Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.[Beginn Spaltensatz] heben sich bey dem dritten Ringe an, die letztern beyde sind die grösten. Seine Gestalt ist häßlich und unlustig anzuschauen; dem Wesen nach ist er sehr feuchte und voll Schleim, mit einer überaus zart und dünnen Haut überzogen, die gar leichte bricht und entzwey gehet, braun oder grünlicht sieht mit einigen Flecken. Im Frühjahre kommt er aus einem kleinen Eye, das wie ein Mohnkorn sieht. Er wird mit frisch gebrochenen Maulbeerblättern aufgezogen, dabey man doch genau in acht zu nehmen hat, daß sie nicht naß sind, wann er sie bekommen soll; dann von dieser äusserlichen Feuchtigkeit würde seine Haut zu weich werden, daher er bersten und sterben müste. Wann er seine vollständige Grösse erlanget hat, so höret er auf zu fressen, lässet aber aus dem kleinen Rüssel, so zwischen seinem Maule und dem Magen zu befinden, einen dicken Speichel gehen, der ist leimicht oder als wie ein Schleim, und ziehet den selbigen aus und um sich herum, fast auf die Weise, wie es die Raupen zu machen pflegen. Hernach bereitet er davon ein Häuslein, in Grösse und Gestalt eines Taubeneyes, das ist zuweilen weiß, zuweilen gelb: darein verwickelt und vergräbet er sich etliche Tage hindurch, und bekommt unter solcher Schale bey nahe die Gestalt und die Grösse einer gelben Bohne, beweget sich auch so wenig, daß es scheinet, als ob er todt wäre, und alsdann wird er Aurelia oder Chrysalis, ein Püppgen oder Dattel kern genennet. Wann man aber dieses Häutlein nicht ins Wasser wirfft, und die Seide davon zu haben begehret, so wirfft dieses Püppgen die alte Haut herunter, durchbohret sein Häuslein, und schlieffet als ein frischer und munterer, sauberer und weisser Schmetterling heraus. Wann man auch ihrer eine gute Anzahl auskriechen läst, so hat man die Vergnügung zu sehen, wie die Männlein und Weiblein sich caressiren und liebhaben: davon kommen Eyerlein, und die Thierlein sterben nach diesem. In einem gar heissen Sommer habe ich zweymahl Seidenwürmer aufgezogen: dann, ob ich schon die Eyerlein, die ich das erste mahl bekommen, in den Keller geleget hatte, damit sie kühle liegen, und wegen der Hitze nicht auskriechen möchten, so krochen sie ie dannoch aus, und ich hatte Mühe gnug mit ihrer Erziehung: dann, es waren damahls die Maulbeerblätter nicht nur gar rar, sondern die ich auch noch haben kunte, waren für diese jungen Würmlein viel zu hart. Nichts destoweniger kamen sie zu ihrer gewöhnlichen Grösse und legten auch Eyer, allein die wolten im folgenden Jahre nicht auskriechen, daher ich sie wegschmeissen muste. Die Seidenwürmer führen viel phlegma und Oel; wenig flüchtiges Saltz. Sie werden zu Vertreibung des Schwindels gut erachtet, wann sie gedörret und gestossen auf den zuvor beschornen Kopf gestreuet werden. Die Seide und Seidenhäuslein, so noch nicht ins Wasser kommen, werden auf lateinisch Sericum crudum, frantzösisch Soye crue, und auf teutsch rohe Seide genannt. Man muß sie entzwey schneiden, damit man die Haut des Wurms heraus nehmen könne, die er darinne gelassen. Sie führen wenig phlegma und viel Oel, sehr wenig flüchtig Saltz und Erde. Sie wird dienlich erachtet das Hertz zu stärcken [Spaltenumbruch] und das Geblüte zu reinigen, wann sie zu Pulver gestossen eingenommen wird. Einige halten dafür, wann man ein Kalb mit eitel Maulbeerblättern fütterte, alsdann schlachtete und in Stücken zertheilte, hernach an die Luft legte oben auf ein Dach, so würden Seidenwürmer daraus werden: doch erfordert solches grosse Confirmation. An denenjenigen Orten, wo mit der Seide eine Handlung getrieben wird, als wie in Persien und Savoyen, in Languedoc und Provence, da sitzen die Seidenwürmer in gewissen Zimmern, darein allerhand Reißig und Stöcklein gestellet sind, damit die Würmer ihr Gespinste