Eine neue Epoche beginnt für den indischen Ocean mit dem Auftreten des arabischen Propheten und der Ausbreitung seiner Lehre bis Indien und Centralasien einerseits, Spanien und Marokko anderer- seits. Die Araber werden nun die ausschliesslichen Herren des indischen Oceans und unterwerfen insbesondere Ostafrika ihrem Einflusse, den sie daselbst bis zur Gegenwart, freilich von englischen und deutschen, ehe- mals auch von portugiesischen Mitbewerbern bedrängt, erhalten haben.
Was der mittelalterlichen Welt an indischen und chinesischen Producten zukommt, muss durch arabische Hände, muss durch die von ihnen beherrschten Engen des persischen oder arabischen Golfes, muss ihre Karawanenwege und Stapelplätze benützen, wo islamitische Despoten Abgaben und Preise der ein- und ausgehenden Waaren festsetzen. Nur der beschwerliche Ueberlandweg liegt ausserhalb der Grenze ihrer Machtsphäre.
Das wichtigste Ereigniss in der ferneren Geschichte des indischen Oceans, eines der folgenschwersten zugleich für die Entwicklung Europas und die Expansion der europäischen Cultur, "war die Ab- lenkung des indischen Handelsverkehrs aus dem schmalen Bette des arabischen Meerbusens nach dem Ocean, so dass die atlantischen Uferstaaten jene Vortheile genossen, welche früher ausschliesslich den Küsten des Mittelmeeres zu Gute kamen" (O. Peschel). Mit der Ent- deckung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeo Diaz (1486) und des Seeweges an die Malabarküste (Vasco da Gama, 1498) schlug auch die Sterbestunde für die arabische Seeherrschaft. Im Jahre 1513 stand ihr Pulsschlag still; denn in diesem Jahre drang der grosse portugiesische Statthalter Albuquerque über Sokotora und Aden ins Rothe Meer ein, nachdem 1507 bereits die arabischen Handels- Emporien Ormuz und Maskat von den Portugiesen besetzt worden waren. Das geschah aber nicht, um den genannten Plätzen neues Leben zuzuführen, sondern um die Eingänge in das Rothe und per- sische Meer für die Zukunft zu erschweren. So war denn von da an der indische Ocean nur vom Cap der guten Hoffnung aus zugänglich; die Portugiesen hüteten ihn als ihre Domäne, deren aus- schliessliches Eigenthum ihnen die höchste Autorität der Christenheit, der Pontifex maximus in Rom, zuerkannt hatte.
Indem die Spanier gleichzeitig vom Stillen Ocean Besitz nahmen, schloss sich der Ring der indo-germanischen Weltherrschaft rund um die Erde, die Völker des "erythräischen Culturkreises" (Ratzel) waren ausgeschaltet aus der Kette, in der sie bis dahin ein wichtiges Glied gebildet hatten.
Der indische Ocean.
Eine neue Epoche beginnt für den indischen Ocean mit dem Auftreten des arabischen Propheten und der Ausbreitung seiner Lehre bis Indien und Centralasien einerseits, Spanien und Marokko anderer- seits. Die Araber werden nun die ausschliesslichen Herren des indischen Oceans und unterwerfen insbesondere Ostafrika ihrem Einflusse, den sie daselbst bis zur Gegenwart, freilich von englischen und deutschen, ehe- mals auch von portugiesischen Mitbewerbern bedrängt, erhalten haben.
Was der mittelalterlichen Welt an indischen und chinesischen Producten zukommt, muss durch arabische Hände, muss durch die von ihnen beherrschten Engen des persischen oder arabischen Golfes, muss ihre Karawanenwege und Stapelplätze benützen, wo islamitische Despoten Abgaben und Preise der ein- und ausgehenden Waaren festsetzen. Nur der beschwerliche Ueberlandweg liegt ausserhalb der Grenze ihrer Machtsphäre.
