Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] machen diesen Spiritus vom Wein dermassen kräftig und durchtringend, verursachen auch, daß er sich um soviel desto mehr entzünden kann, dergleichen auch die flüchtigen Salpeter-Theilgen thun, wann sie mit schweflichten und ölichten Dingen vermischet werden.

Der Wein enthält aber nicht nur einen Schwefelgeist und phlegma oder Feuchtigkeit, sondern er stickt voller Weinstein, Tartarus genannt, welcher aus einem sauern Saltze, Oel und Erde bestehet. Solchen Weinstein kan man davon erhalten, wann man den Wein wird destilliren oder abdämpfen lassen; dann, da wird er auf dem Boden im Gefäß, als wie die Hefen liegen bleiben. Doch ist dabey zu mercken, daß der Weinstein, den man auf solche Weise von den süssen Weinen wird bekommen, ein gut Theil ölichter wird seyn, als wie der von frantzösischen Weinen, und zwar um angeführter Ursachen willen.

Die Güte des Weines, zum ordentlichen Trunck, bestehet in gewisser natürlicher Proportion und Verbindung dererjenigen Theile, daraus er bestehet, die dann auf der Zunge eine so angenehme Empfindung verursachen, und indem sie die Lebensgeister in geschwindere Bewegung bringen, erfreuen und erfrischen sie zugleich das Hertz, das Gehirn und Magen.

Bey der Mahlzeit braucht man dreyerley Wein, blancken, Schieler und rothen, der mag nun dunckel- oder hell roth seyn. Sie müssen aber helle und durchsichtig seyn, eine schöne Farbe haben, einen Geruch, daran man sich ergötzen kann, und einen guten, etwas scharffen, doch dabey angenehmen Geschmack, bald wie Erdbeeren; sie müssen auch den Mund wol füllen, und leise wegschleichen, sonder daß mans in der Kehle merckt, und den Magen sanft erwärmen, iedoch den Kopf mit ihrem Geist und Kraft nicht zu geschwind einnehmen.

Der blancke Wein, frantzösisch, Vin blanc, ist ein Wein, dessen Theile, daraus er bestehet, in mehrerer Bewegung sind, und welcher auch am meisten frölich macht, sobald man ihn getruncken: alleine, er verursachet auch gerne Kopfwehtagen. Er eröffnet trefflich, macht, daß man muß das Wasser lassen, ist gut zur Colic, die von Steinbeschwerungen kommt, desgleichen selbst zum Stein und Gries, wider die Melancolie, Wassersucht, und zu Beförderung der Reinigung bey Weibspersonen.

Der Schieler, frantzösisch, Vin paillet, kommt dem blancken Weine gar sehr nahe, macht aber nicht so gar viel Dünste, und ist dem Magen vielmehr dienlich. Er wird entweder von Trauben einer Farbe bereitet, oder aber von den Weinschencken zugerichtet, wann sie etwas rothen dicken Wein unter eine grosse Menge blancken Wein vermischen.

Der rothe Wein, frantzösisch, Vin rouge, macht nicht viel Dünste, ist dem Magen überaus vorträglich, giebt mehrere Nahrung, und schicket sich am besten zu allerhand Naturen. Er stärcket, vertreibt Melancholey und Traurigkeit, widerstehet dem Gift, treibt den Urin und die monatliche Blume, desgleichen die Winde und Blehungen, [Spaltenumbruch] hilfft wider den heissen Brand, zertheilet, und dienet zu Quetsuren und Verrenckungen.

Vin de teinte, auf teutsch der Tintenwein, ist ein dicker, schwartzer Wein, der sehr viel Weinstein führet, und aus gewissen schwartzen Trauben gemachet wird. Dieser Wein ist eben nicht gar gut zu trincken, dann er ist gar zu herbe: er dient vielmehr zum färben, daher er auch den frantzösischen Namen Vin de teinte, das möchte soviel heissen, als Färberwein, hat überkommen. Die Weinschencken brauchen ihn dem blancken Weine damit eine rothe Farbe zu geben. Man würde wenig Spiritus davon bekommen.

Er hält an, stärcket und zertheilet, dienet zum Durchfall, zur goldnen Ader und zur Weiber ihrer Zeit, er wird auch zur Bereitung des Martis adstringentis gebrauchet; wie ingleichen äusserlich zu anhaltend- und stärckenden Bähungen.

Die süssen Weine und insonderheit, die in warmen Ländern gewachsen, dienen weit mehr zu Stärckung des Magens, indem sie weit klebrichter sind und einem Syrup gleich, sie bleiben auch viel länger in dem Leibe, und haben derowegen mehrere Zeit das ihre zu verrichten.

Malvasie, lateinisch, Vinum Malvaticum, teutsch, Malvasir, ist eine Gattung süsses Weins, der gar nach Würtze und sehr lieblich schmeckt, auch bey den Alten gar sehr im Gebrauch gewesen: er wird noch zur Zeit in Italien gemacht. Allein, weil er gar selten heraus kommt, deshalben müssen andre süsse Weine seine Stelle zur Artzney vertreten. Er ist dem Magen, dem Haupte, und dem Hertzen dienlich, stärcket, widerstehet dem Gift, und mäßiget den Appetit.

