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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Westindische Häfen.

Die Eingeborenen, deren Zahl für die Zeit der Entdeckung mit circa
600.000 angegeben wird, erfreuten sich im Anfange einer relativen Schonung,
erlitten jedoch bald dasselbe Schicksal wie ihre Brüder auf den anderen von den
Spaniern in Besitz genommenen Inseln.

Einem kleinen Reste derselben gelang es jedoch, als in der Mitte des XVI. Jahr-
hunderts der blutigen Wirren wegen die Insel für längere Zeit von den Spaniern
verlassen wurde, sich zu erhalten und, wie wir später sehen werden, ihr Blut bis
auf den heutigen Tag, wenn auch nur als Mischung zum weissen, zu vererben.

Gegen Ende des XVI. Jahrhunderts begann die Colonie durch Zuzug von
Ansiedlern ziemlichen Aufschwung zu nehmen; bis 1763 war sie aber so ziemlich
sich selbst überlassen. Erst von diesem Jahre an begann die spanische Regierung
sich für Portorico zu interessiren und erliess in der Folge eine Reihe von Ver-
fügungen, insbesondere mit Absicht auf Förderung der Einwanderung und Be-
freiung des Handelsverkehres von den drückendsten Fesseln, welche das Prospe-
riren der Colonie mächtig förderten, so dass Portorico zu Ende des vorigen und
Anfangs dieses Jahrhunderts ähnlich wie Cuba, wenn auch nicht in demselben
Masse, eine Periode hohen Wohlstandes zu verzeichnen hatte.

Seither haben sich die ungünstigen Verhältnisse des Weltmarktes für
Colonialproducte, welche nebst anderen Umständen auf allen westindischen Inseln
eine Bewegung in absteigender Linie verursacht haben, freilich auch auf Porto-
rico fühlbar gemacht; allein da letztere Insel sich relativ ruhiger und geordneter
innerer Zustände erfreute und auch die erst 1873 erfolgte Aufhebung der Sclaverei,
dank dem starken Ueberwiegen der Weissen und Mulatten über die Neger, sich
nur wenig fühlbar machen konnte, endlich auch die Bevölkerung sich fortwährend
in ziemlich starker Progression vermehrte und noch vermehrt, so trat auch ein
eigentlicher Stillstand auf Portorico nicht ein, vielmehr hat sich Production und
Handel auch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts langsam, aber sichtlich
erhoben.

Portorico ist seit seiner ersten Besitzergreifung ununterbrochen unter der
Herrschaft Spaniens geblieben.

Wohl war die Colonie im XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert mehrmals
von Engländern, Franzosen, Holländern und von den Flibustiern angegriffen worden,
doch gelang es denselben nie, dauernd festen Fuss auf der Insel zu fassen. Als
dann zu Anfang des XVII. Jahrhunderts die Hauptstadt San Juan stark befestigt
wurde, wurden die feindlichen Angriffe, welche sich naturgemäss immer gegen
diesen Punkt richteten, regelmässig zurückgeschlagen.

Die Bevölkerung Portoricos betrug 1887 813.937 Seelen, was
85 Bewohner auf den Quadratkilometer gibt. Ist sonach schon die
Dichtigkeit der Bevölkerung auf Portorico eine weit grössere als auf
irgend einer anderen der grossen Antillen, so gestaltet sich dieses
Verhältniss noch günstiger, wenn man die Zusammensetzung der Be-
völkerung in Betracht zieht; denn mehr als die Hälfte sind Weisse, von
dem Reste sind mehr als zwei Drittel Mulatten und kaum ein Drittel
Neger. Der von Natur arbeitsscheue Theil der Bevölkerung bildet also
hier nur einen kleinen Bruchtheil, wobei bemerkt werden muss, dass auf
Portorico die Neger, weil eben durch die Concurrenz an Arbeitskräften

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Westindische Häfen.

Die Eingeborenen, deren Zahl für die Zeit der Entdeckung mit circa
600.000 angegeben wird, erfreuten sich im Anfange einer relativen Schonung,
erlitten jedoch bald dasselbe Schicksal wie ihre Brüder auf den anderen von den
Spaniern in Besitz genommenen Inseln.

Einem kleinen Reste derselben gelang es jedoch, als in der Mitte des XVI. Jahr-
hunderts der blutigen Wirren wegen die Insel für längere Zeit von den Spaniern
verlassen wurde, sich zu erhalten und, wie wir später sehen werden, ihr Blut bis
auf den heutigen Tag, wenn auch nur als Mischung zum weissen, zu vererben.

Gegen Ende des XVI. Jahrhunderts begann die Colonie durch Zuzug von
Ansiedlern ziemlichen Aufschwung zu nehmen; bis 1763 war sie aber so ziemlich
sich selbst überlassen. Erst von diesem Jahre an begann die spanische Regierung
sich für Portorico zu interessiren und erliess in der Folge eine Reihe von Ver-
fügungen, insbesondere mit Absicht auf Förderung der Einwanderung und Be-
freiung des Handelsverkehres von den drückendsten Fesseln, welche das Prospe-
riren der Colonie mächtig förderten, so dass Portorico zu Ende des vorigen und
Anfangs dieses Jahrhunderts ähnlich wie Cuba, wenn auch nicht in demselben
Masse, eine Periode hohen Wohlstandes zu verzeichnen hatte.

