Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Manila.

Die europäischen Kreise Manilas scheiden sich in zwei scharf
getrennte Gruppen; die eine bilden das Militär, Beamte und Pflanzer,
welche durchwegs Spanier, Creolen oder Mestizen sind, und die andere
umfasst den Handelsstand, in welchem bei grösseren Firmen Spanier
fast gar nicht vertreten sind, Engländern und Deutschen jedoch die
Hauptrolle zufällt. Deutsche und Engländer helfen sich über die be-
stehenden Gegensätze durch eifrige Benützung ihrer behaglichen und
gastfreundlichen Clubs hinweg. Gegenstand einer besondern Leiden-
schaft der Bevölkerung von Manila sind die Hahnenkämpfe, über
deren wahrscheinlichen Ausgang umfangreiche Wetten abgeschlossen
werden. Die auf dieselben eingehobene Steuer ist nicht unbeträchtlich.

Manila ist Sitz des Statthalters der Philippinen. Dieser, ein
Divisions-General der Armee, führt einen überaus langen Titel, an
erster Stelle jenen eines Gouverneurs und General-Capitäns der Colonie,
sowie auch der Marianen- und der Carolinen-Inseln; er ist der oberste
Chef der Regierungsämter und der bewaffneten Macht, doch ist sein
Wirkungskreis bedeutend eingeengt. Einerseits ist ihm ein Verwal-
tungsrath (Real audiencia) beigegeben, der aus dem commandirenden
Admiral der Station und aus den obersten Spitzen der Kirchen-, Ge-
richts- und Civilämter besteht, andererseits muss er für alle Entschei-
dungen von einiger Bedeutung die Genehmigung der Madrider Re-
gierung einholen.

Von den Unterrichtsanstalten Manilas ist an erster Stelle die
Universität zu nennen. Diese, la real y pontificia Universidad de
Santo Tomas de Manila, wurde 1619 als Colegio de Santo Tomas
von den Provinzialen des Ordens del Santisimo Rosario gegründet
und 1785 durch König Karl III. zu einer königlichen Anstalt erhoben,
wobei deren Rechte jenen der Universitäten des Königreiches Spanien
gleichgestellt wurden. Durch lange Jahre eine vorwiegend theologische
Unterrichtsanstalt ist sie seit dem 29. October 1875 gleich der Uni-
versität von Madrid organisirt und seit 1879 durch Aggregirung
von Cursen für Geburtshilfe, sowie für pharmaceutische und ärztliche
Gehilfen erweitert. Die Hörerzahl der einzelnen Facultäten schwankt
zwischen 120 und 180, die Anzahl der Graduirungen aber ist eine
auffallend geringe. Insbesondere scheint der Doctorstitel der juridischen
und der medicinischen Facultät selten ertheilt oder selten angestrebt
zu werden. Das 1640 gegründete Colegio San Juan de Letran ist
das Gymnasium Manilas, das Real Colegio de senoritas de Sta Isabel
besorgt den höheren, von barmherzigen Schwestern geleiteten Unter-
richt der Mädchen. Das Ateneo municipal der P. P. Jesuiten ertheilt

62*
Manila.

Die europäischen Kreise Manilas scheiden sich in zwei scharf
getrennte Gruppen; die eine bilden das Militär, Beamte und Pflanzer,
welche durchwegs Spanier, Creolen oder Mestizen sind, und die andere
umfasst den Handelsstand, in welchem bei grösseren Firmen Spanier
fast gar nicht vertreten sind, Engländern und Deutschen jedoch die
Hauptrolle zufällt. Deutsche und Engländer helfen sich über die be-
stehenden Gegensätze durch eifrige Benützung ihrer behaglichen und
gastfreundlichen Clubs hinweg. Gegenstand einer besondern Leiden-
schaft der Bevölkerung von Manila sind die Hahnenkämpfe, über
deren wahrscheinlichen Ausgang umfangreiche Wetten abgeschlossen
werden. Die auf dieselben eingehobene Steuer ist nicht unbeträchtlich.