und Seide daran hencken mögen. Einen Theil von den Häuslein heben sie zum Samen auf, damit sie Samen davon bekommen, die übrigen schmeissen sie in heisses Wasser, damit die Würmer sterben: hernach suchen sie den Anfang und erste Fäden der Häuslein, nehmen etliche zusammen und winden sie ab. Es ist recht artlich, wie sich die Seide hierauf alle von einander sondert, bis nichts mehr übrig ist, als eine Schale, die als wie Pergament aussieht. Bevor die Persianer die Seidenhäuslein in das Wasser werffen, legen sie dieselbigen in die Sonne, von deren Hitze sterben die Würmer, und die Seide wird weit reiner und feiner: sie rühren sie darauf mit einem Rohre in dem heissen Wasser herum, und bekommen dergestalt ihre Enden, dann sie hangen sich daran. Man hält dafür, daß des Petus Tochter Pamphilia, in der Insul Cos, zu erst erfunden habe, wie mit der Seide umzugehen. Es wurde solches zwar gar bald auch bey den Römern kund, und man brachte ihnen aus dem Lande der Seres, woselbst die Seidenwürmer von ihnen selbst und von Natur zu wachsen pflegen, gnug Seide zu. Allein, statt daß sie dieses Dings sich nützlich hatten bedienen sollen, vermochten sie sich durchaus nicht einzubilden, daß diese Würmer solche schöne und kostbare Fäden solten können hervorbringen, machten vielmehr darüber allerhand wunderliche und seltsame Einbildungen: ja ihre Unwissenheit und Unachtsamkeit war so groß, daß die Seide viel lange Jahr hindurch dermassen seltsam und theuer bliebe, daß sie dem Golde gleich verkauffet wurde. Wie dann um dieser Ursach willen der Käyser Aurelianus seiner Gemahlin ein seiden Gewand abschlug, um welches sie ihn inständigst hatte gebeten. Sie blieb auch geraume Zeit so rar, und wir haben den München zu dancken, daß wir wissen, wie die Seidenwürmer aufzuziehen, als welche unter Regierung des Käysers Justiniani Seidenwürmereyer in Griechenland gebracht, wie Gottfried in seinen Anmerckungen über das IV. Buch des Codicis vermeldet: und lex 37. Ulpiani, Emptori §. 1. lib. 21. Digest. weiset, daß der Preiß der Seide dem Preiß der Perlen gleich gewesen. Franckreich hat gar langsam von dieser Entdeckung Nutzen gehabt, denn Heinricus II. hat zu allererst, bey der Vermählung seiner Printzeßinnen Tochter und Schwester, seidene Strümpfe getragen, welche die ersten gewesen, die in diesem Königreiche sind gesehen worden. Ihm und seinen Nachfolgern haben wir die Seidenmanufacturen zu Tours und zu Lyon zu dancken, durch welche die seidenen Zeuge so gar gemeine sind gemachet worden. Der Name Bombyx soll dem Seidenwurme aus [Ende Spaltensatz] [Beginn Spaltensatz] heben sich bey dem dritten Ringe an, die letztern beyde sind die grösten. Seine Gestalt ist häßlich und unlustig anzuschauen; dem Wesen nach ist er sehr feuchte und voll Schleim, mit einer überaus zart und dünnen Haut überzogen, die gar leichte bricht und entzwey gehet, braun oder grünlicht sieht mit einigen Flecken. Im Frühjahre kommt er aus einem kleinen Eye, das wie ein Mohnkorn sieht. Er wird mit frisch gebrochenen Maulbeerblättern aufgezogen, dabey man doch genau in acht zu nehmen hat, daß sie nicht naß sind, wann er sie bekommen soll; dann von dieser äusserlichen Feuchtigkeit würde seine Haut zu weich werden, daher er bersten und sterben müste. Wann er seine vollständige Grösse erlanget hat, so höret er auf zu fressen, lässet aber aus dem kleinen Rüssel, so zwischen seinem Maule und dem Magen zu befinden, einen dicken Speichel gehen, der ist leimicht oder als wie ein Schleim, und ziehet den selbigen aus und um sich herum, fast auf die Weise, wie es die Raupen zu machen pflegen. Hernach bereitet er davon ein Häuslein, in Grösse und Gestalt eines Taubeneyes, das ist zuweilen weiß, zuweilen gelb: darein verwickelt und vergräbet er sich etliche Tage hindurch, und bekommt unter solcher