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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte
bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu setzen,
wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich
selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt,
dass solches nicht wohl gethan, und zwar den Italiänern als Vor-
gängern
zu gut zu halten; es werde aber von einer Versammlung so
vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem
so mächtigen König ein mehrers erwartet, inmassen durch Erklärung
der Kunst-Worte die Wissenschafften selbst erläutert und befördert
würden, welches auch einige wol begriffen.

37. Weilen sie aber inzwischen bey der angefangenen Arbeit ge-
blieben, hat einer unter ihnen Furetiere genannt, sich aus eigener
Lust über die Kunst-Worte zugleich mit gemachet, welches die Aca-
demie übel genommen, und sein Werck verhindert, und da es in
Holland heraus kommen, einem andern aus ihrem Mittel dergleichen
aufgetragen; also dass die Leidenschafften zuwege gebracht, was die
Vernunfft nicht erhalten mögen.

38. Als mir nun auch vor einigen Jahren Nachricht geben worden,
dass die Engländer ebenmässig mit einem grossen Werck umgiengen,
so dem Frantzösischen damahls noch nicht erschienenen Wörter-Buch
nichts weichen solte, habe ich so fort angehalten, dass sie auch auff
Kunst-Worte dencken möchten, mit dem Bedeuten, was massen ich
Nachricht erhalten hätte, dass die Frantzosen sich auch in diesem
Stück eines bessern bedacht, vernehme auch nunmehr, dass die Eng-
länder würcklich mit dergleichen anietzo begriffen.

39. Ich hoffe auch, dass die Welschen, um andern nicht nachzu-
geben, endlich nicht weniger diesen ihren Abgang ersetzen dürfften,
zumahlen ich selbst bey guten Freunden deswegen Anregung zu thun,
die Freyheit genommen. Und wenn man dergestalt die Technica oder
Kunst-Worte vieler Nationen beysammen hätte, ist kein Zweiffel, dass
durch deren Gegeneinander-Haltung den Künsten selbst ein grosses Licht
angezündet werden dürffte, weiln in einem Land diese, in dem andern
die andern Künste besser getrieben werden, und jede Kunst an ihrem Ort
und Sitz mehr mit besondern Nahmen und Redens-Arten versehen.

40. Und weiln wie oberwehnet, die Teutschen sich über alle an-
dere Nationen in den Würcklichkeiten der Natur und Kunst so vor-
treflich erwiesen, so würde ein Teutsches Werck der Kunst-Worte
einen rechten Schatz guter Nachrichtungen in sich begreiffen, und

Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte
bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu setzen,
wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich
selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt,
dass solches nicht wohl gethan, und zwar den Italiänern als Vor-
gängern
zu gut zu halten; es werde aber von einer Versammlung so
vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem
so mächtigen König ein mehrers erwartet, inmassen durch Erklärung
der Kunst-Worte die Wissenschafften selbst erläutert und befördert
würden, welches auch einige wol begriffen.

37. Weilen sie aber inzwischen bey der angefangenen Arbeit ge-
blieben, hat einer unter ihnen Furetiere genannt, sich aus eigener
Lust über die Kunst-Worte zugleich mit gemachet, welches die Aca-
demie übel genommen, und sein Werck verhindert, und da es in
Holland heraus kommen, einem andern aus ihrem Mittel dergleichen
aufgetragen; also dass die Leidenschafften zuwege gebracht, was die
Vernunfft nicht erhalten mögen.

38. Als mir nun auch vor einigen Jahren Nachricht geben worden,
dass die Engländer ebenmässig mit einem grossen Werck umgiengen,
so dem Frantzösischen damahls noch nicht erschienenen Wörter-Buch
nichts weichen solte, habe ich so fort angehalten, dass sie auch auff
Kunst-Worte dencken möchten, mit dem Bedeuten, was massen ich
Nachricht erhalten hätte, dass die Frantzosen sich auch in diesem
Stück eines bessern bedacht, vernehme auch nunmehr, dass die Eng-
länder würcklich mit dergleichen anietzo begriffen.

