Das Mississippi-Delta ist eine höchst interessante Naturerscheinung. Schon vor der Mündung des Red-River, 220 km landeinwärts des Deltas, entsendet der Vater der Flüsse zahlreiche Seitenarme (Bayou), welche das weite mit undurch- dringlichem Wald und Schilf bedeckte Küstengebiet durchziehen und dort mit- unter Seen und Sümpfe bilden. Das eigentliche Delta, d. i. die Spaltung des Stromes, beginnt jedoch, wie unser Plan zeigt, erst am äusseren Anschwemmungs- terrain, das am Südende einer 30 km langen schmalen Landzunge (Hals), sich ge- bildet hat.
Dort scheidet sich der Strom in drei Hauptarme (Passes), und zwar in den Ost-, in den Südwest- und den zwischen beiden liegenden Süd-Pass. Der Ostpass gabelt sich gleichfalls wieder in drei grosse Arme, und zwar in den Pass a l'Outre, Nordost- und Südost-Pass; er entsendet aber gleichwie die anderen Hauptarme noch einzelne Bayous zur See.
Früherer Zeit diente der Südwestpass für die grosse Schiffahrt, allein seit- dem die Wasserbauten im Südpass vollendet waren, ist der letztere zur aus- schliesslichen Benützung gelangt.
Durch Aufbau von Dämmen und Buhnen an der Deltagabelung (Head of Passes) zwang man den Strom, die grösste Wassermasse gegen den Südpass zu ergiessen; am Ende des letzteren aber wurden mit grossen Kosten zwei mächtige Dämme (Jetties) bis zur Barre hinaus in See geführt. Die gesteigerte Strömung spülte dann, wie es beabsichtigt war, in kurzer Zeit die 2 m seichte Barre hinweg und grub sich ein Bett von 7·3 m Tiefe, durch welches nun die Fahrstrasse nach New-Orleans führt.
Die genialen Pläne zu den vorerwähnten Bauten, welch letztere seither den stärksten Orkanen widerstanden, hatte Capitän James B. Eads, der Erbauer der Mississippi-Brücke bei St. Louis, entworfen.
Noch einer Eigenthümlichkeit des Stromes und dessen untersten Laufes sei hier gedacht. Durch die enormen Ablagerungen des Mississippi erhöhte sich mit der Zeit der Boden seines Bettes derartig über das flache Mündungsgebiet, dass der Strom heute zwischen allmälig ansteigenden Uferdämmen dahinfliesst, ein Um- stand, der jedes Austreten desselben zu einer das Land weit und breit verheeren- den Ueberschwemmung steigert.
Die Schiffahrt flussaufwärts nach New-Orleans bietet für Dampfer keine besondere Schwierigkeit, nur für Segelschiffe ist die Fahrt na- mentlich bei einzelnen scharfen Krümmungen mit eminenten Gefahren verbunden. Das Fahrwasser ist breit und gestattet gegenwärtig allen Handelsschiffen von 7 m Tauchung die Zufahrt. Es steht aber zu er- warten, dass die reissende Strömung im Südpasse eine selbst für die grössten Schiffe genügende Vertiefung der Mündung hervorbringen werde, und zwar hofft man eine Tiefe von mindestens 9 m zu er- langen.
Innerhalb des Deltas ist der Strom sehr wassermächtig und längs der Quaifront von New-Orleans erreicht er eine grösste Tiefe von 63 m.
Der ganze südliche Theil des Deltalandes bis zur militärischen
17*
New-Orleans.
Das Mississippi-Delta ist eine höchst interessante Naturerscheinung. Schon vor der Mündung des Red-River, 220 km landeinwärts des Deltas, entsendet der Vater der Flüsse zahlreiche Seitenarme (Bayou), welche das weite mit undurch- dringlichem Wald und Schilf bedeckte Küstengebiet durchziehen und dort mit- unter Seen und Sümpfe bilden. Das eigentliche Delta, d. i. die Spaltung des Stromes, beginnt jedoch, wie unser Plan zeigt, erst am äusseren Anschwemmungs- terrain, das am Südende einer 30 km langen schmalen Landzunge (Hals), sich ge- bildet hat.
Dort scheidet sich der Strom in drei Hauptarme (Passes), und zwar in den Ost-, in den Südwest- und den zwischen beiden liegenden Süd-Pass. Der Ostpass gabelt sich gleichfalls wieder in drei grosse Arme, und zwar in den Pass à l’Outre, Nordost- und Südost-Pass; er entsendet aber gleichwie die anderen Hauptarme noch einzelne Bayous zur See.
Früherer Zeit diente der Südwestpass für die grosse Schiffahrt, allein seit- dem die Wasserbauten im Südpass vollendet waren, ist der letztere zur aus- schliesslichen Benützung gelangt.
Durch Aufbau von Dämmen und Buhnen an der Deltagabelung (Head of Passes) zwang man den Strom, die grösste Wassermasse gegen den Südpass zu ergiessen; am Ende des letzteren aber wurden mit grossen Kosten zwei mächtige Dämme (Jetties) bis zur Barre hinaus in See geführt. Die gesteigerte Strömung spülte dann, wie es beabsichtigt war, in kurzer Zeit die 2 m seichte Barre hinweg und grub sich ein Bett von 7·3 m Tiefe, durch welches nun die Fahrstrasse nach New-Orleans führt.