Schale bey nahe die Gestalt und die Grösse einer gelben Bohne, beweget sich auch so wenig, daß es scheinet, als ob er todt wäre, und alsdann wird er Aurelia oder Chrysalis, ein Püppgen oder Dattel kern genennet. Wann man aber dieses Häutlein nicht ins Wasser wirfft, und die Seide davon zu haben begehret, so wirfft dieses Püppgen die alte Haut herunter, durchbohret sein Häuslein, und schlieffet als ein frischer und munterer, sauberer und weisser Schmetterling heraus. Wann man auch ihrer eine gute Anzahl auskriechen läst, so hat man die Vergnügung zu sehen, wie die Männlein und Weiblein sich caressiren und liebhaben: davon kommen Eyerlein, und die Thierlein sterben nach diesem. In einem gar heissen Sommer habe ich zweymahl Seidenwürmer aufgezogen: dann, ob ich schon die Eyerlein, die ich das erste mahl bekommen, in den Keller geleget hatte, damit sie kühle liegen, und wegen der Hitze nicht auskriechen möchten, so krochen sie ie dannoch aus, und ich hatte Mühe gnug mit ihrer Erziehung: dann, es waren damahls die Maulbeerblätter nicht nur gar rar, sondern die ich auch noch haben kunte, waren für diese jungen Würmlein viel zu hart. Nichts destoweniger kamen sie zu ihrer gewöhnlichen Grösse und legten auch Eyer, allein die wolten im folgenden Jahre nicht auskriechen, daher ich sie wegschmeissen muste. Die Seidenwürmer führen viel phlegma und Oel; wenig flüchtiges Saltz. Sie werden zu Vertreibung des Schwindels gut erachtet, wann sie gedörret und gestossen auf den zuvor beschornen Kopf gestreuet werden. Die Seide und Seidenhäuslein, so noch nicht ins Wasser kommen, werden auf lateinisch Sericum crudum, frantzösisch Soye crue, und auf teutsch rohe Seide genannt. Man muß sie entzwey schneiden, damit man die Haut des Wurms heraus nehmen könne, die er darinne gelassen. Sie führen wenig phlegma und viel Oel, sehr wenig flüchtig Saltz und Erde. Sie wird dienlich erachtet das Hertz zu stärcken [Spaltenumbruch] und das Geblüte zu reinigen, wann sie zu Pulver gestossen eingenommen wird. Einige halten dafür, wann man ein Kalb mit eitel Maulbeerblättern fütterte, alsdann schlachtete und in Stücken zertheilte, hernach an die Luft legte oben auf ein Dach, so würden Seidenwürmer daraus werden: doch erfordert solches grosse Confirmation. An denenjenigen Orten, wo mit der Seide eine Handlung getrieben wird, als wie in Persien und Savoyen, in Languedoc und Provence, da sitzen die Seidenwürmer in gewissen Zimmern, darein allerhand Reißig und Stöcklein gestellet sind, damit die Würmer ihr Gespinste und Seide daran hencken mögen. Einen Theil von den Häuslein heben sie zum Samen auf, damit sie Samen davon bekommen, die übrigen schmeissen sie in heisses Wasser, damit die Würmer sterben: hernach suchen sie den Anfang und erste Fäden der Häuslein, nehmen etliche zusammen und winden sie ab. Es ist recht artlich, wie sich die Seide hierauf alle von einander sondert, bis nichts mehr übrig ist, als eine Schale, die als wie Pergament aussieht. Bevor die Persianer die Seidenhäuslein in das Wasser werffen, legen sie dieselbigen in die Sonne, von deren Hitze sterben die Würmer, und die Seide wird weit reiner und feiner: sie rühren sie darauf mit einem Rohre in dem heissen Wasser herum, und bekommen dergestalt ihre Enden, dann sie hangen sich daran. Man hält dafür, daß des Petus Tochter Pamphilia, in der Insul Cos, zu erst erfunden habe, wie mit der Seide umzugehen. Es wurde solches zwar gar bald auch bey den Römern kund, und man brachte ihnen aus dem Lande der Seres, woselbst die Seidenwürmer von ihnen selbst und von Natur zu wachsen pflegen, gnug Seide zu. Allein, statt daß sie dieses Dings sich nützlich hatten bedienen sollen, vermochten sie sich durchaus nicht einzubilden, daß diese Würmer solche schöne und kostbare Fäden solten können hervorbringen, machten