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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
wie schon erwähnt, 4,282.000 Menschen, und auf das Aussengebiet
des Polizeidistrictes, also auf die Landschaft ausser der County of
London muss man noch eine Million Einwohner rechnen, so dass
London im weitesten Sinne die Grenzen einer Fünfmillionenstadt be-
reits überschritten hat.

Nur an einem Orte, welcher seit Langem schon das Herz des
Welthandels ist, konnte eine solche Menge von Menschen sich an-
siedeln. In London befindet sich der Sitz der ältesten und mächtigsten
Kaufhäuser, welche in allen Welttheilen Niederlassungen unterhalten,
durch welche die wichtigsten Stapelartikel des Weltverkehres nach
der Themsestadt dirigirt werden, damit man dagegen die Erzeugnisse
moderner Erfindungen des Gewerbe- und Industriefleisses nicht allein
Englands, sondern ganz Europas eintausche; über London geht daher
noch immer der grösste Theil der Zahlungen des internationalen Ver-
kehres, so sehr sich auch die bedeutenderen Handelsvölker von dieser
Controle loszumachen suchen.

London bildet den Hauptmarkt für eine Reihe von Colonial-
waaren und ausländischen Producten, wie Wolle, Thee, Pfeffer, Zimmt,
Indigo, Cacao, Rosinen, Jute, Zinn, Häute, Pelze, Elfenbein, Edel-
steine, Petroleum, Spirituosen, es steht nur in wenigen Artikeln, wie
Baumwolle, Reis und Tabak, Liverpool nach und ist höchst wichtig
für Kaffee. Wiewohl nun London vorwiegend Handelsstadt ist, verfügt
es andererseits über eine hochentwickelte Industrie, in deren einzelnen
Zweigen es an der Spitze aller anderen englischen Städte steht. Nicht
weniger als 904.000 Menschen sind in den verschiedenen Industrie-
und Gewerbezweigen beschäftigt. Der Maschinenbau allein gibt 17.800
Menschen Arbeit, in der Möbelindustrie sind 22.000 Arbeiter thätig.
London, welches die grössten Druckereien der Welt besitzt, bietet in
diesen 25.600 Menschen Beschäftigung, 71.800 Arbeiter zählt die
Industrie der Kleiderconfection, mehr als 6000 Arbeiter obliegen der
Seidenweberei. Tapeten und Glas werden in grossartigem Masse herge-
stellt, und die Erzeugung von musikalischen und chirurgischen In-
strumenten, von Uhren und Goldschmiedearbeiten steht auf einer hohen
Stufe. Daneben liefert London Sattler- und Lederwaaren in vorzüg-
licher Qualität und besitzt eine erstaunliche Anzahl an Bierbrauereien
(172), von welchen das bekannte englische schwarze Bier (stout)
erzeugt wird.

Der Handel Londons hat ausserordentliche Dimensionen angenommen.
Von dem gesammten Importe des Vereinigten Königreiches, der 1889 mit
L 427,637.595 bewerthet wird, entfallen L 144,711.517, also mehr als ein Drittheil

Der atlantische Ocean.
wie schon erwähnt, 4,282.000 Menschen, und auf das Aussengebiet
des Polizeidistrictes, also auf die Landschaft ausser der County of
London muss man noch eine Million Einwohner rechnen, so dass
London im weitesten Sinne die Grenzen einer Fünfmillionenstadt be-
reits überschritten hat.

Nur an einem Orte, welcher seit Langem schon das Herz des
Welthandels ist, konnte eine solche Menge von Menschen sich an-
siedeln. In London befindet sich der Sitz der ältesten und mächtigsten
Kaufhäuser, welche in allen Welttheilen Niederlassungen unterhalten,
durch welche die wichtigsten Stapelartikel des Weltverkehres nach
der Themsestadt dirigirt werden, damit man dagegen die Erzeugnisse
moderner Erfindungen des Gewerbe- und Industriefleisses nicht allein
Englands, sondern ganz Europas eintausche; über London geht daher
noch immer der grösste Theil der Zahlungen des internationalen Ver-
kehres, so sehr sich auch die bedeutenderen Handelsvölker von dieser
Controle loszumachen suchen.