39. Ich hoffe auch, dass die Welschen, um andern nicht nachzu-
geben, endlich nicht weniger diesen ihren Abgang ersetzen dürfften,
zumahlen ich selbst bey guten Freunden deswegen Anregung zu thun,
die Freyheit genommen. Und wenn man dergestalt die Technica oder
Kunst-Worte vieler Nationen beysammen hätte, ist kein Zweiffel, dass
durch deren Gegeneinander-Haltung den Künsten selbst ein grosses Licht
angezündet werden dürffte, weiln in einem Land diese, in dem andern
die andern Künste besser getrieben werden, und jede Kunst an ihrem Ort
und Sitz mehr mit besondern Nahmen und Redens-Arten versehen.

40. Und weiln wie oberwehnet, die Teutschen sich über alle an-
dere Nationen in den Würcklichkeiten der Natur und Kunst so vor-
treflich erwiesen, so würde ein Teutsches Werck der Kunst-Worte
einen rechten Schatz guter Nachrichtungen in sich begreiffen, und

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[338/0012] Arbeit aufgegeben. Sie waren aber beyderseits nur auff läuffige Worte bedacht, und vermeinten die Kunst-Wörter an die Seite zu setzen, wie auch die Crusca würcklich gethan; ich habe aber in Franckreich selbst etlichen vornehmen Gliedern meine wenige Meynung gesagt, dass solches nicht wohl gethan, und zwar den Italiänern als Vor- gängern zu gut zu halten; es werde aber von einer Versammlung so vieler trefflicher Leute in einem blühenden Königreiche unter einem so mächtigen König ein mehrers erwartet, inmassen durch Erklärung der Kunst-Worte die Wissenschafften selbst erläutert und befördert würden, welches auch einige wol begriffen. 37. Weilen sie aber inzwischen bey der angefangenen Arbeit ge- blieben, hat einer unter ihnen Furetiere genannt, sich aus eigener Lust über die Kunst-Worte zugleich mit gemachet, welches die Aca- demie übel genommen, und sein Werck verhindert, und da es in Holland heraus kommen, einem andern aus ihrem Mittel dergleichen aufgetragen; also dass die Leidenschafften zuwege gebracht, was die Vernunfft nicht erhalten mögen. 38. Als mir nun auch vor einigen Jahren Nachricht geben worden, dass die Engländer ebenmässig mit einem grossen Werck umgiengen, so dem Frantzösischen damahls noch nicht erschienenen Wörter-Buch nichts weichen solte, habe ich so fort angehalten, dass sie auch auff Kunst-Worte dencken möchten, mit dem Bedeuten, was massen ich Nachricht erhalten hätte, dass die Frantzosen sich auch in diesem Stück eines bessern bedacht, vernehme auch nunmehr, dass die Eng- länder würcklich mit dergleichen anietzo begriffen. 39. Ich hoffe auch, dass die Welschen, um andern nicht nachzu- geben, endlich nicht weniger diesen ihren Abgang ersetzen dürfften, zumahlen ich selbst bey guten Freunden deswegen Anregung zu thun, die Freyheit genommen. Und wenn man dergestalt die Technica oder Kunst-Worte vieler Nationen beysammen hätte, ist kein Zweiffel, dass durch deren Gegeneinander-Haltung den Künsten selbst ein grosses Licht angezündet werden dürffte, weiln in einem Land diese, in dem andern die andern Künste besser getrieben werden, und jede Kunst an ihrem Ort und Sitz mehr mit besondern Nahmen und Redens-Arten versehen. 40. Und weiln wie oberwehnet, die Teutschen sich über alle an- dere Nationen in den Würcklichkeiten der Natur und Kunst so vor- treflich erwiesen, so würde ein Teutsches Werck der Kunst-Worte einen rechten Schatz guter Nachrichtungen in sich begreiffen, und

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/12>, abgerufen am 23.11.2024.