vielmehr darüber allerhand wunderliche und seltsame Einbildungen: ja ihre Unwissenheit und Unachtsamkeit war so groß, daß die Seide viel lange Jahr hindurch dermassen seltsam und theuer bliebe, daß sie dem Golde gleich verkauffet wurde. Wie dann um dieser Ursach willen der Käyser Aurelianus seiner Gemahlin ein seiden Gewand abschlug, um welches sie ihn inständigst hatte gebeten. Sie blieb auch geraume Zeit so rar, und wir haben den München zu dancken, daß wir wissen, wie die Seidenwürmer aufzuziehen, als welche unter Regierung des Käysers Justiniani Seidenwürmereyer in Griechenland gebracht, wie Gottfried in seinen Anmerckungen über das IV. Buch des Codicis vermeldet: und lex 37. Ulpiani, Emptori §. 1. lib. 21. Digest. weiset, daß der Preiß der Seide dem Preiß der Perlen gleich gewesen. Franckreich hat gar langsam von dieser Entdeckung Nutzen gehabt, denn Heinricus II. hat zu allererst, bey der Vermählung seiner Printzeßinnen Tochter und Schwester, seidene Strümpfe getragen, welche die ersten gewesen, die in diesem Königreiche sind gesehen worden. Ihm und seinen Nachfolgern haben wir die Seidenmanufacturen zu Tours und zu Lyon zu dancken, durch welche die seidenen Zeuge so gar gemeine sind gemachet worden. 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Wann er seine vollständige Grösse erlanget hat, so höret er auf zu fressen, lässet aber aus dem kleinen Rüssel, so zwischen seinem Maule und dem Magen zu befinden, einen dicken Speichel gehen, der ist leimicht oder als wie ein Schleim, und ziehet den selbigen aus und um sich herum, fast auf die Weise, wie es die Raupen zu machen pflegen. Hernach bereitet er davon ein Häuslein, in Grösse und Gestalt eines Taubeneyes, das ist zuweilen weiß, zuweilen gelb: darein verwickelt und vergräbet er sich etliche Tage hindurch, und bekommt unter solcher Schale bey nahe die Gestalt und die Grösse einer gelben Bohne, beweget sich auch so wenig, daß es scheinet, als ob er todt wäre, und alsdann wird er <hi rendition="#i">Aurelia</hi> oder <hi rendition="#i">Chrysalis,</hi> ein <hi rendition="#fr">Püppgen</hi> oder <hi rendition="#fr">Dattel kern</hi> genennet. 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Einen Theil von den Häuslein heben sie zum Samen auf, damit sie Samen davon bekommen, die übrigen schmeissen sie in heisses Wasser, damit die Würmer sterben: hernach suchen sie den Anfang und erste Fäden der Häuslein, nehmen etliche zusammen und winden sie ab. Es ist recht artlich, wie sich die Seide hierauf alle von einander sondert, bis nichts mehr übrig ist, als eine Schale, die als wie Pergament aussieht. Bevor die Persianer die Seidenhäuslein in das Wasser werffen, legen sie dieselbigen in die Sonne, von deren Hitze sterben die Würmer, und die Seide wird weit reiner und feiner: sie rühren sie darauf mit einem Rohre in dem heissen Wasser herum, und bekommen dergestalt ihre Enden, dann sie hangen sich daran.</p><lb/> <p>Man hält dafür, daß des <hi rendition="#i">Petus</hi> Tochter <hi rendition="#i">Pamphilia,</hi> in der Insul <hi rendition="#i">Cos,</hi> zu erst erfunden habe, wie mit der Seide umzugehen. 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In einem gar heissen Sommer habe ich zweymahl Seidenwürmer aufgezogen: dann, ob ich schon die Eyerlein, die ich das erste mahl bekommen, in den Keller geleget hatte, damit sie kühle liegen, und wegen der Hitze nicht auskriechen möchten, so krochen sie ie dannoch aus, und ich hatte Mühe gnug mit ihrer Erziehung: dann, es waren damahls die Maulbeerblätter nicht nur gar rar, sondern die ich auch noch haben kunte, waren für diese jungen Würmlein viel zu hart. Nichts destoweniger kamen sie zu ihrer gewöhnlichen Grösse und legten auch Eyer, allein die wolten im folgenden Jahre nicht auskriechen, daher ich sie wegschmeissen muste.
