sich die Bevölkerung der Stadt in Hindus, welche sieben Zehntel der Gesammtzahl umfassen, in Mohammedaner, Parsen, Juden und Christen.
Die Verschiedenheit der in Bombay vertretenen Rassen, Natio- nalitäten und Confessionen ist geradezu ausserordentlich, wie das schon aus den verschiedenartigen Trachten und Sitten hervorgeht, die den Bazaren der Black Town ein fast kaleidoskopartiges Ge- präge verleihen.
Unter den zahlreichen Hindustämmen sind die Banianen, Mar- waris und Mahraten am häufigsten vertreten. Die Banianen sind von altersher die geschicktesten und thätigsten Kaufleute Indiens. Yule gibt in seinem Werke über Marco Polo's Reisen eine in Surate land- läufige, treffende Charakteristik dieses Stammes: Man braucht drei Juden, um aus ihnen einen Chinesen zu machen, doch geben erst drei Chinesen einen Banianen. Die Marwaris beschäftigen sich haupt- sächlich mit Geldgeschäften im Kleinen und sind oft arge Wucherer. Die Mahraten haben ihre kriegerischen Eigenschaften, die der briti- schen Regierung oft schwere Stunden bereitet hatten, wenigstens in Bombay heutzutage ganz abgestreift. Man findet sie häufig als Rechtsanwälte und als Beamte in zahlreichen Aemtern; bei geringerem Bildungsgrade sind sie häufig als Kutscher, Reitknechte u. s. f. be- dienstet. Grundzug im Charakter aller Hindus ist eine gewisse Weich- heit und Milde, die namentlich auch in dem Verkehre gegenüber der Thierwelt zu Tage tritt.
In Bombay besteht auch ein Thierspital, das Pinjra Pol, das fast gänzlich durch freiwillige Spenden der Banianen erhalten wird. In diesem Thierspital, das besser ein Asyl für alte und kranke Thiere zu nennen wäre, finden solche zwar keine thierärztliche Behandlung, doch bis zu ihrem Eingehen ein Gnadenbrot. Die jährlichen Kosten dieses Thierspitals belaufen sich auf 100.000 Rupien.
Ein interessanter und seiner Religion nach den Christen nahe- stehender Stamm sind die Parsen, die in der Bevölkerung Bombays eine angesehene und einflussreiche Stellung einnehmen. Die Re- gierung säumte daher auch nicht, in richtiger Würdigung dieser Thatsache, zu wiederholten Malen hervorragende Persönlichkeiten dieser Gemeinde auszuzeichnen und ihnen z. B. auch den Rittertitel zu verleihen. Ein grosser Theil des Handels von Bombay ist in den Händen der Parsen; so zählt man beispielsweise in dieser Stadt über 50 grosse parsische Handlungshäuser, während die unteren Classen nicht nur treffliche, sondern auch äusserst strebsame und rührige Handwerker abgeben. Die eigenthümliche, Andersgläubigen geradezu
Der indische Ocean.
sich die Bevölkerung der Stadt in Hindus, welche sieben Zehntel der Gesammtzahl umfassen, in Mohammedaner, Parsen, Juden und Christen.
Die Verschiedenheit der in Bombay vertretenen Rassen, Natio- nalitäten und Confessionen ist geradezu ausserordentlich, wie das schon aus den verschiedenartigen Trachten und Sitten hervorgeht, die den Bazaren der Black Town ein fast kaleidoskopartiges Ge- präge verleihen.
Unter den zahlreichen Hindustämmen sind die Banianen, Mar- waris und Mahraten am häufigsten vertreten. Die Banianen sind von altersher die geschicktesten und thätigsten Kaufleute Indiens. Yule gibt in seinem Werke über Marco Polo’s Reisen eine in Surate land- läufige, treffende Charakteristik dieses Stammes: Man braucht drei Juden, um aus ihnen einen Chinesen zu machen, doch geben erst drei Chinesen einen Banianen. Die Marwaris beschäftigen sich haupt- sächlich mit Geldgeschäften im Kleinen und sind oft arge Wucherer. Die Mahraten haben ihre kriegerischen Eigenschaften, die der briti- schen Regierung oft schwere Stunden bereitet hatten, wenigstens in Bombay heutzutage ganz abgestreift. Man findet sie häufig als Rechtsanwälte und als Beamte in zahlreichen Aemtern; bei geringerem Bildungsgrade sind sie häufig als Kutscher, Reitknechte u. s. f. be- dienstet. Grundzug im Charakter aller Hindus ist eine gewisse Weich- heit und Milde, die namentlich auch in dem Verkehre gegenüber der Thierwelt zu Tage tritt.