London bildet den Hauptmarkt für eine Reihe von Colonial-
waaren und ausländischen Producten, wie Wolle, Thee, Pfeffer, Zimmt,
Indigo, Cacao, Rosinen, Jute, Zinn, Häute, Pelze, Elfenbein, Edel-
steine, Petroleum, Spirituosen, es steht nur in wenigen Artikeln, wie
Baumwolle, Reis und Tabak, Liverpool nach und ist höchst wichtig
für Kaffee. Wiewohl nun London vorwiegend Handelsstadt ist, verfügt
es andererseits über eine hochentwickelte Industrie, in deren einzelnen
Zweigen es an der Spitze aller anderen englischen Städte steht. Nicht
weniger als 904.000 Menschen sind in den verschiedenen Industrie-
und Gewerbezweigen beschäftigt. Der Maschinenbau allein gibt 17.800
Menschen Arbeit, in der Möbelindustrie sind 22.000 Arbeiter thätig.
London, welches die grössten Druckereien der Welt besitzt, bietet in
diesen 25.600 Menschen Beschäftigung, 71.800 Arbeiter zählt die
Industrie der Kleiderconfection, mehr als 6000 Arbeiter obliegen der
Seidenweberei. Tapeten und Glas werden in grossartigem Masse herge-
stellt, und die Erzeugung von musikalischen und chirurgischen In-
strumenten, von Uhren und Goldschmiedearbeiten steht auf einer hohen
Stufe. Daneben liefert London Sattler- und Lederwaaren in vorzüg-
licher Qualität und besitzt eine erstaunliche Anzahl an Bierbrauereien
(172), von welchen das bekannte englische schwarze Bier (stout)
erzeugt wird.

Der Handel Londons hat ausserordentliche Dimensionen angenommen.
Von dem gesammten Importe des Vereinigten Königreiches, der 1889 mit
₤ 427,637.595 bewerthet wird, entfallen ₤ 144,711.517, also mehr als ein Drittheil

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[954/0974] Der atlantische Ocean. wie schon erwähnt, 4,282.000 Menschen, und auf das Aussengebiet des Polizeidistrictes, also auf die Landschaft ausser der County of London muss man noch eine Million Einwohner rechnen, so dass London im weitesten Sinne die Grenzen einer Fünfmillionenstadt be- reits überschritten hat. Nur an einem Orte, welcher seit Langem schon das Herz des Welthandels ist, konnte eine solche Menge von Menschen sich an- siedeln. In London befindet sich der Sitz der ältesten und mächtigsten Kaufhäuser, welche in allen Welttheilen Niederlassungen unterhalten, durch welche die wichtigsten Stapelartikel des Weltverkehres nach der Themsestadt dirigirt werden, damit man dagegen die Erzeugnisse moderner Erfindungen des Gewerbe- und Industriefleisses nicht allein Englands, sondern ganz Europas eintausche; über London geht daher noch immer der grösste Theil der Zahlungen des internationalen Ver- kehres, so sehr sich auch die bedeutenderen Handelsvölker von dieser Controle loszumachen suchen. London bildet den Hauptmarkt für eine Reihe von Colonial- waaren und ausländischen Producten, wie Wolle, Thee, Pfeffer, Zimmt, Indigo, Cacao, Rosinen, Jute, Zinn, Häute, Pelze, Elfenbein, Edel- steine, Petroleum, Spirituosen, es steht nur in wenigen Artikeln, wie Baumwolle, Reis und Tabak, Liverpool nach und ist höchst wichtig für Kaffee. Wiewohl nun London vorwiegend Handelsstadt ist, verfügt es andererseits über eine hochentwickelte Industrie, in deren einzelnen Zweigen es an der Spitze aller anderen englischen Städte steht. Nicht weniger als 904.000 Menschen sind in den verschiedenen Industrie- und Gewerbezweigen beschäftigt. Der Maschinenbau allein gibt 17.800 Menschen Arbeit, in der Möbelindustrie sind 22.000 Arbeiter thätig. London, welches die grössten Druckereien der Welt besitzt, bietet in diesen 25.600 Menschen Beschäftigung, 71.800 Arbeiter zählt die Industrie der Kleiderconfection, mehr als 6000 Arbeiter obliegen der Seidenweberei. Tapeten und Glas werden in grossartigem Masse herge- stellt, und die Erzeugung von musikalischen und chirurgischen In- strumenten, von Uhren und Goldschmiedearbeiten steht auf einer hohen Stufe. Daneben liefert London Sattler- und Lederwaaren in vorzüg- licher Qualität und besitzt eine erstaunliche Anzahl an Bierbrauereien (172), von welchen das bekannte englische schwarze Bier (stout) erzeugt wird. Der Handel Londons hat ausserordentliche Dimensionen angenommen. Von dem gesammten Importe des Vereinigten Königreiches, der 1889 mit ₤ 427,637.595 bewerthet wird, entfallen ₤ 144,711.517, also mehr als ein Drittheil

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 954. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/974>, abgerufen am 09.06.2024.