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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
Vanderbilt im Ernste nie. Er begnügte sich, mittelst Dampfern die
"Californier", welche zwischen 1850 und 1856 zu Tausenden herbei-
strömten, den San Juan und den Nicaraguasee hinauf und mittelst
Postwagen die westliche Cordillere nach dem Hafen San Juan del
Sur hinab zu befördern. Die Bediensteten dieser nordamerikanischen
Gesellschaft benahmen sich in Nicaragua wie Flibustier. Die Com-
pagnie hielt ihre Verträge in keiner Weise ein, so dass ihr 1856 auf
Befehl der Regierung von Nicaragua wegen rückständiger 350.000
Dollars alle Schiffe und Wagen gepfändet und ihr Privilegium als
verwirkt erklärt wurde.

Die 1882 gegründete Nicaragua-Canal-Gesellschaft hat mit dieser alten
Compagnie nur gemein, dass an ihr auch amerikanisches Capital betheiligt ist.
Sie will auch den Canal nicht durch den Managuasee, sondern direct aus dem
Nicaraguasee nach Brito am Grossen Ocean führen, das etwas nördlich von dem
eben genannten San Juan del Sur liegt.

Man hat 1890 an den Mündungsstellen bei San Juan de Nicaragua
(Greytown)
am Karaibischen Meere und bei Brito an der pacifischen Seite mit
Baggerung und Schüttung langer Dämme begonnen, um so Hafenanlagen zu
schaffen.

Nach der jetzt definitiv angenommenen Trace soll der Nicaragua-Canal eine
Länge von 310 km erhalten; hievon entfallen auf den Fluss San Juan und den
Nicaraguasee 195 km, 34 km werden von angestauten Becken gebildet werden,
45 km sind bis zu einer Tiefe von 80 m in das Terrain einzuschneiden. Auf beiden
Seiten des Nicaraguasees sollen je 3 Schleussen von 11 m Gefälle nahe den Mün-
dungen in die Meere erbaut werden. Die Baukosten sind auf 100 Millionen Dollars,
die Bauzeit auf 6 Jahre angenommen.

Dieser im Wesen höchst überflüssigen Kämpfe freute sich Nie-
mand mehr als die 1856 fertig gewordene Panamabahn, welche durch
dieselben geradezu ein Monopol erlangte.

Dass man 1880 an die endliche Realisirung des Panama-Canales
ging, muss in erster Linie dem wirklich unerwarteten Erfolge, den
der Suez-Canal errang, zugeschrieben werden. Für solche grosse
finanzielle Unternehmungen gilt ewig der Satz der alten Römer:
"Verba movent, exempla trahunt". Der Suez-Canal, dem selbst ge-
wiegte Handelsgeographen und Marineure jede Zukunft absprachen,
zahlt Dividenden, welche den Cours der Actien auf dem Vierfachen
des Nominalwerthes halten, und hat viele verspottete, aber gläubige
Actionäre nach Jahren der Enttäuschung und Kämpfe zu sehr reichen
Leuten, manche zu Millionären gemacht. Darum kaufte auch der
kleine französische Particulier, der für exotische Papiere schwärmt,
Panama-Actien.

Der zweite, nicht minder wichtige Umstand, welcher dem

Die atlantische Küste von Amerika.
Vanderbilt im Ernste nie. Er begnügte sich, mittelst Dampfern die
„Californier“, welche zwischen 1850 und 1856 zu Tausenden herbei-
strömten, den San Juan und den Nicaraguasee hinauf und mittelst
Postwagen die westliche Cordillere nach dem Hafen San Juan del
Sur hinab zu befördern. Die Bediensteten dieser nordamerikanischen
Gesellschaft benahmen sich in Nicaragua wie Flibustier. Die Com-
pagnie hielt ihre Verträge in keiner Weise ein, so dass ihr 1856 auf
Befehl der Regierung von Nicaragua wegen rückständiger 350.000
Dollars alle Schiffe und Wagen gepfändet und ihr Privilegium als
verwirkt erklärt wurde.

Die 1882 gegründete Nicaragua-Canal-Gesellschaft hat mit dieser alten
Compagnie nur gemein, dass an ihr auch amerikanisches Capital betheiligt ist.
Sie will auch den Canal nicht durch den Managuasee, sondern direct aus dem
Nicaraguasee nach Brito am Grossen Ocean führen, das etwas nördlich von dem
eben genannten San Juan del Sur liegt.

Man hat 1890 an den Mündungsstellen bei San Juan de Nicaragua
(Greytown)
am Karaibischen Meere und bei Brito an der pacifischen Seite mit
Baggerung und Schüttung langer Dämme begonnen, um so Hafenanlagen zu
schaffen.