Wann der Speisewein nicht zu unmäßig gebrauchet und mit Wasser vermischet wird, so ist er ein Trunck, welcher unter allen der beste und der gesundeste, wofern man nur auch recht gesund ist; dann, er giebet allen Theilen des Leibes Kraft und Stärcke; er hilfft verdauen; und machet einen guten Speisesaft; er erfrischt und erfreuet das Hertz und das Haupt, durch seine Geisterlein, die dahin kommen; er ermuntert die Lebensgeister; macht gute Gedancken, und ein gut Gedächtnüß. Wird er aber ohne Maß genossen, wie mehr dann zu oft geschicht, so verursachet er Trunckenheit, und vielmahls allerhand Beschwerung und verdrießliche Kranckheiteg.

Die Trunckenheit aber wird durch die geistigen Theilgen des Weins zu wege bracht, als welche in zu grosser Menge in das Hirn hinaufgestiegen, und darinne dermassen schnell herum getrieben werden, daß sie alles mit einander unter einander wirren; sie zertreiben den Schleim, der ergiesset sich hernachmahls überall, und da sie den ordentlichen Lauff der Lebensgeister auf gewisse Masse hemmen und verstopfen, nöthigen sie dieselbigen, daß sie wider ihre Natur andere und ungewöhnliche Wege suchen müssen. Zu solcher Zeit siehts recht verwirret aus, alles wancket und taumelt, und der Vestand ist in der Wahrheit nicht viel grösser als bey einem rechten natürlichen Narren. In dieser Raserey verharret man so lang, bis daß der Geist des Weins, der ins Gehirne in die Höh [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] machen diesen Spiritus vom Wein dermassen kräftig und durchtringend, verursachen auch, daß er sich um soviel desto mehr entzünden kann, dergleichen auch die flüchtigen Salpeter-Theilgen thun, wann sie mit schweflichten und ölichten Dingen vermischet werden.

Der Wein enthält aber nicht nur einen Schwefelgeist und phlegma oder Feuchtigkeit, sondern er stickt voller Weinstein, Tartarus genannt, welcher aus einem sauern Saltze, Oel und Erde bestehet. Solchen Weinstein kan man davon erhalten, wañ man den Wein wird destilliren oder abdämpfen lassen; dann, da wird er auf dem Boden im Gefäß, als wie die Hefen liegen bleiben. Doch ist dabey zu mercken, daß der Weinstein, den man auf solche Weise von den süssen Weinen wird bekommen, ein gut Theil ölichter wird seyn, als wie der von frantzösischen Weinen, und zwar um angeführter Ursachen willen.

Die Güte des Weines, zum ordentlichen Trunck, bestehet in gewisser natürlicher Proportion und Verbindung dererjenigen Theile, daraus er bestehet, die dann auf der Zunge eine so angenehme Empfindung verursachen, und indem sie die Lebensgeister in geschwindere Bewegung bringen, erfreuen und erfrischen sie zugleich das Hertz, das Gehirn und Magen.

Bey der Mahlzeit braucht man dreyerley Wein, blancken, Schieler und rothen, der mag nun dunckel- oder hell roth seyn. Sie müssen aber helle und durchsichtig seyn, eine schöne Farbe haben, einen Geruch, daran man sich ergötzen kann, und einen guten, etwas scharffen, doch dabey angenehmen Geschmack, bald wie Erdbeeren; sie müssen auch den Mund wol füllen, und leise wegschleichen, sonder daß mans in der Kehle merckt, und den Magen sanft erwärmen, iedoch den Kopf mit ihrem Geist und Kraft nicht zu geschwind einnehmen.

Der blancke Wein, frantzösisch, Vin blanc, ist ein Wein, dessen Theile, daraus er bestehet, in mehrerer Bewegung sind, und welcher auch am meisten frölich macht, sobald man ihn getruncken: alleine, er verursachet auch gerne Kopfwehtagen. Er eröffnet trefflich, macht, daß man muß das Wasser lassen, ist gut zur Colic, die von Steinbeschwerungen kommt, desgleichen selbst zum Stein und Gries, wider die Melancolie, Wassersucht, und zu Beförderung der Reinigung bey Weibspersonen.

Der Schieler, frantzösisch, Vin paillet, kommt dem blancken Weine gar sehr nahe, macht aber nicht so gar viel Dünste, und ist dem Magen vielmehr dienlich. Er wird entweder von Trauben einer Farbe bereitet, oder aber von den Weinschencken zugerichtet, wann sie etwas rothen dicken Wein unter eine grosse Menge blancken Wein vermischen.

Der rothe Wein, frantzösisch, Vin rouge, macht nicht viel Dünste, ist dem Magen überaus vorträglich, giebt mehrere Nahrung, und schicket sich am besten zu allerhand Naturen. