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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
welltem Bleche gedeckt; grosse Magazine, Bazare und chinesische
Verkaufsläden finden sich in reichlicher Menge zwischen den kleineren
Wohnhäusern verstreut. Die Strassen belebt eine grosse und bunt
zusammengewürfelte Menschenmenge, die eilfertig und rührig ihren
Geschäften nachgeht, dazwischen rasselt die Dampfstrassenbahn und
verkehren zahlreiche Fuhrwerke aller Art.

Im westlichen Theile der Stadt wohnen ausschliesslich Chinesen,
die aber meist Birmaninnen zu Frauen haben. Dieses Viertel ist in
Bezug auf das Aussehen seiner Häuser und Läden, die des Abends
mit zahlreichen Lampions beleuchtet sind, eine bis ins Einzelne ge-
naue Copie einer chinesischen Stadt. Die grosse Menge von Gar-
küchen mit ihren für den europäischen Gaumen zweifelhaften und
durchaus nicht einladend aussehenden Leckerbissen, die bunten
Tempel und die Lastträger mit ihren langen Bambusstangen, dies
Alles ist dazu angethan, dem Besucher des Chinesenquartiers die
Heimat der Söhne des himmlischen Reiches getreulich wiederzu-
spiegeln.

Im Nordwesten der Stadt liegt das "Cantonnement", die Euro-
päerstadt, mit breiten Strassen und ausgedehnten hübschen Gärten.
Hier befinden sich auch die Kasernen für 1330 Mann der Madras-
armee, an welche sich die Royal Lakes anschliessen. Dies sind ausser-
ordentlich schöne Parkanlagen, welche den Hügel der Dagon-Pagode
umgeben und mehrere hübsche Teiche enthalten, denen sie auch ihren
Namen verdanken.

Die Dagon-Pagode bildet einen schon seit vielen Jahrhunderten
besonders hoch gehaltenen Wallfahrtsort und ist nicht nur die grösste
Pagode Rangoons, sondern auch ganz Birmas.

Die Dampfstrassenbahn führt bis zum Fusse des Tempelhügels,
welcher die Terrasse der Pagode trägt. Zu beiden Seiten des Stiegen-
aufganges befinden sich zwei 12 m hohe, fratzenhafte Ungethüme,
welche Löwen vorstellen sollen, neben der Treppe Verkaufsläden und
Ruhehütten für die Pilger, die anlässlich des Jahresfestes des Dagon,
im März, aus allen Provinzen Birmas, aus Siam, Cambodja und selbst
aus Korea herbeiwandern.

Der Tempel selbst ist ein imposantes Gebäude in Pyramidenform,
das sich inmitten einer stufenförmigen Terrasse erhebt. Ueber dem
Reliquienschrein erhebt sich die imposante Stupa, ein thurmartiger
Bau ähnlich den siamesischen Pratschedis, der in eine feine Spitze
verläuft. Diese Thurmspitze, das Hti, befindet sich 118 m über dem
Pflaster der Terrasse und ist mit Goldplatten und kostbaren Steinen,

Der indische Ocean.
welltem Bleche gedeckt; grosse Magazine, Bazare und chinesische
Verkaufsläden finden sich in reichlicher Menge zwischen den kleineren
Wohnhäusern verstreut. Die Strassen belebt eine grosse und bunt
zusammengewürfelte Menschenmenge, die eilfertig und rührig ihren
Geschäften nachgeht, dazwischen rasselt die Dampfstrassenbahn und
verkehren zahlreiche Fuhrwerke aller Art.

Im westlichen Theile der Stadt wohnen ausschliesslich Chinesen,
die aber meist Birmaninnen zu Frauen haben. Dieses Viertel ist in
Bezug auf das Aussehen seiner Häuser und Läden, die des Abends
mit zahlreichen Lampions beleuchtet sind, eine bis ins Einzelne ge-
naue Copie einer chinesischen Stadt. Die grosse Menge von Gar-
küchen mit ihren für den europäischen Gaumen zweifelhaften und
durchaus nicht einladend aussehenden Leckerbissen, die bunten
Tempel und die Lastträger mit ihren langen Bambusstangen, dies
Alles ist dazu angethan, dem Besucher des Chinesenquartiers die
Heimat der Söhne des himmlischen Reiches getreulich wiederzu-
spiegeln.

