiteren Bestimmung zugeführt,
beziehungsweise neuerlich verschifft werden. Die Docks sind eine un-
geheure Erleichterung für den ganzen Verkehr, sie ersparen viel Zeit
und Arbeit und entheben den einzelnen Kaufmann von der Sorge für
eine Menge von Manipulationen, welche für ihn und auf seine Rech-
nung die Dockverwaltung vornimmt. Es entwickelt sich derart das
eigenthümliche Verhältniss, dass der betreffende Kaufmann ein grosses
Geschäft mit seinen Waaren durchführen kann, ohne dass er auch
dieselben nur ein einzigesmal flüchtig zu Gesichte bekommen hat.
Die Dockverwaltung übernimmt die Waaren, lagert sie ein, besorgt
Alles, was auf deren Instandhaltung Bezug nimmt, liefert dieselben
wieder aus oder veranlasst nach Auftrag deren Verschiffung; ferner
ist durch das sehr ausgebildete Warrantsystem Sorge getragen, dass
das Eigenthum leicht übertragen werden kann und dass auch Vor-
schüsse auf den Werth der eingelagerten Waaren gegeben werden
können. In den Docks concentrirt sich also der grosse Handel und
dabei haben es die Verhältnisse mit sich gebracht, dass die Docks
wenigstens zum Theil bestimmten Artikeln gewidmet sind, und sich
daher dadurch grosse Centralpunkte für einzelne Artikel herausgebildet
haben, was abermals eine Erleichterung des Geschäftes in denselben
bedeutet.

Man darf aber trotz der grossen Entwicklung des Dockwesens
in London nicht glauben, dass die bezüglichen Anlagen durchaus
mustergiltig seien. Sie zeigen mehr oder minder verschiedene Uebelstände,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0961" n="941"/><fw place="top" type="header">London.</fw><lb/>
handelnden Kaufleuten, einen künstlichen Hafen, die West-India-Docks,<lb/>
zu schaffen, und nachdem einmal ein Anfang gemacht, folgten bald<lb/>
andere ähnliche Einrichtungen nach; nur verfiel man sofort in den<lb/>
Fehler, den jetzt entstehenden Docks abermals gewisse Vorrechte, und<lb/>
zwar auf bestimmte Zeit einzuräumen, so dass trotz des steigenden<lb/>
Bedürfnisses ein Stillstand eintreten musste und erst nach Ablauf<lb/>
jener Frist eine Reihe weiterer Institutionen ins Leben gerufen werden<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p>Heute verfügt man über eine nicht geringe Zahl solcher Docks,<lb/>
in denen sich der ganze grosse Verkehr abspielt. Unter Dock ver-<lb/>
steht man in England nicht nur künstliche Hafenbassins, in denen die<lb/>
Schiffe sicher liegen und die meist durch Schleussen geschlossen<lb/>
werden, sondern auch grosse damit in unmittelbarem Zusammenhang<lb/>
befindliche Waarenmagazine, in welche die Waaren möglichst direct<lb/>
vom Schiffe gelangen, aufgespeichert werden, und über welche auf<lb/>
Grund der ganzen Dock-Organisation von den Eigenthümern verfügt<lb/>
werden kann, bis diese Waaren ihrer weiteren Bestimmung zugeführt,<lb/>
beziehungsweise neuerlich verschifft werden. Die Docks sind eine un-<lb/>
geheure Erleichterung für den ganzen Verkehr, sie ersparen viel Zeit<lb/>
und Arbeit und entheben den einzelnen Kaufmann von der Sorge für<lb/>
eine Menge von Manipulationen, welche für ihn und auf seine Rech-<lb/>
nung die Dockverwaltung vornimmt. Es entwickelt sich derart das<lb/>
eigenthümliche Verhältniss, dass der betreffende Kaufmann ein grosses<lb/>
Geschäft mit seinen Waaren durchführen kann, ohne dass er auch<lb/>
dieselben nur ein einzigesmal flüchtig zu Gesichte bekommen hat.<lb/>
Die Dockverwaltung übernimmt die Waaren, lagert sie ein, besorgt<lb/>
Alles, was auf deren Instandhaltung Bezug nimmt, liefert dieselben<lb/>
wieder aus oder veranlasst nach Auftrag deren Verschiffung; ferner<lb/>
