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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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wurde, und zwei Geselligkeitsvereine: der Cercle de l'Union und der
Cercle Colonial. Die Eingeborenen, selbst jene, welche die fran-
zösische Sprache vollständig beherrschen, ziehen die Schaustellungen
der chinesischen und der wandernden annamitischen Theater jenen des
französischen Musentempels vor.

Saigon besitzt (Ende 1889) ohne Militär 16.213 Einwohner, von
welchen 5968 Annamiten, 7346 Chinesen, 1758 Franzosen und
95 andere Europäer sind. Für den öffentlichen Unterricht, der
von der Stadt subventionirt wird, sorgen zwei Collegien --
Chasseloup-Laubat und Adran -- mit mehr als 900 Schülern
und ein Seminar mit philosophisch-theologischem Lehrplane. Das
College d'Adran verewigt das Gedächtniss an den für Saigon
hochverdienten Bischof Piqueaux de Behaigne, dessen Grab sich
in der Nähe der Stadt befindet. Zwei ausgiebig beschäftigten
Buchdruckereien, von welchen eine öffentlich ist und die andere der
katholischen Mission gehört, entstammen mehrere politische Journale,
wissenschaftliche und Regierungspublicationen, sowie andererseits alle
Missionsschriften. Die Marine-Sternwarte veröffentlicht den astronomi-
schen Theil des Annuaire de Cochinchine, überdies hat sie für die
Uebereinstimmung des chinesischen mit dem europäischen Kalender
zu sorgen und die Fluthzeiten für die wichtigsten Hafenorte der
Colonie zu berechnen. Letztere Arbeit ist eine überaus schwierige,
weil die Gezeiten in dieser Gegend sehr unregelmässig und die Ur-
sachen dieser Unregelmässigkeiten noch aufzuklären sind.

Das Klima Saigons weist alle Beschwerlichkeiten der Tropen-
zone auf. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 26°C., die nasse
Jahreszeit wird durch intensive Regengüsse charakterisirt, welche von
heftigen Entladungen der atmosphärischen Elektricität begleitet sind.
Die trockene Jahreszeit fängt mit dem Monate März an; im Mai setzt
der heisse Südwest-Monsun ein, bei geringer Windstärke gibt es
starke Gewitter. Letztere treten im August am häufigsten und am
heftigsten auf. Im October setzt der Nordost-Monsun ein, die Tem-
peratur wird erträglicher, sinkt jedoch nie unter 16°C. Typhone
ziehen nur selten, meist erst im November bis an die Küste Cochin-
chinas. Die bekannten Einwirkungen des Tropenklimas auf die
Europäer treten in Saigon wie anderwärts auf, doch wird hier
der Sonnenstich ganz besonders gefürchtet. Zu den häufig auftre-
tenden Krankheiten gehört die Dysenterie, doch haben sich die Ge-
sundheitsverhältnisse der Stadt in den letzten Jahren beträchtlich
gebessert. Bei regelmässiger, dem Klima angepasster Lebensweise

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Saigon.
wurde, und zwei Geselligkeitsvereine: der Cercle de l’Union und der
Cercle Colonial. Die Eingeborenen, selbst jene, welche die fran-
zösische Sprache vollständig beherrschen, ziehen die Schaustellungen
der chinesischen und der wandernden annamitischen Theater jenen des
französischen Musentempels vor.

Saigon besitzt (Ende 1889) ohne Militär 16.213 Einwohner, von
welchen 5968 Annamiten, 7346 Chinesen, 1758 Franzosen und
95 andere Europäer sind. Für den öffentlichen Unterricht, der
von der Stadt subventionirt wird, sorgen zwei Collegien —
Chasseloup-Laubat und Adran — mit mehr als 900 Schülern
und ein Seminar mit philosophisch-theologischem Lehrplane. Das
Collège d’Adran verewigt das Gedächtniss an den für Saigon
hochverdienten Bischof Piqueaux de Behaigne, dessen Grab sich
in der Nähe der Stadt befindet. Zwei ausgiebig beschäftigten
Buchdruckereien, von welchen eine öffentlich ist und die andere der
katholischen Mission gehört, entstammen mehrere politische Journale,
wissenschaftliche und Regierungspublicationen, sowie andererseits alle
Missionsschriften. Die Marine-Sternwarte veröffentlicht den astronomi-
schen Theil des Annuaire de Cochinchine, überdies hat sie für die
Uebereinstimmung des chinesischen mit dem europäischen Kalender
zu sorgen und die Fluthzeiten für die wichtigsten Hafenorte der
Colonie zu berechnen. Letztere Arbeit ist eine überaus schwierige,
weil die Gezeiten in dieser Gegend sehr unregelmässig und die Ur-
sachen dieser Unregelmässigkeiten noch aufzuklären sind.

