Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Die atlantische Küste von Amerika.
Stufen der Cibao-Kette. Desgleichen erstreckt sich östlich vom Ozama-
Fluss eine Ebene 30--40 km landeinwärts.

Die Stadt wurde 1496 von Bartholomäus Columbus gegründet;
1586 wurde sie von den Engländern unter Drake erobert und grossen-
theils verheert. Der Hafen der Stadt wird durch den Ozama-Fluss
selbst gebildet, welcher bis auf 3 Seemeilen von der Mündung eine
Tiefe von 31/2--8 m hat; der Hafen ist eng und kann der der Mün-
dung des Flusses vorliegenden Barre wegen, welche bei Ebbe bloss
3·5 m Tiefe hat, nur von Schiffen mittleren Tiefganges, und das nicht
ohne zur Einfahrt einen Lootsen zu nehmen, benützt werden. Grössere
Schiffe müssen auf der Rhede bleiben, woselbst das Ein- und Aus-
schiffen von Waaren grosse Schwierigkeiten macht, ja oft unmöglich
ist; auch in nautischer Hinsicht ist die Rhede verrufen und beson-
ders zur Zeit der Orkane und vom November bis Mai gefährlich.

Die Stadt ist allseits von einem Wall umgeben; einige verfallene
Forts und Bastionen vertheidigen die Einfahrt in den Hafen und die
Landseite. Die Strassen sind breit, regelmässig angelegt, aber schmutzig
und ungepflastert; die Häuser sind meist gut gebaut; unter ihnen
befinden sich viele grössere Gebäude, die noch von der Zeit der
spanischen Herrschaft herrühren, aber auch viele Ruinen, die von
den Kämpfen der vergangenen Zeiten und von den häufigen Erdbeben
Zeugniss ablegen. Sehr sehenswerth ist die auf der Plaza mayor ge-
legene, im gothischen Style erbaute Kathedrale mit einer schönen
Kuppel, welche die älteste der neuen Welt ist (sie wurde 1514--1540
erbaut) und in welcher Columbus' Gebeine bis 1794 aufbewahrt wurden,
in welch letzterem Jahre sie nach Habana überführt wurden. Im Jahre
1877 will man übrigens gelegentlich eines Umbaues in der Kathe-
drale in einer Bleicassette die echten Gebeine Colon's gefunden
haben, und man vermuthet, dass die nach Habana überführten einem
Verwandten des grossen Entdeckers angehören.

Von sonstigen Gebäuden sind noch erwähnenswerth das Gou-
vernementsgebäude, das Arsenal, das ehemalige Jesuitencollegium --
jetzt ein Militärmagazin und sehenswerth wegen seines schönen
Hochaltars und seiner Kuppel, nebst einer grossen Zahl meist ver-
fallener Kirchen.

Santo Domingo, welches 20.000 Einwohner hat, führt vor Allem
Zucker aus und steht als Handelsplatz hinter Puerto Plata zurück.

Puerto Plata liegt an der Nordküste und ist Sitz des Gouverne-
ments des Norddistrictes. Die Stadt hat einen halbkreisförmigen, ziem-
lich unsicheren Hafen von etwa 1/2 Seemeile Durchmesser. Puerto

Die atlantische Küste von Amerika.
Stufen der Cibao-Kette. Desgleichen erstreckt sich östlich vom Ozama-
Fluss eine Ebene 30—40 km landeinwärts.

Die Stadt wurde 1496 von Bartholomäus Columbus gegründet;
1586 wurde sie von den Engländern unter Drake erobert und grossen-
theils verheert. Der Hafen der Stadt wird durch den Ozama-Fluss
selbst gebildet, welcher bis auf 3 Seemeilen von der Mündung eine
Tiefe von 3½—8 m hat; der Hafen ist eng und kann der der Mün-
dung des Flusses vorliegenden Barre wegen, welche bei Ebbe bloss
3·5 m Tiefe hat, nur von Schiffen mittleren Tiefganges, und das nicht
ohne zur Einfahrt einen Lootsen zu nehmen, benützt werden. Grössere
Schiffe müssen auf der Rhede bleiben, woselbst das Ein- und Aus-
schiffen von Waaren grosse Schwierigkeiten macht, ja oft unmöglich
ist; auch in nautischer Hinsicht ist die Rhede verrufen und beson-
ders zur Zeit der Orkane und vom November bis Mai gefährlich.