Das wichtigste Ereigniss in der ferneren Geschichte des indischen Oceans, eines der folgenschwersten zugleich für die Entwicklung Europas und die Expansion der europäischen Cultur, „war die Ab- lenkung des indischen Handelsverkehrs aus dem schmalen Bette des arabischen Meerbusens nach dem Ocean, so dass die atlantischen Uferstaaten jene Vortheile genossen, welche früher ausschliesslich den Küsten des Mittelmeeres zu Gute kamen“ (O. Peschel). Mit der Ent- deckung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeo Diaz (1486) und des Seeweges an die Malabarküste (Vasco da Gama, 1498) schlug auch die Sterbestunde für die arabische Seeherrschaft. Im Jahre 1513 stand ihr Pulsschlag still; denn in diesem Jahre drang der grosse portugiesische Statthalter Albuquerque über Sokotora und Aden ins Rothe Meer ein, nachdem 1507 bereits die arabischen Handels- Emporien Ormuz und Maskat von den Portugiesen besetzt worden waren. Das geschah aber nicht, um den genannten Plätzen neues Leben zuzuführen, sondern um die Eingänge in das Rothe und per- sische Meer für die Zukunft zu erschweren. So war denn von da an der indische Ocean nur vom Cap der guten Hoffnung aus zugänglich; die Portugiesen hüteten ihn als ihre Domäne, deren aus- schliessliches Eigenthum ihnen die höchste Autorität der Christenheit, der Pontifex maximus in Rom, zuerkannt hatte.
Indem die Spanier gleichzeitig vom Stillen Ocean Besitz nahmen, schloss sich der Ring der indo-germanischen Weltherrschaft rund um die Erde, die Völker des „erythräischen Culturkreises“ (Ratzel) waren ausgeschaltet aus der Kette, in der sie bis dahin ein wichtiges Glied gebildet hatten.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0550"n="534"/><fwplace="top"type="header">Der indische Ocean.</fw><lb/><p>Eine neue Epoche beginnt für den indischen Ocean mit dem<lb/>
Auftreten des arabischen Propheten und der Ausbreitung seiner Lehre<lb/>
bis Indien und Centralasien einerseits, Spanien und Marokko anderer-<lb/>
seits. Die Araber werden nun die ausschliesslichen Herren des indischen<lb/>
Oceans und unterwerfen insbesondere Ostafrika ihrem Einflusse, den sie<lb/>
daselbst bis zur Gegenwart, freilich von englischen und deutschen, ehe-<lb/>
mals auch von portugiesischen Mitbewerbern bedrängt, erhalten haben.</p><lb/><p>Was der mittelalterlichen Welt an indischen und chinesischen<lb/>
Producten zukommt, muss durch arabische Hände, muss durch die<lb/>
von ihnen beherrschten Engen des persischen oder arabischen Golfes,<lb/>
muss ihre Karawanenwege und Stapelplätze benützen, wo islamitische<lb/>
Despoten Abgaben und Preise der ein- und ausgehenden Waaren<lb/>
festsetzen. Nur der beschwerliche Ueberlandweg liegt ausserhalb<lb/>
der Grenze ihrer Machtsphäre.</p><lb/><p>Das wichtigste Ereigniss in der ferneren Geschichte des indischen<lb/>
Oceans, eines der folgenschwersten zugleich für die Entwicklung<lb/>
Europas und die Expansion der europäischen Cultur, „war die Ab-<lb/>
lenkung des indischen Handelsverkehrs aus dem schmalen Bette des<lb/>
arabischen Meerbusens nach dem Ocean, so dass die atlantischen<lb/>
Uferstaaten jene Vortheile genossen, welche früher ausschliesslich den<lb/>
Küsten des Mittelmeeres zu Gute kamen“ (O. Peschel). Mit der Ent-<lb/>
deckung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeo Diaz (1486) und<lb/>
des Seeweges an die Malabarküste (Vasco da Gama, 1498) schlug<lb/>
auch die Sterbestunde für die arabische Seeherrschaft. Im Jahre<lb/>
1513 stand ihr Pulsschlag still; denn in diesem Jahre drang der<lb/>
grosse portugiesische Statthalter Albuquerque über Sokotora und Aden<lb/>
ins Rothe Meer ein, nachdem 1507 bereits die arabischen Handels-<lb/>
Emporien Ormuz und Maskat von den Portugiesen besetzt worden<lb/>
waren. Das geschah aber nicht, um den genannten Plätzen neues<lb/>
Leben zuzuführen, sondern um die Eingänge in das Rothe und per-<lb/>
sische Meer für die Zukunft zu erschweren. So war denn von<lb/>
da an der indische Ocean nur vom Cap der guten Hoffnung aus<lb/>
zugänglich; die Portugiesen hüteten ihn als ihre Domäne, deren aus-<lb/>
schliessliches Eigenthum ihnen die höchste Autorität der Christenheit,<lb/>
der Pontifex maximus in Rom, zuerkannt hatte.</p><lb/><p>Indem die Spanier gleichzeitig vom Stillen Ocean Besitz nahmen,<lb/>
schloss sich der Ring der indo-germanischen Weltherrschaft rund um<lb/>
die Erde, die Völker des „erythräischen Culturkreises“ (Ratzel) waren<lb/>
ausgeschaltet aus der Kette, in der sie bis dahin ein wichtiges<lb/>
Glied gebildet hatten.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[534/0550]
Der indische Ocean.
