Die Mündung des Ganges bildet ein dem Po-Delta ähnliches jedoch 25mal grösseres, weitverzweigtes Delta, dessen Hauptader vor Zeiten der Hooghly (Hugli, Bhagirathi) war. Wenngleich der letztere noch immer ein mächtiger Stromarm ist, so bildet er derzeit doch nur einen Seitenausfluss des "heiligen", fisch- und krokodilreichen Ganges, der sich seinen Weg immer weiter ostwärts gebahnt hat und bei Goalanda, mit dem Brahmaputra vereinigt, in der nordöstlichsten Ecke des Golfes von Bengalen, in zahlreiche Arme zertheilt und ein Labyrinth von Inseln bildend, ins Meer mündet.
Dass der Hooghly noch immer auf 160 km, d. i. bis zu der an seinen Ufern liegenden Stadt Calcutta, für Seeschiffe fahrbar ist, konnte nur durch mühevolle, kostspielige und langwierige mensch- liche Arbeit erzielt werden. Die drei Nadija-Flüsse, aus denen sich der Hooghly oberhalb Calcutta zusammensetzt, werden jederzeit derart offen gehalten, dass sie genügend Wasser führen, um Verschlammungen des Strombettes hintanzuhalten. Wie bei den meisten Mündungen grosser Ströme in die offene See, so macht sich auch im Hooghly der Ein- fluss der Fluthwelle in hohem Masse geltend, indem sie bedeutende Niveauunterschiede, oftmals bis zu 6 m, erzeugt und noch an 200 km landeinwärts von der Mündung fühlbar ist. Bei den Einmündungen der Flüsse Damoodah und Roopnarayan wird das Fahrwasser durch fortwährende Ablagerungen eingeengt und verschlammt, so dass es bei der James and Mary Bank bei Ebbe nur 3 m Tiefe hat. Diese Bank, deren Name von den indischen Worten "jal" und "mari" (Wasser, unglückbringend) abgeleitet wird, bildet die gefährlichste Stelle der Navigation im Hooghly, die schon zahlreiche Unglücks- fälle verursacht hat. Schiffe, die an dieser Stelle stranden, kentern infolge der starken Strömung in kurzer Zeit und versinken im Ver- laufe weniger Minuten spurlos im Schlamme (1878 der grosse eng- lische Dampfer "Queen Anne"). In den Monaten Mai, August und
Calcutta.
Die Mündung des Ganges bildet ein dem Po-Delta ähnliches jedoch 25mal grösseres, weitverzweigtes Delta, dessen Hauptader vor Zeiten der Hooghly (Hugli, Bhagirathi) war. Wenngleich der letztere noch immer ein mächtiger Stromarm ist, so bildet er derzeit doch nur einen Seitenausfluss des „heiligen“, fisch- und krokodilreichen Ganges, der sich seinen Weg immer weiter ostwärts gebahnt hat und bei Goalanda, mit dem Brahmaputra vereinigt, in der nordöstlichsten Ecke des Golfes von Bengalen, in zahlreiche Arme zertheilt und ein Labyrinth von Inseln bildend, ins Meer mündet.
Dass der Hooghly noch immer auf 160 km, d. i. bis zu der an seinen Ufern liegenden Stadt Calcutta, für Seeschiffe fahrbar ist, konnte nur durch mühevolle, kostspielige und langwierige mensch- liche Arbeit erzielt werden. Die drei Nadija-Flüsse, aus denen sich der Hooghly oberhalb Calcutta zusammensetzt, werden jederzeit derart offen gehalten, dass sie genügend Wasser führen, um Verschlammungen des Strombettes hintanzuhalten. Wie bei den meisten Mündungen grosser Ströme in die offene See, so macht sich auch im Hooghly der Ein- fluss der Fluthwelle in hohem Masse geltend, indem sie bedeutende Niveauunterschiede, oftmals bis zu 6 m, erzeugt und noch an 200 km landeinwärts von der Mündung fühlbar ist. Bei den Einmündungen der Flüsse Damoodah und Roopnarayan wird das Fahrwasser durch fortwährende Ablagerungen eingeengt und verschlammt, so dass es bei der James and Mary Bank bei Ebbe nur 3 m Tiefe hat. Diese Bank, deren Name von den indischen Worten „jal“ und „mári“ (Wasser, unglückbringend) abgeleitet wird, bildet die gefährlichste Stelle der Navigation im Hooghly, die schon zahlreiche Unglücks- fälle verursacht hat. Schiffe, die an dieser Stelle stranden, kentern infolge der starken Strömung in kurzer Zeit und versinken im Ver- laufe weniger Minuten spurlos im Schlamme (1878 der grosse eng- lische Dampfer „Queen Anne“). In den Monaten Mai, August und
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Calcutta.
Die Mündung des Ganges bildet ein dem Po-Delta ähnliches
jedoch 25mal grösseres, weitverzweigtes Delta, dessen Hauptader vor
Zeiten der Hooghly (Hugli, Bhagirathi) war. Wenngleich der letztere
noch immer ein mächtiger Stromarm ist, so bildet er derzeit doch
nur einen Seitenausfluss des „heiligen“, fisch- und krokodilreichen
Ganges, der sich seinen Weg immer weiter ostwärts gebahnt hat und
bei Goalanda, mit dem Brahmaputra vereinigt, in der nordöstlichsten
Ecke des Golfes von Bengalen, in zahlreiche Arme zertheilt und ein
Labyrinth von Inseln bildend, ins Meer mündet.
Dass der Hooghly noch immer auf 160 km, d. i. bis zu der an
seinen Ufern liegenden Stadt Calcutta, für Seeschiffe fahrbar ist,
konnte nur durch mühevolle, kostspielige und langwierige mensch-
liche Arbeit erzielt werden. Die drei Nadija-Flüsse, aus denen sich
der Hooghly oberhalb Calcutta zusammensetzt, werden jederzeit derart
offen gehalten, dass sie genügend Wasser führen, um Verschlammungen
des Strombettes hintanzuhalten. Wie bei den meisten Mündungen grosser
Ströme in die offene See, so macht sich auch im Hooghly der Ein-
fluss der Fluthwelle in hohem Masse geltend, indem sie bedeutende
Niveauunterschiede, oftmals bis zu 6 m, erzeugt und noch an 200 km
landeinwärts von der Mündung fühlbar ist. Bei den Einmündungen
der Flüsse Damoodah und Roopnarayan wird das Fahrwasser durch
fortwährende Ablagerungen eingeengt und verschlammt, so dass es
bei der James and Mary Bank bei Ebbe nur 3 m Tiefe hat. Diese
Bank, deren Name von den indischen Worten „jal“ und „mári“
(Wasser, unglückbringend) abgeleitet wird, bildet die gefährlichste
Stelle der Navigation im Hooghly, die schon zahlreiche Unglücks-
fälle verursacht hat. Schiffe, die an dieser Stelle stranden, kentern
infolge der starken Strömung in kurzer Zeit und versinken im Ver-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [548]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/564>, abgerufen am 22.11.2024.
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