Die Stadt ist allseits von einem Wall umgeben; einige verfallene
Forts und Bastionen vertheidigen die Einfahrt in den Hafen und die
Landseite. Die Strassen sind breit, regelmässig angelegt, aber schmutzig
und ungepflastert; die Häuser sind meist gut gebaut; unter ihnen
befinden sich viele grössere Gebäude, die noch von der Zeit der
spanischen Herrschaft herrühren, aber auch viele Ruinen, die von
den Kämpfen der vergangenen Zeiten und von den häufigen Erdbeben
Zeugniss ablegen. Sehr sehenswerth ist die auf der Plaza mayor ge-
legene, im gothischen Style erbaute Kathedrale mit einer schönen
Kuppel, welche die älteste der neuen Welt ist (sie wurde 1514—1540
erbaut) und in welcher Columbus’ Gebeine bis 1794 aufbewahrt wurden,
in welch letzterem Jahre sie nach Habana überführt wurden. Im Jahre
1877 will man übrigens gelegentlich eines Umbaues in der Kathe-
drale in einer Bleicassette die echten Gebeine Colon’s gefunden
haben, und man vermuthet, dass die nach Habana überführten einem
Verwandten des grossen Entdeckers angehören.

Von sonstigen Gebäuden sind noch erwähnenswerth das Gou-
vernementsgebäude, das Arsenal, das ehemalige Jesuitencollegium —
jetzt ein Militärmagazin und sehenswerth wegen seines schönen
Hochaltars und seiner Kuppel, nebst einer grossen Zahl meist ver-
fallener Kirchen.

Santo Domingo, welches 20.000 Einwohner hat, führt vor Allem
Zucker aus und steht als Handelsplatz hinter Puerto Plata zurück.

Puerto Plata liegt an der Nordküste und ist Sitz des Gouverne-
ments des Norddistrictes. Die Stadt hat einen halbkreisförmigen, ziem-
lich unsicheren Hafen von etwa ½ Seemeile Durchmesser. Puerto

