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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
Gesammtbevölkerung der Insel betragen, kommen alljährlich mit
Beginn des Nordost-Monsuns in grösserer Anzahl nach Singapore.
Die meisten dieser Einwanderer sind arm und ohne Kenntnisse oder
professionelle Fertigkeiten, aber durch ihre überall bewiesene Accli-
matisationsfähigkeit, Genügsamkeit und Zähigkeit sind sie auch an
diesem Ansiedlungspunkte sehr bald in der Lage, sich in relativ
kurzer Zeit einen ausreichenden Erwerb zu schaffen. Jene Chinesen,
die den beiden Nationallastern, dem Spiele und dem Opiumrauchen,
widerstehen können, bringen es zumeist in wenigen Jahren zu an-
gesehenen und einträglichen Stellungen sowohl als Kaufleute, wie
auch als Pflanzer. So mancher chinesische Grosshändler Singapores
hatte bei seiner Einwanderung keinen Dollar in der Tasche! Be-
zeichnend ist, dass der gesammte Verkauf von Spirituosen und Opium
in den Händen der Chinesen liegt, die denselben von der Regierung
gepachtet haben, und dass dieselben den ungeheuren Handelsumsatz
immer mehr an sich ziehen, dabei aber die Preise der Waaren all-
mälig vertheuern. Der Anzahl nach finden die meisten Chinesen ihr
Unterkommen beim Handelsverkehr, der Rest als Schuhmacher, Gold-
arbeiter, Schiffer, Ackerbauer, Fischer, Handlungsdiener u. a. Ihre
wachsende und den Europäern gefährliche Bedeutung bezeichnet nichts
so sehr, als das Wort "Chinesenpest", womit die Engländer grollend
die Vermehrung des chinesischen Elementes in Ostindien benennen.

Die Ureinwohner Singapores sind die Malayen. Ihr träges
Naturell bringt es mit sich, dass sie jeder dauernden Beschäftigung
aus dem Wege gehen und daher auch beispielsweise nie als arbeit-
same Landbebauer anzutreffen sind. Ihr ganzes Streben geht darnach,
ein kleines Grundstück zu besitzen, das sie mit ihrem Reisbedarf für
das ganze Jahr versorgt. Dieses Grundstück beschäftigt sie nur durch
zwei Monate, die anderen zehn verbringen sie in gleichgiltigem
Müssiggang. Verhältnissmässig wenige Malayen suchen ihr Unter-
kommen beim gewerblichen Treiben der Stadt, in welchen Fällen sie
allerdings von der europäischen Civilisation nicht unberührt bleiben.

Die aus der Provinz Madras stammenden Klings werden zumeist
für untergeordnete Dienste, wie z. B. als Diener, zum Ziehen der
Djinrikschas (zweiräderige Karren für Personenbeförderung) oder als
Kulis in den Pflanzungen verwendet, welchen Anstellungen sie ihren
Charaktereigenschaften gemäss sehr gut entsprechen.

Die europäische Gemeinde endlich bilden hauptsächlich Eng-
länder, Deutsche und Portugiesen; ihre Zahl erreicht mit Einschluss
der Garnison etwa 2800 Menschen.


Der grosse Ocean.
Gesammtbevölkerung der Insel betragen, kommen alljährlich mit
Beginn des Nordost-Monsuns in grösserer Anzahl nach Singapore.
Die meisten dieser Einwanderer sind arm und ohne Kenntnisse oder
professionelle Fertigkeiten, aber durch ihre überall bewiesene Accli-
matisationsfähigkeit, Genügsamkeit und Zähigkeit sind sie auch an
diesem Ansiedlungspunkte sehr bald in der Lage, sich in relativ
kurzer Zeit einen ausreichenden Erwerb zu schaffen. Jene Chinesen,
die den beiden Nationallastern, dem Spiele und dem Opiumrauchen,
widerstehen können, bringen es zumeist in wenigen Jahren zu an-
gesehenen und einträglichen Stellungen sowohl als Kaufleute, wie
auch als Pflanzer. So mancher chinesische Grosshändler Singapores
hatte bei seiner Einwanderung keinen Dollar in der Tasche! Be-
zeichnend ist, dass der gesammte Verkauf von Spirituosen und Opium
in den Händen der Chinesen liegt, die denselben von der Regierung
gepachtet haben, und dass dieselben den ungeheuren Handelsumsatz
immer mehr an sich ziehen, dabei aber die Preise der Waaren all-
mälig vertheuern. Der Anzahl nach finden die meisten Chinesen ihr
Unterkommen beim Handelsverkehr, der Rest als Schuhmacher, Gold-
arbeiter, Schiffer, Ackerbauer, Fischer, Handlungsdiener u. a. Ihre
wachsende und den Europäern gefährliche Bedeutung bezeichnet nichts
so sehr, als das Wort „Chinesenpest“, womit die Engländer grollend
die Vermehrung des chinesischen Elementes in Ostindien benennen.

