Zu den hervorragendsten Städten Cochinchinas gehört Saigon, der Sitz der französischen Regierungsbehörden. Der Name der Stadt wird von zwei annamitischen Worten abgeleitet, die eine Art von Baumwollstauden bezeichnen, welche von den Eingeborenen um ihre Erdbefestigungen gepflanzt wurden. Seinerzeit hiess eine in der Nähe gelegene chinesische Stadt Cholon-Saigon; im Laufe der Begeben- heiten fand der Name für das annamitische Dorf Anwendung, an dessen Stelle sich jetzt die Stadt erhebt.
Traditionen zufolge war Saigon einstens eine rein annamitische Ortschaft; von eingewanderten Chinesen, die sich der zweiten Tartarendynastie nicht unter- werfen wollten, wurde die Stadt zum Ansiedlungsorte gewählt. Der annamitische König Gia-Long, 1777 durch die Taysons-Revolution vertrieben, schloss 1787 ein Schutz- und Trutzbündniss mit Frankreich. Später (etwa 1799) liess sich Gia- Long zum Kaiser ausrufen. Er verlegte in den Tagen seiner Bedräugniss (1789) seine ständige Residenz nach Saigon und erst im Jahve 1811 wieder nach Hue, der früheren Hauptstadt seines mittlerweile zurückeroberten Reiches. Die Einge- borenen nennen die Stadt seither Gia-Dinh. Im Jahre 1790 durch Oberst Ollivier, einen in annamitischen Diensten befindlichen Franzosen befestigt, wurde Saigon 1859 durch Admiral Rigault de Genouilly eingenommen. Es blieb seit- dem Hauptstadt der seit 1862 als Cochinchine Francaise an Frankreich abgetre- tenen Provinzen und wurde 1884 nach der umfangreichen Erweiterung des fran- zösischen Gebietes in Hinterindien Sitz des General-Gouverneurs und der Central- behörden von Indo-China.
Saigon liegt am gemeinschaftlichen Delta des Dong-Nai und des Saigonflusses, und zwar am rechten Ufer des letzteren, und ist, wenngleich ungefähr 60 km von der Flussmündung entfernt, Dank der Tiefe seiner Wasserstrasse ein wichtiger Hafen- und Handelsplatz geworden. Zur Hebung der Stadt wurde unter der französischen Herr- schaft Bedeutendes geleistet; die Sümpfe in der Umgebung wurden ausgetrocknet, die Canäle regulirt und entsprechend vertieft. Vor kaum dreissig Jahren noch ein unansehnlicher Ort, ist Saigon heutzutage eine freundliche und wohlhabende Stadt mit zahlreichen schönen und zweckmässigen Bauten und von fast europäischem Aussehen.
Saigon.
Zu den hervorragendsten Städten Cochinchinas gehört Saigon, der Sitz der französischen Regierungsbehörden. Der Name der Stadt wird von zwei annamitischen Worten abgeleitet, die eine Art von Baumwollstauden bezeichnen, welche von den Eingeborenen um ihre Erdbefestigungen gepflanzt wurden. Seinerzeit hiess eine in der Nähe gelegene chinesische Stadt Cholon-Saigon; im Laufe der Begeben- heiten fand der Name für das annamitische Dorf Anwendung, an dessen Stelle sich jetzt die Stadt erhebt.
Traditionen zufolge war Saigon einstens eine rein annamitische Ortschaft; von eingewanderten Chinesen, die sich der zweiten Tartarendynastie nicht unter- werfen wollten, wurde die Stadt zum Ansiedlungsorte gewählt. Der annamitische König Gia-Long, 1777 durch die Taysons-Revolution vertrieben, schloss 1787 ein Schutz- und Trutzbündniss mit Frankreich. Später (etwa 1799) liess sich Gia- Long zum Kaiser ausrufen. Er verlegte in den Tagen seiner Bedräugniss (1789) seine ständige Residenz nach Saigon und erst im Jahve 1811 wieder nach Hué, der früheren Hauptstadt seines mittlerweile zurückeroberten Reiches. Die Einge- borenen nennen die Stadt seither Gia-Dinh. Im Jahre 1790 durch Oberst Ollivier, einen in annamitischen Diensten befindlichen Franzosen befestigt, wurde Saigon 1859 durch Admiral Rigault de Genouilly eingenommen. Es blieb seit- dem Hauptstadt der seit 1862 als Cochinchine Française an Frankreich abgetre- tenen Provinzen und wurde 1884 nach der umfangreichen Erweiterung des fran- zösischen Gebietes in Hinterindien Sitz des General-Gouverneurs und der Central- behörden von Indo-China.