Manila ist Sitz des Statthalters der Philippinen. Dieser, ein
Divisions-General der Armee, führt einen überaus langen Titel, an
erster Stelle jenen eines Gouverneurs und General-Capitäns der Colonie,
sowie auch der Marianen- und der Carolinen-Inseln; er ist der oberste
Chef der Regierungsämter und der bewaffneten Macht, doch ist sein
Wirkungskreis bedeutend eingeengt. Einerseits ist ihm ein Verwal-
tungsrath (Real audiencia) beigegeben, der aus dem commandirenden
Admiral der Station und aus den obersten Spitzen der Kirchen-, Ge-
richts- und Civilämter besteht, andererseits muss er für alle Entschei-
dungen von einiger Bedeutung die Genehmigung der Madrider Re-
gierung einholen.

Von den Unterrichtsanstalten Manilas ist an erster Stelle die
Universität zu nennen. Diese, la real y pontificia Universidad de
Santo Tomás de Manila, wurde 1619 als Colegio de Santo Tomás
von den Provinzialen des Ordens del Santisimo Rosario gegründet
und 1785 durch König Karl III. zu einer königlichen Anstalt erhoben,
wobei deren Rechte jenen der Universitäten des Königreiches Spanien
gleichgestellt wurden. Durch lange Jahre eine vorwiegend theologische
Unterrichtsanstalt ist sie seit dem 29. October 1875 gleich der Uni-
versität von Madrid organisirt und seit 1879 durch Aggregirung
von Cursen für Geburtshilfe, sowie für pharmaceutische und ärztliche
Gehilfen erweitert. Die Hörerzahl der einzelnen Facultäten schwankt
zwischen 120 und 180, die Anzahl der Graduirungen aber ist eine
auffallend geringe. Insbesondere scheint der Doctorstitel der juridischen
und der medicinischen Facultät selten ertheilt oder selten angestrebt
zu werden. Das 1640 gegründete Colegio San Juan de Letran ist
das Gymnasium Manilas, das Real Colegio de senoritas de Sta Isabel
besorgt den höheren, von barmherzigen Schwestern geleiteten Unter-
richt der Mädchen. Das Ateneo municipal der P. P. Jesuiten ertheilt

