Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Panama-Canal*).

Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass Amerika in seiner
14.000 km langen Cordillere nicht nur das längste, sondern auch das
mächtigste Kettengebirge der Erde besitzt. Die Höhe dieses Riesen-
gebirges, welche sowohl in Nord- als Südamerika in vielen Punkten
6000 m übersteigt, wird nur im Himalaya übertroffen.

Der vom nördlichen bis fast zum südlichen Eismeere breit hin-
gelagerte Gebirgswall zeigt in der Landenge von Darien eine merk-
würdige Unterbrechung zweifacher Art. Erstens verengert sich der an
vielen Stellen mehrere tausend englische Meilen breite Continent zu
einem Terrain von nur 74 km und zweitens senkt sich die Kammhöhe
der Cordillere im Charakter der Hügellandschaft bis 100 m herab.

Ein glücklicher Zufall führte schon im Anfange des XVI. Jahr-
hunderts die land- und goldgierigen spanischen Entdecker an diese
merkwürdige Stelle Amerikas. 1513 überschritt Nunez de Balbao,
einer der verwegensten unter den Conquistadoren, mit 190 abenteuer-
lustigen Spaniern beiläufig auf derselben Linie, wo jetzt der Canal
gebaut werden soll, die Landenge und war somit der erste Europäer,
dessen Augen die Fluten des Grossen Oceans erblickten.

Die Spanier erkannten bald den commerziellen sowie strategi-
schen Werth dieser Landenge. Sie legten einen Maulthierweg über
dieselbe an und gründeten 1521 am Grossen Ocean die Stadt
Panama
, welche durch volle 300 Jahre, bis 1821, in welchem Jahre
die spanisch-amerikanischen Colonien die Fremdherrschaft abschüttelten,
ein Hauptstützpunkt ihrer Macht blieb. Von hier aus unternahm der
kühne Franz Pizarro, ein Genosse des Balbao, seine epochemachende
Eroberung von Peru (1530); und von da liefen auch spanische Ver-
bindungen nordwärts nach Centralamerika und Mexico.


*) Die Zeit der Abfassung des vorliegenden Abschnittes fällt in den Monat
März 1891.
Der Panama-Canal*).

Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass Amerika in seiner
14.000 km langen Cordillere nicht nur das längste, sondern auch das
mächtigste Kettengebirge der Erde besitzt. Die Höhe dieses Riesen-
gebirges, welche sowohl in Nord- als Südamerika in vielen Punkten
6000 m übersteigt, wird nur im Himalaya übertroffen.

Der vom nördlichen bis fast zum südlichen Eismeere breit hin-
gelagerte Gebirgswall zeigt in der Landenge von Darien eine merk-
würdige Unterbrechung zweifacher Art. Erstens verengert sich der an
vielen Stellen mehrere tausend englische Meilen breite Continent zu
einem Terrain von nur 74 km und zweitens senkt sich die Kammhöhe
der Cordillere im Charakter der Hügellandschaft bis 100 m herab.

Ein glücklicher Zufall führte schon im Anfange des XVI. Jahr-
hunderts die land- und goldgierigen spanischen Entdecker an diese
merkwürdige Stelle Amerikas. 1513 überschritt Nunez de Balbao,
einer der verwegensten unter den Conquistadoren, mit 190 abenteuer-
lustigen Spaniern beiläufig auf derselben Linie, wo jetzt der Canal
gebaut werden soll, die Landenge und war somit der erste Europäer,
dessen Augen die Fluten des Grossen Oceans erblickten.

Die Spanier erkannten bald den commerziellen sowie strategi-
schen Werth dieser Landenge. Sie legten einen Maulthierweg über
dieselbe an und gründeten 1521 am Grossen Ocean die Stadt
Panama
, welche durch volle 300 Jahre, bis 1821, in welchem Jahre
die spanisch-amerikanischen Colonien die Fremdherrschaft abschüttelten,
ein Hauptstützpunkt ihrer Macht blieb. Von hier aus unternahm der
kühne Franz Pizarro, ein Genosse des Balbao, seine epochemachende
Eroberung von Peru (1530); und von da liefen auch spanische Ver-
bindungen nordwärts nach Centralamerika und Mexico.