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0216" n="200"/><fw place="top" type="header">Die atlantische Küste von Amerika.</fw><lb/>
Stufen der Cibao-Kette. Desgleichen erstreckt sich östlich vom Ozama-<lb/>
Fluss eine Ebene 30&#x2014;40 <hi rendition="#i">km</hi> landeinwärts.</p><lb/>
            <p>Die Stadt wurde 1496 von Bartholomäus Columbus gegründet;<lb/>
1586 wurde sie von den Engländern unter Drake erobert und grossen-<lb/>
theils verheert. Der Hafen der Stadt wird durch den Ozama-Fluss<lb/>
selbst gebildet, welcher bis auf 3 Seemeilen von der Mündung eine<lb/>
Tiefe von 3½&#x2014;8 <hi rendition="#i">m</hi> hat; der Hafen ist eng und kann der der Mün-<lb/>
dung des Flusses vorliegenden Barre wegen, welche bei Ebbe bloss<lb/>
3·5 <hi rendition="#i">m</hi> Tiefe hat, nur von Schiffen mittleren Tiefganges, und das nicht<lb/>
ohne zur Einfahrt einen Lootsen zu nehmen, benützt werden. Grössere<lb/>
Schiffe müssen auf der Rhede bleiben, woselbst das Ein- und Aus-<lb/>
schiffen von Waaren grosse Schwierigkeiten macht, ja oft unmöglich<lb/>
ist; auch in nautischer Hinsicht ist die Rhede verrufen und beson-<lb/>
ders zur Zeit der Orkane und vom November bis Mai gefährlich.</p><lb/>
            <p>Die Stadt ist allseits von einem Wall umgeben; einige verfallene<lb/>
Forts und Bastionen vertheidigen die Einfahrt in den Hafen und die<lb/>
Landseite. Die Strassen sind breit, regelmässig angelegt, aber schmutzig<lb/>
und ungepflastert; die Häuser sind meist gut gebaut; unter ihnen<lb/>
befinden sich viele grössere Gebäude, die noch von der Zeit der<lb/>
spanischen Herrschaft herrühren, aber auch viele Ruinen, die von<lb/>
den Kämpfen der vergangenen Zeiten und von den häufigen Erdbeben<lb/>
Zeugniss ablegen. Sehr sehenswerth ist die auf der Plaza mayor ge-<lb/>
legene, im gothischen Style erbaute Kathedrale mit einer schönen<lb/>
Kuppel, welche die älteste der neuen Welt ist (sie wurde 1514&#x2014;1540<lb/>
erbaut) und in welcher Columbus&#x2019; Gebeine bis 1794 aufbewahrt wurden,<lb/>
in welch letzterem Jahre sie nach Habana überführt wurden. Im Jahre<lb/>
1877 will man übrigens gelegentlich eines Umbaues in der Kathe-<lb/>
drale in einer Bleicassette die echten Gebeine Colon&#x2019;s gefunden<lb/>
haben, und man vermuthet, dass die nach Habana überführten einem<lb/>
Verwandten des grossen Entdeckers angehören.</p><lb/>
            <p>Von sonstigen Gebäuden sind noch erwähnenswerth das Gou-<lb/>
vernementsgebäude, das Arsenal, das ehemalige Jesuitencollegium &#x2014;<lb/>
jetzt ein Militärmagazin und sehenswerth wegen seines schönen<lb/>
Hochaltars und seiner Kuppel, nebst einer grossen Zahl meist ver-<lb/>
fallener Kirchen.</p><lb/>
            <p>Santo Domingo, welches 20.000 Einwohner hat, führt vor Allem<lb/>
Zucker aus und steht als Handelsplatz hinter Puerto Plata zurück.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Puerto Plata</hi> liegt an der Nordküste und ist Sitz des Gouverne-<lb/>
ments des Norddistrictes. Die Stadt hat einen halbkreisförmigen, ziem-<lb/>
lich unsicheren Hafen von etwa ½ Seemeile Durchmesser. Puerto<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0216] Die atlantische Küste von Amerika. Stufen der Cibao-Kette. Desgleichen erstreckt sich östlich vom Ozama- Fluss eine Ebene 30—40 km landeinwärts. Die Stadt wurde 1496 von Bartholomäus Columbus gegründet; 1586 wurde sie von den Engländern unter Drake erobert und grossen- theils verheert. Der Hafen der Stadt wird durch den Ozama-Fluss selbst gebildet, welcher bis auf 3 Seemeilen von der Mündung eine Tiefe von 3½—8 m hat; der Hafen ist eng und kann der der Mün- dung des Flusses vorliegenden Barre wegen, welche bei Ebbe bloss 3·5 m Tiefe hat, nur von Schiffen mittleren Tiefganges, und das nicht ohne zur Einfahrt einen Lootsen zu nehmen, benützt werden. Grössere Schiffe müssen auf der Rhede bleiben, woselbst das Ein- und Aus- schiffen von Waaren grosse Schwierigkeiten macht, ja oft unmöglich ist; auch in nautischer Hinsicht ist die Rhede verrufen und beson- ders zur Zeit der Orkane und vom November bis Mai gefährlich. Die Stadt ist allseits von einem Wall umgeben; einige verfallene Forts und Bastionen vertheidigen die Einfahrt in den Hafen und die Landseite. Die Strassen sind breit, regelmässig angelegt, aber schmutzig und ungepflastert; die Häuser sind meist gut gebaut; unter ihnen befinden sich viele grössere Gebäude, die noch von der Zeit der spanischen Herrschaft herrühren, aber auch viele Ruinen, die von den Kämpfen der vergangenen Zeiten und von den häufigen Erdbeben Zeugniss ablegen. Sehr sehenswerth ist die auf der Plaza mayor ge- legene, im gothischen Style erbaute Kathedrale mit einer schönen Kuppel, welche die älteste der neuen Welt ist (sie wurde 1514—1540 erbaut) und in welcher Columbus’ Gebeine bis 1794 aufbewahrt wurden, in welch letzterem Jahre sie nach Habana überführt wurden. Im Jahre 1877 will man übrigens gelegentlich eines Umbaues in der Kathe- drale in einer Bleicassette die echten Gebeine Colon’s gefunden haben, und man vermuthet, dass die nach Habana überführten einem Verwandten des grossen Entdeckers angehören. Von sonstigen Gebäuden sind noch erwähnenswerth das Gou- vernementsgebäude, das Arsenal, das ehemalige Jesuitencollegium — jetzt ein Militärmagazin und sehenswerth wegen seines schönen Hochaltars und seiner Kuppel, nebst einer grossen Zahl meist ver- fallener Kirchen. Santo Domingo, welches 20.000 Einwohner hat, führt vor Allem Zucker aus und steht als Handelsplatz hinter Puerto Plata zurück. Puerto Plata liegt an der Nordküste und ist Sitz des Gouverne- ments des Norddistrictes. Die Stadt hat einen halbkreisförmigen, ziem- lich unsicheren Hafen von etwa ½ Seemeile Durchmesser. Puerto

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/216
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/216>, abgerufen am 24.11.2024.