Eine neue Epoche beginnt für den indischen Ocean mit dem
Auftreten des arabischen Propheten und der Ausbreitung seiner Lehre
bis Indien und Centralasien einerseits, Spanien und Marokko anderer-
seits. Die Araber werden nun die ausschliesslichen Herren des indischen
Oceans und unterwerfen insbesondere Ostafrika ihrem Einflusse, den sie
daselbst bis zur Gegenwart, freilich von englischen und deutschen, ehe-
mals auch von portugiesischen Mitbewerbern bedrängt, erhalten haben.
Was der mittelalterlichen Welt an indischen und chinesischen
Producten zukommt, muss durch arabische Hände, muss durch die
von ihnen beherrschten Engen des persischen oder arabischen Golfes,
muss ihre Karawanenwege und Stapelplätze benützen, wo islamitische
Despoten Abgaben und Preise der ein- und ausgehenden Waaren
festsetzen. Nur der beschwerliche Ueberlandweg liegt ausserhalb
der Grenze ihrer Machtsphäre.
Das wichtigste Ereigniss in der ferneren Geschichte des indischen
Oceans, eines der folgenschwersten zugleich für die Entwicklung
Europas und die Expansion der europäischen Cultur, „war die Ab-
lenkung des indischen Handelsverkehrs aus dem schmalen Bette des
arabischen Meerbusens nach dem Ocean, so dass die atlantischen
Uferstaaten jene Vortheile genossen, welche früher ausschliesslich den
Küsten des Mittelmeeres zu Gute kamen“ (O. Peschel). Mit der Ent-
deckung der Südspitze Afrikas durch Bartolomeo Diaz (1486) und
des Seeweges an die Malabarküste (Vasco da Gama, 1498) schlug
auch die Sterbestunde für die arabische Seeherrschaft. Im Jahre
1513 stand ihr Pulsschlag still; denn in diesem Jahre drang der
grosse portugiesische Statthalter Albuquerque über Sokotora und Aden
ins Rothe Meer ein, nachdem 1507 bereits die arabischen Handels-
Emporien Ormuz und Maskat von den Portugiesen besetzt worden
waren. Das geschah aber nicht, um den genannten Plätzen neues
Leben zuzuführen, sondern um die Eingänge in das Rothe und per-
sische Meer für die Zukunft zu erschweren. So war denn von
da an der indische Ocean nur vom Cap der guten Hoffnung aus
zugänglich; die Portugiesen hüteten ihn als ihre Domäne, deren aus-
schliessliches Eigenthum ihnen die höchste Autorität der Christenheit,
der Pontifex maximus in Rom, zuerkannt hatte.
Indem die Spanier gleichzeitig vom Stillen Ocean Besitz nahmen,
schloss sich der Ring der indo-germanischen Weltherrschaft rund um
die Erde, die Völker des „erythräischen Culturkreises“ (Ratzel) waren
ausgeschaltet aus der Kette, in der sie bis dahin ein wichtiges
Glied gebildet hatten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/550>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.