Die Seidenwürmer führen viel phlegma und Oel; wenig flüchtiges Saltz.
Sie werden zu Vertreibung des Schwindels gut erachtet, wann sie gedörret und gestossen auf den zuvor beschornen Kopf gestreuet werden.
Die Seide und Seidenhäuslein, so noch nicht ins Wasser kommen, werden auf lateinisch Sericum crudum, frantzösisch Soye crue, und auf teutsch rohe Seide genannt. Man muß sie entzwey schneiden, damit man die Haut des Wurms heraus nehmen könne, die er darinne gelassen. Sie führen wenig phlegma und viel Oel, sehr wenig flüchtig Saltz und Erde.
Sie wird dienlich erachtet das Hertz zu stärcken
und das Geblüte zu reinigen, wann sie zu Pulver gestossen eingenommen wird.
Einige halten dafür, wann man ein Kalb mit eitel Maulbeerblättern fütterte, alsdann schlachtete und in Stücken zertheilte, hernach an die Luft legte oben auf ein Dach, so würden Seidenwürmer daraus werden: doch erfordert solches grosse Confirmation.
An denenjenigen Orten, wo mit der Seide eine Handlung getrieben wird, als wie in Persien und Savoyen, in Languedoc und Provence, da sitzen die Seidenwürmer in gewissen Zimmern, darein allerhand Reißig und Stöcklein gestellet sind, damit die Würmer ihr Gespinste und Seide daran hencken mögen. Einen Theil von den Häuslein heben sie zum Samen auf, damit sie Samen davon bekommen, die übrigen schmeissen sie in heisses Wasser, damit die Würmer sterben: hernach suchen sie den Anfang und erste Fäden der Häuslein, nehmen etliche zusammen und winden sie ab. Es ist recht artlich, wie sich die Seide hierauf alle von einander sondert, bis nichts mehr übrig ist, als eine Schale, die als wie Pergament aussieht. Bevor die Persianer die Seidenhäuslein in das Wasser werffen, legen sie dieselbigen in die Sonne, von deren Hitze sterben die Würmer, und die Seide wird weit reiner und feiner: sie rühren sie darauf mit einem Rohre in dem heissen Wasser herum, und bekommen dergestalt ihre Enden, dann sie hangen sich daran.
Man hält dafür, daß des Petus Tochter Pamphilia, in der Insul Cos, zu erst erfunden habe, wie mit der Seide umzugehen. Es wurde solches zwar gar bald auch bey den Römern kund, und man brachte ihnen aus dem Lande der Seres, woselbst die Seidenwürmer von ihnen selbst und von Natur zu wachsen pflegen, gnug Seide zu. Allein, statt daß sie dieses Dings sich nützlich hatten bedienen sollen, vermochten sie sich durchaus nicht einzubilden, daß diese Würmer solche schöne und kostbare Fäden solten können hervorbringen, machten vielmehr darüber allerhand wunderliche und seltsame Einbildungen: ja ihre Unwissenheit und Unachtsamkeit war so groß, daß die Seide viel lange Jahr hindurch dermassen seltsam und theuer bliebe, daß sie dem Golde gleich verkauffet wurde. Wie dann um dieser Ursach willen der Käyser Aurelianus seiner Gemahlin ein seiden Gewand abschlug, um welches sie ihn inständigst hatte gebeten. Sie blieb auch geraume Zeit so rar, und wir haben den München zu dancken, daß wir wissen, wie die Seidenwürmer aufzuziehen, als welche unter Regierung des Käysers Justiniani Seidenwürmereyer in Griechenland gebracht, wie Gottfried in seinen Anmerckungen über das IV. Buch des Codicis vermeldet: und lex 37. Ulpiani, Emptori §. 1. lib. 21. Digest. weiset, daß der Preiß der Seide dem Preiß der Perlen gleich gewesen.
Franckreich hat gar langsam von dieser Entdeckung Nutzen gehabt, denn Heinricus II. hat zu allererst, bey der Vermählung seiner Printzeßinnen Tochter und Schwester, seidene Strümpfe getragen, welche die ersten gewesen, die in diesem Königreiche sind gesehen worden. Ihm und seinen Nachfolgern haben wir die Seidenmanufacturen zu Tours und zu Lyon zu dancken, durch welche die seidenen Zeuge so gar gemeine sind gemachet worden.
Der Name Bombyx soll dem Seidenwurme aus
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