Seither haben sich die ungünstigen Verhältnisse des Weltmarktes für
Colonialproducte, welche nebst anderen Umständen auf allen westindischen Inseln
eine Bewegung in absteigender Linie verursacht haben, freilich auch auf Porto-
rico fühlbar gemacht; allein da letztere Insel sich relativ ruhiger und geordneter
innerer Zustände erfreute und auch die erst 1873 erfolgte Aufhebung der Sclaverei,
dank dem starken Ueberwiegen der Weissen und Mulatten über die Neger, sich
nur wenig fühlbar machen konnte, endlich auch die Bevölkerung sich fortwährend
in ziemlich starker Progression vermehrte und noch vermehrt, so trat auch ein
eigentlicher Stillstand auf Portorico nicht ein, vielmehr hat sich Production und
Handel auch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts langsam, aber sichtlich
erhoben.

Portorico ist seit seiner ersten Besitzergreifung ununterbrochen unter der
Herrschaft Spaniens geblieben.

Wohl war die Colonie im XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert mehrmals
von Engländern, Franzosen, Holländern und von den Flibustiern angegriffen worden,
doch gelang es denselben nie, dauernd festen Fuss auf der Insel zu fassen. Als
dann zu Anfang des XVII. Jahrhunderts die Hauptstadt San Juan stark befestigt
wurde, wurden die feindlichen Angriffe, welche sich naturgemäss immer gegen
diesen Punkt richteten, regelmässig zurückgeschlagen.

Die Bevölkerung Portoricos betrug 1887 813.937 Seelen, was
85 Bewohner auf den Quadratkilometer gibt. Ist sonach schon die
Dichtigkeit der Bevölkerung auf Portorico eine weit grössere als auf
irgend einer anderen der grossen Antillen, so gestaltet sich dieses
Verhältniss noch günstiger, wenn man die Zusammensetzung der Be-
völkerung in Betracht zieht; denn mehr als die Hälfte sind Weisse, von
dem Reste sind mehr als zwei Drittel Mulatten und kaum ein Drittel
Neger. Der von Natur arbeitsscheue Theil der Bevölkerung bildet also
hier nur einen kleinen Bruchtheil, wobei bemerkt werden muss, dass auf
Portorico die Neger, weil eben durch die Concurrenz an Arbeitskräften

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[203/0219] Westindische Häfen. Die Eingeborenen, deren Zahl für die Zeit der Entdeckung mit circa 600.000 angegeben wird, erfreuten sich im Anfange einer relativen Schonung, erlitten jedoch bald dasselbe Schicksal wie ihre Brüder auf den anderen von den Spaniern in Besitz genommenen Inseln. Einem kleinen Reste derselben gelang es jedoch, als in der Mitte des XVI. Jahr- hunderts der blutigen Wirren wegen die Insel für längere Zeit von den Spaniern verlassen wurde, sich zu erhalten und, wie wir später sehen werden, ihr Blut bis auf den heutigen Tag, wenn auch nur als Mischung zum weissen, zu vererben. Gegen Ende des XVI. Jahrhunderts begann die Colonie durch Zuzug von Ansiedlern ziemlichen Aufschwung zu nehmen; bis 1763 war sie aber so ziemlich sich selbst überlassen. Erst von diesem Jahre an begann die spanische Regierung sich für Portorico zu interessiren und erliess in der Folge eine Reihe von Ver- fügungen, insbesondere mit Absicht auf Förderung der Einwanderung und Be- freiung des Handelsverkehres von den drückendsten Fesseln, welche das Prospe- riren der Colonie mächtig förderten, so dass Portorico zu Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts ähnlich wie Cuba, wenn auch nicht in demselben Masse, eine Periode hohen Wohlstandes zu verzeichnen hatte. Seither haben sich die ungünstigen Verhältnisse des Weltmarktes für Colonialproducte, welche nebst anderen Umständen auf allen westindischen Inseln eine Bewegung in absteigender Linie verursacht haben, freilich auch auf Porto- rico fühlbar gemacht; allein da letztere Insel sich relativ ruhiger und geordneter innerer Zustände erfreute und auch die erst 1873 erfolgte Aufhebung der Sclaverei, dank dem starken Ueberwiegen der Weissen und Mulatten über die Neger, sich nur wenig fühlbar machen konnte, endlich auch die Bevölkerung sich fortwährend in ziemlich starker Progression vermehrte und noch vermehrt, so trat auch ein eigentlicher Stillstand auf Portorico nicht ein, vielmehr hat sich Production und Handel auch in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts langsam, aber sichtlich erhoben. Portorico ist seit seiner ersten Besitzergreifung ununterbrochen unter der Herrschaft Spaniens geblieben. Wohl war die Colonie im XVI., XVII. und XVIII. Jahrhundert mehrmals von Engländern, Franzosen, Holländern und von den Flibustiern angegriffen worden, doch gelang es denselben nie, dauernd festen Fuss auf der Insel zu fassen. Als dann zu Anfang des XVII. Jahrhunderts die Hauptstadt San Juan stark befestigt wurde, wurden die feindlichen Angriffe, welche sich naturgemäss immer gegen diesen Punkt richteten, regelmässig zurückgeschlagen. Die Bevölkerung Portoricos betrug 1887 813.937 Seelen, was 85 Bewohner auf den Quadratkilometer gibt. Ist sonach schon die Dichtigkeit der Bevölkerung auf Portorico eine weit grössere als auf irgend einer anderen der grossen Antillen, so gestaltet sich dieses Verhältniss noch günstiger, wenn man die Zusammensetzung der Be- völkerung in Betracht zieht; denn mehr als die Hälfte sind Weisse, von dem Reste sind mehr als zwei Drittel Mulatten und kaum ein Drittel Neger. Der von Natur arbeitsscheue Theil der Bevölkerung bildet also hier nur einen kleinen Bruchtheil, wobei bemerkt werden muss, dass auf Portorico die Neger, weil eben durch die Concurrenz an Arbeitskräften 26*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/219>, abgerufen am 24.11.2024.