Die genialen Pläne zu den vorerwähnten Bauten, welch letztere seither den stärksten Orkanen widerstanden, hatte Capitän James B. Eads, der Erbauer der Mississippi-Brücke bei St. Louis, entworfen.
Noch einer Eigenthümlichkeit des Stromes und dessen untersten Laufes sei hier gedacht. Durch die enormen Ablagerungen des Mississippi erhöhte sich mit der Zeit der Boden seines Bettes derartig über das flache Mündungsgebiet, dass der Strom heute zwischen allmälig ansteigenden Uferdämmen dahinfliesst, ein Um- stand, der jedes Austreten desselben zu einer das Land weit und breit verheeren- den Ueberschwemmung steigert.
Die Schiffahrt flussaufwärts nach New-Orleans bietet für Dampfer keine besondere Schwierigkeit, nur für Segelschiffe ist die Fahrt na- mentlich bei einzelnen scharfen Krümmungen mit eminenten Gefahren verbunden. Das Fahrwasser ist breit und gestattet gegenwärtig allen Handelsschiffen von 7 m Tauchung die Zufahrt. Es steht aber zu er- warten, dass die reissende Strömung im Südpasse eine selbst für die grössten Schiffe genügende Vertiefung der Mündung hervorbringen werde, und zwar hofft man eine Tiefe von mindestens 9 m zu er- langen.
Innerhalb des Deltas ist der Strom sehr wassermächtig und längs der Quaifront von New-Orleans erreicht er eine grösste Tiefe von 63 m.
Der ganze südliche Theil des Deltalandes bis zur militärischen
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New-Orleans.
Das Mississippi-Delta ist eine höchst interessante Naturerscheinung. Schon
vor der Mündung des Red-River, 220 km landeinwärts des Deltas, entsendet der
Vater der Flüsse zahlreiche Seitenarme (Bayou), welche das weite mit undurch-
dringlichem Wald und Schilf bedeckte Küstengebiet durchziehen und dort mit-
unter Seen und Sümpfe bilden. Das eigentliche Delta, d. i. die Spaltung des
Stromes, beginnt jedoch, wie unser Plan zeigt, erst am äusseren Anschwemmungs-
terrain, das am Südende einer 30 km langen schmalen Landzunge (Hals), sich ge-
bildet hat.
Dort scheidet sich der Strom in drei Hauptarme (Passes), und zwar in den
Ost-, in den Südwest- und den zwischen beiden liegenden Süd-Pass. Der Ostpass
gabelt sich gleichfalls wieder in drei grosse Arme, und zwar in den Pass à l’Outre,
Nordost- und Südost-Pass; er entsendet aber gleichwie die anderen Hauptarme
noch einzelne Bayous zur See.
Früherer Zeit diente der Südwestpass für die grosse Schiffahrt, allein seit-
dem die Wasserbauten im Südpass vollendet waren, ist der letztere zur aus-
schliesslichen Benützung gelangt.
Durch Aufbau von Dämmen und Buhnen an der Deltagabelung (Head of
Passes) zwang man den Strom, die grösste Wassermasse gegen den Südpass zu
ergiessen; am Ende des letzteren aber wurden mit grossen Kosten zwei mächtige
Dämme (Jetties) bis zur Barre hinaus in See geführt. Die gesteigerte Strömung
spülte dann, wie es beabsichtigt war, in kurzer Zeit die 2 m seichte Barre hinweg
und grub sich ein Bett von 7·3 m Tiefe, durch welches nun die Fahrstrasse nach
New-Orleans führt.
Die genialen Pläne zu den vorerwähnten Bauten, welch letztere seither den
stärksten Orkanen widerstanden, hatte Capitän James B. Eads, der Erbauer der
Mississippi-Brücke bei St. Louis, entworfen.
Noch einer Eigenthümlichkeit des Stromes und dessen untersten Laufes sei
hier gedacht. Durch die enormen Ablagerungen des Mississippi erhöhte sich mit
der Zeit der Boden seines Bettes derartig über das flache Mündungsgebiet, dass
der Strom heute zwischen allmälig ansteigenden Uferdämmen dahinfliesst, ein Um-
stand, der jedes Austreten desselben zu einer das Land weit und breit verheeren-
den Ueberschwemmung steigert.
Die Schiffahrt flussaufwärts nach New-Orleans bietet für Dampfer
keine besondere Schwierigkeit, nur für Segelschiffe ist die Fahrt na-
mentlich bei einzelnen scharfen Krümmungen mit eminenten Gefahren
verbunden. Das Fahrwasser ist breit und gestattet gegenwärtig allen
Handelsschiffen von 7 m Tauchung die Zufahrt. Es steht aber zu er-
warten, dass die reissende Strömung im Südpasse eine selbst für die
grössten Schiffe genügende Vertiefung der Mündung hervorbringen
werde, und zwar hofft man eine Tiefe von mindestens 9 m zu er-
langen.
Innerhalb des Deltas ist der Strom sehr wassermächtig und
längs der Quaifront von New-Orleans erreicht er eine grösste Tiefe
von 63 m.
Der ganze südliche Theil des Deltalandes bis zur militärischen
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/147>, abgerufen am 21.11.2024.
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