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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
sitte der Eingeborenen. Da diese des Nachts nicht ohne eine Fackel
über die Strasse gehen dürfen und ihre Schritte andererseits unhörbar
sind, bieten die Strassen nach Eintritt der Dunkelheit einen ganz
eigenthümlichen Anblick. Charakteristisch für das Strassenleben
Batavias sind auch die Klontongs, chinesische Hausirer, die ihre
Waaren theils selber tragen, theils dies durch einen Kuli besorgen
lassen. In letzterem Falle geht der Besitzer voraus und meldet seine
Gegenwart mit einer eigenartig tönenden Klapper an.

Der vierte Bezirk, Ooster District, besteht aus den Stadttheilen
Jakatra und Gunungsahari, die fast ausschliesslich von Eingebo-
renen bewohnt werden. An den letztgenannten Stadttheil grenzt die
Vorstadt Weltevreden (Wohlzufrieden) mit einem grossen viereckigen
Platze, dem Waterloo-Plein, der durch das bereits erwähnte Denkmal
Pieter Koens und durch eine Säule mit dem Löwen von Waterloo
verschönert wird. Von den Gebäuden, die den Waterloo-Plein um-
säumen, sind das zweistöckige grosse Regierungspalais mit den
Sitzungssälen des Rathes von Indien und das schöne Militärclubhaus
"Concordia" hervorzuheben. Das gleichfalls an diesem Platze liegende
Palais Daendels, welches vom Marschall Daendels erbaut und vom
Burggrafen Du Bus de Glusignies vollendet wurde, ist ein rechteckiger,
colossaler Steinbau, der jedoch wenig Kunst und Geschmack aufweist.
Neben dem Palais Daendels befindet sich das Gerichtsgebäude, in
welchem der höchste Gerichtshof Javas, der Hoog Gerechtshof, und
der Justizhof, Rad van Justitie, Sitzungen abhalten. Leider ist das
bürgerlijk wetboek (Gesetzbuch) in seiner Anwendung so eigenartig,
dass jeder Nichtbegüterte das Processiren vermeiden muss.

In Weltevreden liegen noch das Arsenal, die Artillerieschule,
das Hospital für christliche Einwohner, die Kasernen und das Theater,
in welchem von Zeit zu Zeit Concerte und Vorstellungen französischer
oder italienischer Operngesellschaften gegeben werden. Sonntag Abends
spielt die Militärmusik auf dem Waterloo-Plein, der dann von einem
zahlreichen Publicum in Wagen, zu Pferde und zu Fuss belebt
wird.

Bei der 1837 erbauten Citadelle Prins Frederik Hendrik, die
nicht armirt ist und nur mehr zu Magazinen verwendet wird, ist seit
einem Decennium ein Atjeh-Monument im Baue, ohne bemerkenswerth
fortzuschreiten -- eine Analogie zu den noch immer nicht beendeten
Atjeh-Kriegen. Unweit hievon liegen die von Eingeborenen und Chinesen
bewohnten Stadttheile Kamponglama und Kampongbaru; südwestlich
von Molenvliet liegt der grösste Bezirk Batavias, der Südwestdistrict,

Der grosse Ocean.
sitte der Eingeborenen. Da diese des Nachts nicht ohne eine Fackel
über die Strasse gehen dürfen und ihre Schritte andererseits unhörbar
sind, bieten die Strassen nach Eintritt der Dunkelheit einen ganz
eigenthümlichen Anblick. Charakteristisch für das Strassenleben
Batavias sind auch die Klontongs, chinesische Hausirer, die ihre
Waaren theils selber tragen, theils dies durch einen Kuli besorgen
lassen. In letzterem Falle geht der Besitzer voraus und meldet seine
Gegenwart mit einer eigenartig tönenden Klapper an.

Der vierte Bezirk, Ooster District, besteht aus den Stadttheilen
Jakatra und Gunungsahari, die fast ausschliesslich von Eingebo-
renen bewohnt werden. An den letztgenannten Stadttheil grenzt die
Vorstadt Weltevreden (Wohlzufrieden) mit einem grossen viereckigen
Platze, dem Waterloo-Plein, der durch das bereits erwähnte Denkmal
Pieter Koens und durch eine Säule mit dem Löwen von Waterloo
verschönert wird. Von den Gebäuden, die den Waterloo-Plein um-
säumen, sind das zweistöckige grosse Regierungspalais mit den
Sitzungssälen des Rathes von Indien und das schöne Militärclubhaus
„Concordia“ hervorzuheben. Das gleichfalls an diesem Platze liegende
Palais Daendels, welches vom Marschall Daendels erbaut und vom
Burggrafen Du Bus de Glusignies vollendet wurde, ist ein rechteckiger,
colossaler Steinbau, der jedoch wenig Kunst und Geschmack aufweist.
Neben dem Palais Daendels befindet sich das Gerichtsgebäude, in
welchem der höchste Gerichtshof Javas, der Hoog Gerechtshof, und
der Justizhof, Rad van Justitie, Sitzungen abhalten. Leider ist das
bürgerlijk wetboek (Gesetzbuch) in seiner Anwendung so eigenartig,
dass jeder Nichtbegüterte das Processiren vermeiden muss.