Im Nordwesten der Stadt liegt das „Cantonnement“, die Euro-
päerstadt, mit breiten Strassen und ausgedehnten hübschen Gärten.
Hier befinden sich auch die Kasernen für 1330 Mann der Madras-
armee, an welche sich die Royal Lakes anschliessen. Dies sind ausser-
ordentlich schöne Parkanlagen, welche den Hügel der Dagon-Pagode
umgeben und mehrere hübsche Teiche enthalten, denen sie auch ihren
Namen verdanken.

Die Dagon-Pagode bildet einen schon seit vielen Jahrhunderten
besonders hoch gehaltenen Wallfahrtsort und ist nicht nur die grösste
Pagode Rangoons, sondern auch ganz Birmas.

Die Dampfstrassenbahn führt bis zum Fusse des Tempelhügels,
welcher die Terrasse der Pagode trägt. Zu beiden Seiten des Stiegen-
aufganges befinden sich zwei 12 m hohe, fratzenhafte Ungethüme,
welche Löwen vorstellen sollen, neben der Treppe Verkaufsläden und
Ruhehütten für die Pilger, die anlässlich des Jahresfestes des Dagon,
im März, aus allen Provinzen Birmas, aus Siam, Cambodja und selbst
aus Korea herbeiwandern.

Der Tempel selbst ist ein imposantes Gebäude in Pyramidenform,
das sich inmitten einer stufenförmigen Terrasse erhebt. Ueber dem
Reliquienschrein erhebt sich die imposante Stupa, ein thurmartiger
Bau ähnlich den siamesischen Pratschedis, der in eine feine Spitze
verläuft. Diese Thurmspitze, das Hti, befindet sich 118 m über dem
Pflaster der Terrasse und ist mit Goldplatten und kostbaren Steinen,

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[540/0556] Der indische Ocean. welltem Bleche gedeckt; grosse Magazine, Bazare und chinesische Verkaufsläden finden sich in reichlicher Menge zwischen den kleineren Wohnhäusern verstreut. Die Strassen belebt eine grosse und bunt zusammengewürfelte Menschenmenge, die eilfertig und rührig ihren Geschäften nachgeht, dazwischen rasselt die Dampfstrassenbahn und verkehren zahlreiche Fuhrwerke aller Art. Im westlichen Theile der Stadt wohnen ausschliesslich Chinesen, die aber meist Birmaninnen zu Frauen haben. Dieses Viertel ist in Bezug auf das Aussehen seiner Häuser und Läden, die des Abends mit zahlreichen Lampions beleuchtet sind, eine bis ins Einzelne ge- naue Copie einer chinesischen Stadt. Die grosse Menge von Gar- küchen mit ihren für den europäischen Gaumen zweifelhaften und durchaus nicht einladend aussehenden Leckerbissen, die bunten Tempel und die Lastträger mit ihren langen Bambusstangen, dies Alles ist dazu angethan, dem Besucher des Chinesenquartiers die Heimat der Söhne des himmlischen Reiches getreulich wiederzu- spiegeln. Im Nordwesten der Stadt liegt das „Cantonnement“, die Euro- päerstadt, mit breiten Strassen und ausgedehnten hübschen Gärten. Hier befinden sich auch die Kasernen für 1330 Mann der Madras- armee, an welche sich die Royal Lakes anschliessen. Dies sind ausser- ordentlich schöne Parkanlagen, welche den Hügel der Dagon-Pagode umgeben und mehrere hübsche Teiche enthalten, denen sie auch ihren Namen verdanken. Die Dagon-Pagode bildet einen schon seit vielen Jahrhunderten besonders hoch gehaltenen Wallfahrtsort und ist nicht nur die grösste Pagode Rangoons, sondern auch ganz Birmas. Die Dampfstrassenbahn führt bis zum Fusse des Tempelhügels, welcher die Terrasse der Pagode trägt. Zu beiden Seiten des Stiegen- aufganges befinden sich zwei 12 m hohe, fratzenhafte Ungethüme, welche Löwen vorstellen sollen, neben der Treppe Verkaufsläden und Ruhehütten für die Pilger, die anlässlich des Jahresfestes des Dagon, im März, aus allen Provinzen Birmas, aus Siam, Cambodja und selbst aus Korea herbeiwandern. Der Tempel selbst ist ein imposantes Gebäude in Pyramidenform, das sich inmitten einer stufenförmigen Terrasse erhebt. Ueber dem Reliquienschrein erhebt sich die imposante Stupa, ein thurmartiger Bau ähnlich den siamesischen Pratschedis, der in eine feine Spitze verläuft. Diese Thurmspitze, das Hti, befindet sich 118 m über dem Pflaster der Terrasse und ist mit Goldplatten und kostbaren Steinen,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/556>, abgerufen am 22.11.2024.