62*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0507" n="491"/>
          <fw place="top" type="header">Manila.</fw><lb/>
          <p>Die europäischen Kreise Manilas scheiden sich in zwei scharf<lb/>
getrennte Gruppen; die eine bilden das Militär, Beamte und Pflanzer,<lb/>
welche durchwegs Spanier, Creolen oder Mestizen sind, und die andere<lb/>
umfasst den Handelsstand, in welchem bei grösseren Firmen Spanier<lb/>
fast gar nicht vertreten sind, Engländern und Deutschen jedoch die<lb/>
Hauptrolle zufällt. Deutsche und Engländer helfen sich über die be-<lb/>
stehenden Gegensätze durch eifrige Benützung ihrer behaglichen und<lb/>
gastfreundlichen Clubs hinweg. Gegenstand einer besondern Leiden-<lb/>
schaft der Bevölkerung von Manila sind die Hahnenkämpfe, über<lb/>
deren wahrscheinlichen Ausgang umfangreiche Wetten abgeschlossen<lb/>
werden. Die auf dieselben eingehobene Steuer ist nicht unbeträchtlich.</p><lb/>
          <p>Manila ist Sitz des Statthalters der Philippinen. Dieser, ein<lb/>
Divisions-General der Armee, führt einen überaus langen Titel, an<lb/>
erster Stelle jenen eines Gouverneurs und General-Capitäns der Colonie,<lb/>
sowie auch der Marianen- und der Carolinen-Inseln; er ist der oberste<lb/>
Chef der Regierungsämter und der bewaffneten Macht, doch ist sein<lb/>
Wirkungskreis bedeutend eingeengt. Einerseits ist ihm ein Verwal-<lb/>
tungsrath (Real audiencia) beigegeben, der aus dem commandirenden<lb/>
Admiral der Station und aus den obersten Spitzen der Kirchen-, Ge-<lb/>
richts- und Civilämter besteht, andererseits muss er für alle Entschei-<lb/>
dungen von einiger Bedeutung die Genehmigung der Madrider Re-<lb/>
gierung einholen.</p><lb/>
          <p>Von den Unterrichtsanstalten Manilas ist an erster Stelle die<lb/>
Universität zu nennen. Diese, la real y pontificia Universidad de<lb/>
Santo Tomás de Manila, wurde 1619 als Colegio de Santo Tomás<lb/>
von den Provinzialen des Ordens del Santisimo Rosario gegründet<lb/>
und 1785 durch König Karl III. zu einer königlichen Anstalt erhoben,<lb/>
wobei deren Rechte jenen der Universitäten des Königreiches Spanien<lb/>
gleichgestellt wurden. Durch lange Jahre eine vorwiegend theologische<lb/>
Unterrichtsanstalt ist sie seit dem 29. October 1875 gleich der Uni-<lb/>
versität von Madrid organisirt und seit 1879 durch Aggregirung<lb/>
von Cursen für Geburtshilfe, sowie für pharmaceutische und ärztliche<lb/>
Gehilfen erweitert. Die Hörerzahl der einzelnen Facultäten schwankt<lb/>
zwischen 120 und 180, die Anzahl der Graduirungen aber ist eine<lb/>
auffallend geringe. Insbesondere scheint der Doctorstitel der juridischen<lb/>
und der medicinischen Facultät selten ertheilt oder selten angestrebt<lb/>
zu werden. Das 1640 gegründete Colegio San Juan de Letran ist<lb/>
das Gymnasium Manilas, das Real Colegio de senoritas de Sta Isabel<lb/>
besorgt den höheren, von barmherzigen Schwestern geleiteten Unter-<lb/>
richt der Mädchen. Das Ateneo municipal der P. P. Jesuiten ertheilt<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">62*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0507] Manila. Die europäischen Kreise Manilas scheiden sich in zwei scharf getrennte Gruppen; die eine bilden das Militär, Beamte und Pflanzer, welche durchwegs Spanier, Creolen oder Mestizen sind, und die andere umfasst den Handelsstand, in welchem bei grösseren Firmen Spanier fast gar nicht vertreten sind, Engländern und Deutschen jedoch die Hauptrolle zufällt. Deutsche und Engländer helfen sich über die be- stehenden Gegensätze durch eifrige Benützung ihrer behaglichen und gastfreundlichen Clubs hinweg. Gegenstand einer besondern Leiden- schaft der Bevölkerung von Manila sind die Hahnenkämpfe, über deren wahrscheinlichen Ausgang umfangreiche Wetten abgeschlossen werden. Die auf dieselben eingehobene Steuer ist nicht unbeträchtlich. Manila ist Sitz des Statthalters der Philippinen. Dieser, ein Divisions-General der Armee, führt einen überaus langen Titel, an erster Stelle jenen eines Gouverneurs und General-Capitäns der Colonie, sowie auch der Marianen- und der Carolinen-Inseln; er ist der oberste Chef der Regierungsämter und der bewaffneten Macht, doch ist sein Wirkungskreis bedeutend eingeengt. Einerseits ist ihm ein Verwal- tungsrath (Real audiencia) beigegeben, der aus dem commandirenden Admiral der Station und aus den obersten Spitzen der Kirchen-, Ge- richts- und Civilämter besteht, andererseits muss er für alle Entschei- dungen von einiger Bedeutung die Genehmigung der Madrider Re- gierung einholen. Von den Unterrichtsanstalten Manilas ist an erster Stelle die Universität zu nennen. Diese, la real y pontificia Universidad de Santo Tomás de Manila, wurde 1619 als Colegio de Santo Tomás von den Provinzialen des Ordens del Santisimo Rosario gegründet und 1785 durch König Karl III. zu einer königlichen Anstalt erhoben, wobei deren Rechte jenen der Universitäten des Königreiches Spanien gleichgestellt wurden. Durch lange Jahre eine vorwiegend theologische Unterrichtsanstalt ist sie seit dem 29. October 1875 gleich der Uni- versität von Madrid organisirt und seit 1879 durch Aggregirung von Cursen für Geburtshilfe, sowie für pharmaceutische und ärztliche Gehilfen erweitert. Die Hörerzahl der einzelnen Facultäten schwankt zwischen 120 und 180, die Anzahl der Graduirungen aber ist eine auffallend geringe. Insbesondere scheint der Doctorstitel der juridischen und der medicinischen Facultät selten ertheilt oder selten angestrebt zu werden. Das 1640 gegründete Colegio San Juan de Letran ist das Gymnasium Manilas, das Real Colegio de senoritas de Sta Isabel besorgt den höheren, von barmherzigen Schwestern geleiteten Unter- richt der Mädchen. Das Ateneo municipal der P. P. Jesuiten ertheilt 62*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/507
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/507>, abgerufen am 22.11.2024.