In Weltevreden liegen noch das Arsenal, die Artillerieschule,
das Hospital für christliche Einwohner, die Kasernen und das Theater,
in welchem von Zeit zu Zeit Concerte und Vorstellungen französischer
oder italienischer Operngesellschaften gegeben werden. Sonntag Abends
spielt die Militärmusik auf dem Waterloo-Plein, der dann von einem
zahlreichen Publicum in Wagen, zu Pferde und zu Fuss belebt
wird.

Bei der 1837 erbauten Citadelle Prins Frederik Hendrik, die
nicht armirt ist und nur mehr zu Magazinen verwendet wird, ist seit
einem Decennium ein Atjeh-Monument im Baue, ohne bemerkenswerth
fortzuschreiten — eine Analogie zu den noch immer nicht beendeten
Atjeh-Kriegen. Unweit hievon liegen die von Eingeborenen und Chinesen
bewohnten Stadttheile Kamponglama und Kampongbaru; südwestlich
von Molenvliet liegt der grösste Bezirk Batavias, der Südwestdistrict,

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[502/0518] Der grosse Ocean. sitte der Eingeborenen. Da diese des Nachts nicht ohne eine Fackel über die Strasse gehen dürfen und ihre Schritte andererseits unhörbar sind, bieten die Strassen nach Eintritt der Dunkelheit einen ganz eigenthümlichen Anblick. Charakteristisch für das Strassenleben Batavias sind auch die Klontongs, chinesische Hausirer, die ihre Waaren theils selber tragen, theils dies durch einen Kuli besorgen lassen. In letzterem Falle geht der Besitzer voraus und meldet seine Gegenwart mit einer eigenartig tönenden Klapper an. Der vierte Bezirk, Ooster District, besteht aus den Stadttheilen Jakatra und Gunungsahari, die fast ausschliesslich von Eingebo- renen bewohnt werden. An den letztgenannten Stadttheil grenzt die Vorstadt Weltevreden (Wohlzufrieden) mit einem grossen viereckigen Platze, dem Waterloo-Plein, der durch das bereits erwähnte Denkmal Pieter Koens und durch eine Säule mit dem Löwen von Waterloo verschönert wird. Von den Gebäuden, die den Waterloo-Plein um- säumen, sind das zweistöckige grosse Regierungspalais mit den Sitzungssälen des Rathes von Indien und das schöne Militärclubhaus „Concordia“ hervorzuheben. Das gleichfalls an diesem Platze liegende Palais Daendels, welches vom Marschall Daendels erbaut und vom Burggrafen Du Bus de Glusignies vollendet wurde, ist ein rechteckiger, colossaler Steinbau, der jedoch wenig Kunst und Geschmack aufweist. Neben dem Palais Daendels befindet sich das Gerichtsgebäude, in welchem der höchste Gerichtshof Javas, der Hoog Gerechtshof, und der Justizhof, Rad van Justitie, Sitzungen abhalten. Leider ist das bürgerlijk wetboek (Gesetzbuch) in seiner Anwendung so eigenartig, dass jeder Nichtbegüterte das Processiren vermeiden muss. In Weltevreden liegen noch das Arsenal, die Artillerieschule, das Hospital für christliche Einwohner, die Kasernen und das Theater, in welchem von Zeit zu Zeit Concerte und Vorstellungen französischer oder italienischer Operngesellschaften gegeben werden. Sonntag Abends spielt die Militärmusik auf dem Waterloo-Plein, der dann von einem zahlreichen Publicum in Wagen, zu Pferde und zu Fuss belebt wird. Bei der 1837 erbauten Citadelle Prins Frederik Hendrik, die nicht armirt ist und nur mehr zu Magazinen verwendet wird, ist seit einem Decennium ein Atjeh-Monument im Baue, ohne bemerkenswerth fortzuschreiten — eine Analogie zu den noch immer nicht beendeten Atjeh-Kriegen. Unweit hievon liegen die von Eingeborenen und Chinesen bewohnten Stadttheile Kamponglama und Kampongbaru; südwestlich von Molenvliet liegt der grösste Bezirk Batavias, der Südwestdistrict,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/518>, abgerufen am 22.11.2024.