*) Die Zeit der Abfassung des vorliegenden Abschnittes fällt in den Monat
März 1891.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0234" n="[218]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Der Panama-Canal</hi><note place="foot" n="*)">Die Zeit der Abfassung des vorliegenden Abschnittes fällt in den Monat<lb/>
März 1891.</note>.</head><lb/>
          <p>Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass Amerika in seiner<lb/>
14.000 <hi rendition="#i">km</hi> langen Cordillere nicht nur das längste, sondern auch das<lb/>
mächtigste Kettengebirge der Erde besitzt. Die Höhe dieses Riesen-<lb/>
gebirges, welche sowohl in Nord- als Südamerika in vielen Punkten<lb/>
6000 <hi rendition="#i">m</hi> übersteigt, wird nur im Himalaya übertroffen.</p><lb/>
          <p>Der vom nördlichen bis fast zum südlichen Eismeere breit hin-<lb/>
gelagerte Gebirgswall zeigt in der Landenge von Darien eine merk-<lb/>
würdige Unterbrechung zweifacher Art. Erstens verengert sich der an<lb/>
vielen Stellen mehrere tausend englische Meilen breite Continent zu<lb/>
einem Terrain von nur 74 <hi rendition="#i">km</hi> und zweitens senkt sich die Kammhöhe<lb/>
der Cordillere im Charakter der Hügellandschaft bis 100 <hi rendition="#i">m</hi> herab.</p><lb/>
          <p>Ein glücklicher Zufall führte schon im Anfange des XVI. Jahr-<lb/>
hunderts die land- und goldgierigen spanischen Entdecker an diese<lb/>
merkwürdige Stelle Amerikas. 1513 überschritt <hi rendition="#g">Nunez de Balbao</hi>,<lb/>
einer der verwegensten unter den Conquistadoren, mit 190 abenteuer-<lb/>
lustigen Spaniern beiläufig auf derselben Linie, wo jetzt der Canal<lb/>
gebaut werden soll, die Landenge und war somit der erste Europäer,<lb/>
dessen Augen die Fluten des Grossen Oceans erblickten.</p><lb/>
          <p>Die Spanier erkannten bald den commerziellen sowie strategi-<lb/>
schen Werth dieser Landenge. Sie legten einen Maulthierweg über<lb/>
dieselbe an <hi rendition="#g">und gründeten 1521 am Grossen Ocean die Stadt<lb/>
Panama</hi>, welche durch volle 300 Jahre, bis 1821, in welchem Jahre<lb/>
die spanisch-amerikanischen Colonien die Fremdherrschaft abschüttelten,<lb/>
ein Hauptstützpunkt ihrer Macht blieb. Von hier aus unternahm der<lb/>
kühne Franz <hi rendition="#g">Pizarro</hi>, ein Genosse des Balbao, seine epochemachende<lb/>
Eroberung von Peru (1530); und von da liefen auch spanische Ver-<lb/>
bindungen nordwärts nach Centralamerika und Mexico.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[218]/0234] Der Panama-Canal *). Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass Amerika in seiner 14.000 km langen Cordillere nicht nur das längste, sondern auch das mächtigste Kettengebirge der Erde besitzt. Die Höhe dieses Riesen- gebirges, welche sowohl in Nord- als Südamerika in vielen Punkten 6000 m übersteigt, wird nur im Himalaya übertroffen. Der vom nördlichen bis fast zum südlichen Eismeere breit hin- gelagerte Gebirgswall zeigt in der Landenge von Darien eine merk- würdige Unterbrechung zweifacher Art. Erstens verengert sich der an vielen Stellen mehrere tausend englische Meilen breite Continent zu einem Terrain von nur 74 km und zweitens senkt sich die Kammhöhe der Cordillere im Charakter der Hügellandschaft bis 100 m herab. Ein glücklicher Zufall führte schon im Anfange des XVI. Jahr- hunderts die land- und goldgierigen spanischen Entdecker an diese merkwürdige Stelle Amerikas. 1513 überschritt Nunez de Balbao, einer der verwegensten unter den Conquistadoren, mit 190 abenteuer- lustigen Spaniern beiläufig auf derselben Linie, wo jetzt der Canal gebaut werden soll, die Landenge und war somit der erste Europäer, dessen Augen die Fluten des Grossen Oceans erblickten. Die Spanier erkannten bald den commerziellen sowie strategi- schen Werth dieser Landenge. Sie legten einen Maulthierweg über dieselbe an und gründeten 1521 am Grossen Ocean die Stadt Panama, welche durch volle 300 Jahre, bis 1821, in welchem Jahre die spanisch-amerikanischen Colonien die Fremdherrschaft abschüttelten, ein Hauptstützpunkt ihrer Macht blieb. Von hier aus unternahm der kühne Franz Pizarro, ein Genosse des Balbao, seine epochemachende Eroberung von Peru (1530); und von da liefen auch spanische Ver- bindungen nordwärts nach Centralamerika und Mexico. *) Die Zeit der Abfassung des vorliegenden Abschnittes fällt in den Monat März 1891.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/234
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [218]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/234>, abgerufen am 24.11.2024.