Saigon liegt am gemeinschaftlichen Delta des Dong-Nai und des Saigonflusses, und zwar am rechten Ufer des letzteren, und ist, wenngleich ungefähr 60 km von der Flussmündung entfernt, Dank der Tiefe seiner Wasserstrasse ein wichtiger Hafen- und Handelsplatz geworden. Zur Hebung der Stadt wurde unter der französischen Herr- schaft Bedeutendes geleistet; die Sümpfe in der Umgebung wurden ausgetrocknet, die Canäle regulirt und entsprechend vertieft. Vor kaum dreissig Jahren noch ein unansehnlicher Ort, ist Saigon heutzutage eine freundliche und wohlhabende Stadt mit zahlreichen schönen und zweckmässigen Bauten und von fast europäischem Aussehen.
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Saigon.
Zu den hervorragendsten Städten Cochinchinas gehört Saigon,
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wird von zwei annamitischen Worten abgeleitet, die eine Art von
Baumwollstauden bezeichnen, welche von den Eingeborenen um ihre
Erdbefestigungen gepflanzt wurden. Seinerzeit hiess eine in der Nähe
gelegene chinesische Stadt Cholon-Saigon; im Laufe der Begeben-
heiten fand der Name für das annamitische Dorf Anwendung, an dessen
Stelle sich jetzt die Stadt erhebt.
Traditionen zufolge war Saigon einstens eine rein annamitische Ortschaft;
von eingewanderten Chinesen, die sich der zweiten Tartarendynastie nicht unter-
werfen wollten, wurde die Stadt zum Ansiedlungsorte gewählt. Der annamitische
König Gia-Long, 1777 durch die Taysons-Revolution vertrieben, schloss 1787 ein
Schutz- und Trutzbündniss mit Frankreich. Später (etwa 1799) liess sich Gia-
Long zum Kaiser ausrufen. Er verlegte in den Tagen seiner Bedräugniss (1789)
seine ständige Residenz nach Saigon und erst im Jahve 1811 wieder nach Hué,
der früheren Hauptstadt seines mittlerweile zurückeroberten Reiches. Die Einge-
borenen nennen die Stadt seither Gia-Dinh. Im Jahre 1790 durch Oberst
Ollivier, einen in annamitischen Diensten befindlichen Franzosen befestigt, wurde
Saigon 1859 durch Admiral Rigault de Genouilly eingenommen. Es blieb seit-
dem Hauptstadt der seit 1862 als Cochinchine Française an Frankreich abgetre-
tenen Provinzen und wurde 1884 nach der umfangreichen Erweiterung des fran-
zösischen Gebietes in Hinterindien Sitz des General-Gouverneurs und der Central-
behörden von Indo-China.
Saigon liegt am gemeinschaftlichen Delta des Dong-Nai und des
Saigonflusses, und zwar am rechten Ufer des letzteren, und ist,
wenngleich ungefähr 60 km von der Flussmündung entfernt, Dank
der Tiefe seiner Wasserstrasse ein wichtiger Hafen- und Handelsplatz
geworden. Zur Hebung der Stadt wurde unter der französischen Herr-
schaft Bedeutendes geleistet; die Sümpfe in der Umgebung wurden
ausgetrocknet, die Canäle regulirt und entsprechend vertieft. Vor kaum
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [463]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/479>, abgerufen am 22.11.2024.
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