Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


Julius. O meine Blanka!
Blanka. (tritt einige Schritte zurück) Kei-
nen Kirchenraub, Prinz!
Julius. Keinen Meineid, Blanka.
Blanka. Nein -- denn ich hoffe dem Him-
mel mein Wort zu halten.
Julius. Deine Gelübde sind Meineid. Kan
der zweyte Schwur, wenn er auch dem Himmel
geschworen, wieder den ersten entkräften? Was
ist denn beschworne Treue? Ein verschlossener
Schaz, zu dem jeder Dieb den Schlüssel hat! --
Aber Du hast dem Himmel nicht gelobet. Deine
Gelübde sind nicht bis zu ihm gedrungen. Der
Schuzgeist unsrer Verbindung hat sie noch in
Verwahrung, und der wird sie Dir am Tage un-
srer Hochzeit, zum Brautgeschenk wieder geben.
Blanka. Jch habe vor jenem Altar, Jhnen
und der Welt auf ewig entsagt, meinen Kranz zu
den Füssen des Altars gelegt, mich selbst, oder
vielmehr meine Liebe, dem Himmel geopfert. --
Ach sie durchdrang mich so ganz, war so mein
Alles; -- hätt' ich mich ohne diese dem Himmel
geopfert, so hätt' ich ihm nichts, höchstens Spott,
dargebracht.

Dieser Schleyer ward an jenem feyerlichen
Tage die Scheidewand zwischen mir und der Welt!
-- Kein Seufzer, kein Wunsch darf zurück. Will


Julius. O meine Blanka!
Blanka. (tritt einige Schritte zuruͤck) Kei-
nen Kirchenraub, Prinz!
Julius. Keinen Meineid, Blanka.
Blanka. Nein — denn ich hoffe dem Him-
mel mein Wort zu halten.
Julius. Deine Geluͤbde ſind Meineid. Kan
der zweyte Schwur, wenn er auch dem Himmel
geſchworen, wieder den erſten entkraͤften? Was
iſt denn beſchworne Treue? Ein verſchloſſener
Schaz, zu dem jeder Dieb den Schluͤſſel hat! —
Aber Du haſt dem Himmel nicht gelobet. Deine
Geluͤbde ſind nicht bis zu ihm gedrungen. Der
Schuzgeiſt unſrer Verbindung hat ſie noch in
Verwahrung, und der wird ſie Dir am Tage un-
ſrer Hochzeit, zum Brautgeſchenk wieder geben.
Blanka. Jch habe vor jenem Altar, Jhnen
und der Welt auf ewig entſagt, meinen Kranz zu
den Fuͤſſen des Altars gelegt, mich ſelbſt, oder
vielmehr meine Liebe, dem Himmel geopfert. —
Ach ſie durchdrang mich ſo ganz, war ſo mein
Alles; — haͤtt’ ich mich ohne dieſe dem Himmel
geopfert, ſo haͤtt’ ich ihm nichts, hoͤchſtens Spott,
dargebracht.

Dieſer Schleyer ward an jenem feyerlichen
Tage die Scheidewand zwiſchen mir und der Welt!
— Kein Seufzer, kein Wunſch darf zuruͤck. Will
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0038" n="34"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <sp who="#JUL">
            <speaker>Julius.</speaker>
            <p>O meine Blanka!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BLA">
            <speaker>Blanka.</speaker>
            <stage>(tritt einige Schritte zuru&#x0364;ck)</stage>
            <p>Kei-<lb/>
nen Kirchenraub, Prinz!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUL">
            <speaker>Julius.</speaker>
            <p>Keinen Meineid, Blanka.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BLA">
            <speaker>Blanka.</speaker>
            <p>Nein &#x2014; denn ich hoffe dem Him-<lb/>
mel mein Wort zu halten.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#JUL">
            <speaker>Julius.</speaker>
            <p>Deine Gelu&#x0364;bde &#x017F;ind Meineid. Kan<lb/>
der zweyte Schwur, wenn er auch dem Himmel<lb/>
ge&#x017F;chworen, wieder den er&#x017F;ten entkra&#x0364;ften? Was<lb/>
i&#x017F;t denn be&#x017F;chworne Treue? Ein ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ener<lb/>
Schaz, zu dem jeder Dieb den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el hat! &#x2014;<lb/>
Aber Du ha&#x017F;t dem Himmel nicht gelobet. Deine<lb/>
Gelu&#x0364;bde &#x017F;ind nicht bis zu ihm gedrungen. Der<lb/>
Schuzgei&#x017F;t un&#x017F;rer Verbindung hat &#x017F;ie noch in<lb/>
Verwahrung, und der wird &#x017F;ie Dir am Tage un-<lb/>
&#x017F;rer Hochzeit, zum Brautge&#x017F;chenk wieder geben.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#BLA">
            <speaker>Blanka.</speaker>
            <p>Jch habe vor jenem Altar, Jhnen<lb/>
und der Welt auf ewig ent&#x017F;agt, meinen Kranz zu<lb/>
den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en des Altars gelegt, mich &#x017F;elb&#x017F;t, oder<lb/>
vielmehr meine Liebe, dem Himmel geopfert. &#x2014;<lb/>
Ach &#x017F;ie durchdrang mich &#x017F;o ganz, war &#x017F;o mein<lb/>
Alles; &#x2014; ha&#x0364;tt&#x2019; ich mich ohne die&#x017F;e dem Himmel<lb/>
geopfert, &#x017F;o ha&#x0364;tt&#x2019; ich ihm nichts, ho&#x0364;ch&#x017F;tens Spott,<lb/>
dargebracht.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Schleyer ward an jenem feyerlichen<lb/>
Tage die Scheidewand zwi&#x017F;chen mir und der Welt!<lb/>
&#x2014; Kein Seufzer, kein Wun&#x017F;ch darf zuru&#x0364;ck. Will<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0038] Julius. O meine Blanka! Blanka. (tritt einige Schritte zuruͤck) Kei- nen Kirchenraub, Prinz! Julius. Keinen Meineid, Blanka. Blanka. Nein — denn ich hoffe dem Him- mel mein Wort zu halten. Julius. Deine Geluͤbde ſind Meineid. Kan der zweyte Schwur, wenn er auch dem Himmel geſchworen, wieder den erſten entkraͤften? Was iſt denn beſchworne Treue? Ein verſchloſſener Schaz, zu dem jeder Dieb den Schluͤſſel hat! — Aber Du haſt dem Himmel nicht gelobet. Deine Geluͤbde ſind nicht bis zu ihm gedrungen. Der Schuzgeiſt unſrer Verbindung hat ſie noch in Verwahrung, und der wird ſie Dir am Tage un- ſrer Hochzeit, zum Brautgeſchenk wieder geben. Blanka. Jch habe vor jenem Altar, Jhnen und der Welt auf ewig entſagt, meinen Kranz zu den Fuͤſſen des Altars gelegt, mich ſelbſt, oder vielmehr meine Liebe, dem Himmel geopfert. — Ach ſie durchdrang mich ſo ganz, war ſo mein Alles; — haͤtt’ ich mich ohne dieſe dem Himmel geopfert, ſo haͤtt’ ich ihm nichts, hoͤchſtens Spott, dargebracht. Dieſer Schleyer ward an jenem feyerlichen Tage die Scheidewand zwiſchen mir und der Welt! — Kein Seufzer, kein Wunſch darf zuruͤck. Will

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/38
Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/38>, abgerufen am 21.11.2024.