ist durch das sehr ausgebildete Warrantsystem Sorge getragen, dass<lb/>
das Eigenthum leicht übertragen werden kann und dass auch Vor-<lb/>
schüsse auf den Werth der eingelagerten Waaren gegeben werden<lb/>
können. In den Docks concentrirt sich also der grosse Handel und<lb/>
dabei haben es die Verhältnisse mit sich gebracht, dass die Docks<lb/>
wenigstens zum Theil bestimmten Artikeln gewidmet sind, und sich<lb/>
daher dadurch grosse Centralpunkte für einzelne Artikel herausgebildet<lb/>
haben, was abermals eine Erleichterung des Geschäftes in denselben<lb/>
bedeutet.</p><lb/>
          <p>Man darf aber trotz der grossen Entwicklung des Dockwesens<lb/>
in London nicht glauben, dass die bezüglichen Anlagen durchaus<lb/>
mustergiltig seien. Sie zeigen mehr oder minder verschiedene Uebelstände,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[941/0961] London. handelnden Kaufleuten, einen künstlichen Hafen, die West-India-Docks, zu schaffen, und nachdem einmal ein Anfang gemacht, folgten bald andere ähnliche Einrichtungen nach; nur verfiel man sofort in den Fehler, den jetzt entstehenden Docks abermals gewisse Vorrechte, und zwar auf bestimmte Zeit einzuräumen, so dass trotz des steigenden Bedürfnisses ein Stillstand eintreten musste und erst nach Ablauf jener Frist eine Reihe weiterer Institutionen ins Leben gerufen werden konnte. Heute verfügt man über eine nicht geringe Zahl solcher Docks, in denen sich der ganze grosse Verkehr abspielt. Unter Dock ver- steht man in England nicht nur künstliche Hafenbassins, in denen die Schiffe sicher liegen und die meist durch Schleussen geschlossen werden, sondern auch grosse damit in unmittelbarem Zusammenhang befindliche Waarenmagazine, in welche die Waaren möglichst direct vom Schiffe gelangen, aufgespeichert werden, und über welche auf Grund der ganzen Dock-Organisation von den Eigenthümern verfügt werden kann, bis diese Waaren ihrer weiteren Bestimmung zugeführt, beziehungsweise neuerlich verschifft werden. Die Docks sind eine un- geheure Erleichterung für den ganzen Verkehr, sie ersparen viel Zeit und Arbeit und entheben den einzelnen Kaufmann von der Sorge für eine Menge von Manipulationen, welche für ihn und auf seine Rech- nung die Dockverwaltung vornimmt. Es entwickelt sich derart das eigenthümliche Verhältniss, dass der betreffende Kaufmann ein grosses Geschäft mit seinen Waaren durchführen kann, ohne dass er auch dieselben nur ein einzigesmal flüchtig zu Gesichte bekommen hat. Die Dockverwaltung übernimmt die Waaren, lagert sie ein, besorgt Alles, was auf deren Instandhaltung Bezug nimmt, liefert dieselben wieder aus oder veranlasst nach Auftrag deren Verschiffung; ferner ist durch das sehr ausgebildete Warrantsystem Sorge getragen, dass das Eigenthum leicht übertragen werden kann und dass auch Vor- schüsse auf den Werth der eingelagerten Waaren gegeben werden können. In den Docks concentrirt sich also der grosse Handel und dabei haben es die Verhältnisse mit sich gebracht, dass die Docks wenigstens zum Theil bestimmten Artikeln gewidmet sind, und sich daher dadurch grosse Centralpunkte für einzelne Artikel herausgebildet haben, was abermals eine Erleichterung des Geschäftes in denselben bedeutet. Man darf aber trotz der grossen Entwicklung des Dockwesens in London nicht glauben, dass die bezüglichen Anlagen durchaus mustergiltig seien. Sie zeigen mehr oder minder verschiedene Uebelstände,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/961
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 941. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/961>, abgerufen am 09.06.2024.