Das Klima Saigons weist alle Beschwerlichkeiten der Tropen-
zone auf. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 26°C., die nasse
Jahreszeit wird durch intensive Regengüsse charakterisirt, welche von
heftigen Entladungen der atmosphärischen Elektricität begleitet sind.
Die trockene Jahreszeit fängt mit dem Monate März an; im Mai setzt
der heisse Südwest-Monsun ein, bei geringer Windstärke gibt es
starke Gewitter. Letztere treten im August am häufigsten und am
heftigsten auf. Im October setzt der Nordost-Monsun ein, die Tem-
peratur wird erträglicher, sinkt jedoch nie unter 16°C. Typhone
ziehen nur selten, meist erst im November bis an die Küste Cochin-
chinas. Die bekannten Einwirkungen des Tropenklimas auf die
Europäer treten in Saigon wie anderwärts auf, doch wird hier
der Sonnenstich ganz besonders gefürchtet. Zu den häufig auftre-
tenden Krankheiten gehört die Dysenterie, doch haben sich die Ge-
sundheitsverhältnisse der Stadt in den letzten Jahren beträchtlich
gebessert. Bei regelmässiger, dem Klima angepasster Lebensweise

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[467/0483] Saigon. wurde, und zwei Geselligkeitsvereine: der Cercle de l’Union und der Cercle Colonial. Die Eingeborenen, selbst jene, welche die fran- zösische Sprache vollständig beherrschen, ziehen die Schaustellungen der chinesischen und der wandernden annamitischen Theater jenen des französischen Musentempels vor. Saigon besitzt (Ende 1889) ohne Militär 16.213 Einwohner, von welchen 5968 Annamiten, 7346 Chinesen, 1758 Franzosen und 95 andere Europäer sind. Für den öffentlichen Unterricht, der von der Stadt subventionirt wird, sorgen zwei Collegien — Chasseloup-Laubat und Adran — mit mehr als 900 Schülern und ein Seminar mit philosophisch-theologischem Lehrplane. Das Collège d’Adran verewigt das Gedächtniss an den für Saigon hochverdienten Bischof Piqueaux de Behaigne, dessen Grab sich in der Nähe der Stadt befindet. Zwei ausgiebig beschäftigten Buchdruckereien, von welchen eine öffentlich ist und die andere der katholischen Mission gehört, entstammen mehrere politische Journale, wissenschaftliche und Regierungspublicationen, sowie andererseits alle Missionsschriften. Die Marine-Sternwarte veröffentlicht den astronomi- schen Theil des Annuaire de Cochinchine, überdies hat sie für die Uebereinstimmung des chinesischen mit dem europäischen Kalender zu sorgen und die Fluthzeiten für die wichtigsten Hafenorte der Colonie zu berechnen. Letztere Arbeit ist eine überaus schwierige, weil die Gezeiten in dieser Gegend sehr unregelmässig und die Ur- sachen dieser Unregelmässigkeiten noch aufzuklären sind. Das Klima Saigons weist alle Beschwerlichkeiten der Tropen- zone auf. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 26°C., die nasse Jahreszeit wird durch intensive Regengüsse charakterisirt, welche von heftigen Entladungen der atmosphärischen Elektricität begleitet sind. Die trockene Jahreszeit fängt mit dem Monate März an; im Mai setzt der heisse Südwest-Monsun ein, bei geringer Windstärke gibt es starke Gewitter. Letztere treten im August am häufigsten und am heftigsten auf. Im October setzt der Nordost-Monsun ein, die Tem- peratur wird erträglicher, sinkt jedoch nie unter 16°C. Typhone ziehen nur selten, meist erst im November bis an die Küste Cochin- chinas. Die bekannten Einwirkungen des Tropenklimas auf die Europäer treten in Saigon wie anderwärts auf, doch wird hier der Sonnenstich ganz besonders gefürchtet. Zu den häufig auftre- tenden Krankheiten gehört die Dysenterie, doch haben sich die Ge- sundheitsverhältnisse der Stadt in den letzten Jahren beträchtlich gebessert. Bei regelmässiger, dem Klima angepasster Lebensweise 59*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/483>, abgerufen am 22.11.2024.