Die Ureinwohner Singapores sind die Malayen. Ihr träges
Naturell bringt es mit sich, dass sie jeder dauernden Beschäftigung
aus dem Wege gehen und daher auch beispielsweise nie als arbeit-
same Landbebauer anzutreffen sind. Ihr ganzes Streben geht darnach,
ein kleines Grundstück zu besitzen, das sie mit ihrem Reisbedarf für
das ganze Jahr versorgt. Dieses Grundstück beschäftigt sie nur durch
zwei Monate, die anderen zehn verbringen sie in gleichgiltigem
Müssiggang. Verhältnissmässig wenige Malayen suchen ihr Unter-
kommen beim gewerblichen Treiben der Stadt, in welchen Fällen sie
allerdings von der europäischen Civilisation nicht unberührt bleiben.

Die aus der Provinz Madras stammenden Klings werden zumeist
für untergeordnete Dienste, wie z. B. als Diener, zum Ziehen der
Djinrikschas (zweiräderige Karren für Personenbeförderung) oder als
Kulis in den Pflanzungen verwendet, welchen Anstellungen sie ihren
Charaktereigenschaften gemäss sehr gut entsprechen.

Die europäische Gemeinde endlich bilden hauptsächlich Eng-
länder, Deutsche und Portugiesen; ihre Zahl erreicht mit Einschluss
der Garnison etwa 2800 Menschen.


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[522/0538] Der grosse Ocean. Gesammtbevölkerung der Insel betragen, kommen alljährlich mit Beginn des Nordost-Monsuns in grösserer Anzahl nach Singapore. Die meisten dieser Einwanderer sind arm und ohne Kenntnisse oder professionelle Fertigkeiten, aber durch ihre überall bewiesene Accli- matisationsfähigkeit, Genügsamkeit und Zähigkeit sind sie auch an diesem Ansiedlungspunkte sehr bald in der Lage, sich in relativ kurzer Zeit einen ausreichenden Erwerb zu schaffen. Jene Chinesen, die den beiden Nationallastern, dem Spiele und dem Opiumrauchen, widerstehen können, bringen es zumeist in wenigen Jahren zu an- gesehenen und einträglichen Stellungen sowohl als Kaufleute, wie auch als Pflanzer. So mancher chinesische Grosshändler Singapores hatte bei seiner Einwanderung keinen Dollar in der Tasche! Be- zeichnend ist, dass der gesammte Verkauf von Spirituosen und Opium in den Händen der Chinesen liegt, die denselben von der Regierung gepachtet haben, und dass dieselben den ungeheuren Handelsumsatz immer mehr an sich ziehen, dabei aber die Preise der Waaren all- mälig vertheuern. Der Anzahl nach finden die meisten Chinesen ihr Unterkommen beim Handelsverkehr, der Rest als Schuhmacher, Gold- arbeiter, Schiffer, Ackerbauer, Fischer, Handlungsdiener u. a. Ihre wachsende und den Europäern gefährliche Bedeutung bezeichnet nichts so sehr, als das Wort „Chinesenpest“, womit die Engländer grollend die Vermehrung des chinesischen Elementes in Ostindien benennen. Die Ureinwohner Singapores sind die Malayen. Ihr träges Naturell bringt es mit sich, dass sie jeder dauernden Beschäftigung aus dem Wege gehen und daher auch beispielsweise nie als arbeit- same Landbebauer anzutreffen sind. Ihr ganzes Streben geht darnach, ein kleines Grundstück zu besitzen, das sie mit ihrem Reisbedarf für das ganze Jahr versorgt. Dieses Grundstück beschäftigt sie nur durch zwei Monate, die anderen zehn verbringen sie in gleichgiltigem Müssiggang. Verhältnissmässig wenige Malayen suchen ihr Unter- kommen beim gewerblichen Treiben der Stadt, in welchen Fällen sie allerdings von der europäischen Civilisation nicht unberührt bleiben. Die aus der Provinz Madras stammenden Klings werden zumeist für untergeordnete Dienste, wie z. B. als Diener, zum Ziehen der Djinrikschas (zweiräderige Karren für Personenbeförderung) oder als Kulis in den Pflanzungen verwendet, welchen Anstellungen sie ihren Charaktereigenschaften gemäss sehr gut entsprechen. Die europäische Gemeinde endlich bilden hauptsächlich Eng- länder, Deutsche und Portugiesen; ihre Zahl erreicht mit Einschluss der Garnison etwa 2800 Menschen.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/538>, abgerufen am 22.11.2024.