Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.Nimbus statt des Brautkranzes hineinbrächte, und wenn der Priester, statt des Segens, den Bannfluch über uns bis ins tausendste Glied aus- spräche. Jn diesem Saal will ich ihren Schleyer zerreissen, das schwör ich Jhnen bey meiner fürst- lichen Ehre. Aebtissin. Jch darf nichts, als Sie bedauern. Julius. Wie ich sage, Sie sollen mir haf- ten. Und find' ich zu der Zeit, die Sie wissen, daß der Verdrus nur einen ihrer Züge tiefer ge- macht hat -- ich werde schon unterscheiden, was die Traurigkeit gethan hat, -- so zerstör ich -- merken Sie sich das, Frau Aebtissin! -- so zer- stör' ich Jhr Kloster bis auf den Altar, und Jhre Schuzheilige wird dazu lächeln, wenn sie eine Heilige ist. Aebtissin. Gnädiger Herr, wir sind nur Schaafe, aber wir haben einen Hirten. Julius. (geht einigemal auf und ab) Wie lange sind Sie im Kloster? Aebtissin. Neunzehn Jahr. Julius. Was schied Sie von der Welt -- die Andacht oder diese Mauren? Haben Sie nie geliebt? Waren sie eher Nonne als Weib? Aebtissin. Ach Prinz, lassen Sie mich. (Sie weint) Neunzehn Jahr hab' ich geweint und noch Thränen! Nimbus ſtatt des Brautkranzes hineinbraͤchte, und wenn der Prieſter, ſtatt des Segens, den Bannfluch uͤber uns bis ins tauſendſte Glied aus- ſpraͤche. Jn dieſem Saal will ich ihren Schleyer zerreiſſen, das ſchwoͤr ich Jhnen bey meiner fuͤrſt- lichen Ehre. Aebtiſſin. Jch darf nichts, als Sie bedauern. Julius. Wie ich ſage, Sie ſollen mir haf- ten. Und find’ ich zu der Zeit, die Sie wiſſen, daß der Verdrus nur einen ihrer Zuͤge tiefer ge- macht hat — ich werde ſchon unterſcheiden, was die Traurigkeit gethan hat, — ſo zerſtoͤr ich — merken Sie ſich das, Frau Aebtiſſin! — ſo zer- ſtoͤr’ ich Jhr Kloſter bis auf den Altar, und Jhre Schuzheilige wird dazu laͤcheln, wenn ſie eine Heilige iſt. Aebtiſſin. Gnaͤdiger Herr, wir ſind nur Schaafe, aber wir haben einen Hirten. Julius. (geht einigemal auf und ab) Wie lange ſind Sie im Kloſter? Aebtiſſin. Neunzehn Jahr. Julius. Was ſchied Sie von der Welt — die Andacht oder dieſe Mauren? Haben Sie nie geliebt? Waren ſie eher Nonne als Weib? Aebtiſſin. Ach Prinz, laſſen Sie mich. (Sie weint) Neunzehn Jahr hab’ ich geweint und noch Thraͤnen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#JUL"> <p><pb facs="#f0036" n="32"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Nimbus ſtatt des Brautkranzes hineinbraͤchte,<lb/> und wenn der Prieſter, ſtatt des Segens, den<lb/> Bannfluch uͤber uns bis ins tauſendſte Glied aus-<lb/> ſpraͤche. Jn dieſem Saal will ich ihren Schleyer<lb/> zerreiſſen, das ſchwoͤr ich Jhnen bey meiner fuͤrſt-<lb/> lichen Ehre.</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Jch darf nichts, als Sie bedauern.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Wie ich ſage, Sie ſollen mir haf-<lb/> ten. Und find’ ich zu der Zeit, die Sie wiſſen,<lb/> daß der Verdrus nur einen ihrer Zuͤge tiefer ge-<lb/> macht hat — ich werde ſchon unterſcheiden, was<lb/> die Traurigkeit gethan hat, — ſo zerſtoͤr ich —<lb/> merken Sie ſich das, Frau Aebtiſſin! — ſo zer-<lb/> ſtoͤr’ ich Jhr Kloſter bis auf den Altar, und Jhre<lb/> Schuzheilige wird dazu laͤcheln, wenn ſie eine<lb/> Heilige iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Gnaͤdiger Herr, wir ſind nur<lb/> Schaafe, aber wir haben einen Hirten.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <stage>(geht einigemal auf und ab)</stage> <p>Wie<lb/> lange ſind Sie im Kloſter?</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Neunzehn Jahr.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Was ſchied Sie von der Welt —<lb/> die Andacht oder dieſe Mauren? Haben Sie nie<lb/> geliebt? Waren ſie eher Nonne als Weib?</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Ach Prinz, laſſen Sie mich.</p><lb/> <stage>(Sie weint)</stage> <p>Neunzehn Jahr hab’ ich geweint<lb/> und noch Thraͤnen!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0036]
Nimbus ſtatt des Brautkranzes hineinbraͤchte,
und wenn der Prieſter, ſtatt des Segens, den
Bannfluch uͤber uns bis ins tauſendſte Glied aus-
ſpraͤche. Jn dieſem Saal will ich ihren Schleyer
zerreiſſen, das ſchwoͤr ich Jhnen bey meiner fuͤrſt-
lichen Ehre.
Aebtiſſin. Jch darf nichts, als Sie bedauern.
Julius. Wie ich ſage, Sie ſollen mir haf-
ten. Und find’ ich zu der Zeit, die Sie wiſſen,
daß der Verdrus nur einen ihrer Zuͤge tiefer ge-
macht hat — ich werde ſchon unterſcheiden, was
die Traurigkeit gethan hat, — ſo zerſtoͤr ich —
merken Sie ſich das, Frau Aebtiſſin! — ſo zer-
ſtoͤr’ ich Jhr Kloſter bis auf den Altar, und Jhre
Schuzheilige wird dazu laͤcheln, wenn ſie eine
Heilige iſt.
Aebtiſſin. Gnaͤdiger Herr, wir ſind nur
Schaafe, aber wir haben einen Hirten.
Julius. (geht einigemal auf und ab) Wie
lange ſind Sie im Kloſter?
Aebtiſſin. Neunzehn Jahr.
Julius. Was ſchied Sie von der Welt —
die Andacht oder dieſe Mauren? Haben Sie nie
geliebt? Waren ſie eher Nonne als Weib?
Aebtiſſin. Ach Prinz, laſſen Sie mich.
(Sie weint) Neunzehn Jahr hab’ ich geweint
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