In Bombay besteht auch ein Thierspital, das Pinjra Pol, das fast gänzlich durch freiwillige Spenden der Banianen erhalten wird. In diesem Thierspital, das besser ein Asyl für alte und kranke Thiere zu nennen wäre, finden solche zwar keine thierärztliche Behandlung, doch bis zu ihrem Eingehen ein Gnadenbrot. Die jährlichen Kosten dieses Thierspitals belaufen sich auf 100.000 Rupien.
Ein interessanter und seiner Religion nach den Christen nahe- stehender Stamm sind die Parsen, die in der Bevölkerung Bombays eine angesehene und einflussreiche Stellung einnehmen. Die Re- gierung säumte daher auch nicht, in richtiger Würdigung dieser Thatsache, zu wiederholten Malen hervorragende Persönlichkeiten dieser Gemeinde auszuzeichnen und ihnen z. B. auch den Rittertitel zu verleihen. Ein grosser Theil des Handels von Bombay ist in den Händen der Parsen; so zählt man beispielsweise in dieser Stadt über 50 grosse parsische Handlungshäuser, während die unteren Classen nicht nur treffliche, sondern auch äusserst strebsame und rührige Handwerker abgeben. Die eigenthümliche, Andersgläubigen geradezu
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[600/0616]
Der indische Ocean.
sich die Bevölkerung der Stadt in Hindus, welche sieben Zehntel der
Gesammtzahl umfassen, in Mohammedaner, Parsen, Juden und Christen.
Die Verschiedenheit der in Bombay vertretenen Rassen, Natio-
nalitäten und Confessionen ist geradezu ausserordentlich, wie das
schon aus den verschiedenartigen Trachten und Sitten hervorgeht,
die den Bazaren der Black Town ein fast kaleidoskopartiges Ge-
präge verleihen.
Unter den zahlreichen Hindustämmen sind die Banianen, Mar-
waris und Mahraten am häufigsten vertreten. Die Banianen sind von
altersher die geschicktesten und thätigsten Kaufleute Indiens. Yule
gibt in seinem Werke über Marco Polo’s Reisen eine in Surate land-
läufige, treffende Charakteristik dieses Stammes: Man braucht drei
Juden, um aus ihnen einen Chinesen zu machen, doch geben erst
drei Chinesen einen Banianen. Die Marwaris beschäftigen sich haupt-
sächlich mit Geldgeschäften im Kleinen und sind oft arge Wucherer.
Die Mahraten haben ihre kriegerischen Eigenschaften, die der briti-
schen Regierung oft schwere Stunden bereitet hatten, wenigstens in
Bombay heutzutage ganz abgestreift. Man findet sie häufig als
Rechtsanwälte und als Beamte in zahlreichen Aemtern; bei geringerem
Bildungsgrade sind sie häufig als Kutscher, Reitknechte u. s. f. be-
dienstet. Grundzug im Charakter aller Hindus ist eine gewisse Weich-
heit und Milde, die namentlich auch in dem Verkehre gegenüber der
Thierwelt zu Tage tritt.
In Bombay besteht auch ein Thierspital, das Pinjra Pol, das
fast gänzlich durch freiwillige Spenden der Banianen erhalten wird.
In diesem Thierspital, das besser ein Asyl für alte und kranke Thiere
zu nennen wäre, finden solche zwar keine thierärztliche Behandlung,
doch bis zu ihrem Eingehen ein Gnadenbrot. Die jährlichen Kosten
dieses Thierspitals belaufen sich auf 100.000 Rupien.
Ein interessanter und seiner Religion nach den Christen nahe-
stehender Stamm sind die Parsen, die in der Bevölkerung Bombays
eine angesehene und einflussreiche Stellung einnehmen. Die Re-
gierung säumte daher auch nicht, in richtiger Würdigung dieser
Thatsache, zu wiederholten Malen hervorragende Persönlichkeiten
dieser Gemeinde auszuzeichnen und ihnen z. B. auch den Rittertitel
zu verleihen. Ein grosser Theil des Handels von Bombay ist in den
Händen der Parsen; so zählt man beispielsweise in dieser Stadt über
50 grosse parsische Handlungshäuser, während die unteren Classen
nicht nur treffliche, sondern auch äusserst strebsame und rührige
Handwerker abgeben. Die eigenthümliche, Andersgläubigen geradezu
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/616>, abgerufen am 22.11.2024.
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