Nach der jetzt definitiv angenommenen Trace soll der Nicaragua-Canal eine
Länge von 310 km erhalten; hievon entfallen auf den Fluss San Juan und den
Nicaraguasee 195 km, 34 km werden von angestauten Becken gebildet werden,
45 km sind bis zu einer Tiefe von 80 m in das Terrain einzuschneiden. Auf beiden
Seiten des Nicaraguasees sollen je 3 Schleussen von 11 m Gefälle nahe den Mün-
dungen in die Meere erbaut werden. Die Baukosten sind auf 100 Millionen Dollars,
die Bauzeit auf 6 Jahre angenommen.

Dieser im Wesen höchst überflüssigen Kämpfe freute sich Nie-
mand mehr als die 1856 fertig gewordene Panamabahn, welche durch
dieselben geradezu ein Monopol erlangte.

Dass man 1880 an die endliche Realisirung des Panama-Canales
ging, muss in erster Linie dem wirklich unerwarteten Erfolge, den
der Suez-Canal errang, zugeschrieben werden. Für solche grosse
finanzielle Unternehmungen gilt ewig der Satz der alten Römer:
„Verba movent, exempla trahunt“. Der Suez-Canal, dem selbst ge-
wiegte Handelsgeographen und Marineure jede Zukunft absprachen,
zahlt Dividenden, welche den Cours der Actien auf dem Vierfachen
des Nominalwerthes halten, und hat viele verspottete, aber gläubige
Actionäre nach Jahren der Enttäuschung und Kämpfe zu sehr reichen
Leuten, manche zu Millionären gemacht. Darum kaufte auch der
kleine französische Particulier, der für exotische Papiere schwärmt,
Panama-Actien.

Der zweite, nicht minder wichtige Umstand, welcher dem

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[222/0238] Die atlantische Küste von Amerika. Vanderbilt im Ernste nie. Er begnügte sich, mittelst Dampfern die „Californier“, welche zwischen 1850 und 1856 zu Tausenden herbei- strömten, den San Juan und den Nicaraguasee hinauf und mittelst Postwagen die westliche Cordillere nach dem Hafen San Juan del Sur hinab zu befördern. Die Bediensteten dieser nordamerikanischen Gesellschaft benahmen sich in Nicaragua wie Flibustier. Die Com- pagnie hielt ihre Verträge in keiner Weise ein, so dass ihr 1856 auf Befehl der Regierung von Nicaragua wegen rückständiger 350.000 Dollars alle Schiffe und Wagen gepfändet und ihr Privilegium als verwirkt erklärt wurde. Die 1882 gegründete Nicaragua-Canal-Gesellschaft hat mit dieser alten Compagnie nur gemein, dass an ihr auch amerikanisches Capital betheiligt ist. Sie will auch den Canal nicht durch den Managuasee, sondern direct aus dem Nicaraguasee nach Brito am Grossen Ocean führen, das etwas nördlich von dem eben genannten San Juan del Sur liegt. Man hat 1890 an den Mündungsstellen bei San Juan de Nicaragua (Greytown) am Karaibischen Meere und bei Brito an der pacifischen Seite mit Baggerung und Schüttung langer Dämme begonnen, um so Hafenanlagen zu schaffen. Nach der jetzt definitiv angenommenen Trace soll der Nicaragua-Canal eine Länge von 310 km erhalten; hievon entfallen auf den Fluss San Juan und den Nicaraguasee 195 km, 34 km werden von angestauten Becken gebildet werden, 45 km sind bis zu einer Tiefe von 80 m in das Terrain einzuschneiden. Auf beiden Seiten des Nicaraguasees sollen je 3 Schleussen von 11 m Gefälle nahe den Mün- dungen in die Meere erbaut werden. Die Baukosten sind auf 100 Millionen Dollars, die Bauzeit auf 6 Jahre angenommen. Dieser im Wesen höchst überflüssigen Kämpfe freute sich Nie- mand mehr als die 1856 fertig gewordene Panamabahn, welche durch dieselben geradezu ein Monopol erlangte. Dass man 1880 an die endliche Realisirung des Panama-Canales ging, muss in erster Linie dem wirklich unerwarteten Erfolge, den der Suez-Canal errang, zugeschrieben werden. Für solche grosse finanzielle Unternehmungen gilt ewig der Satz der alten Römer: „Verba movent, exempla trahunt“. Der Suez-Canal, dem selbst ge- wiegte Handelsgeographen und Marineure jede Zukunft absprachen, zahlt Dividenden, welche den Cours der Actien auf dem Vierfachen des Nominalwerthes halten, und hat viele verspottete, aber gläubige Actionäre nach Jahren der Enttäuschung und Kämpfe zu sehr reichen Leuten, manche zu Millionären gemacht. Darum kaufte auch der kleine französische Particulier, der für exotische Papiere schwärmt, Panama-Actien. Der zweite, nicht minder wichtige Umstand, welcher dem

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/238>, abgerufen am 24.11.2024.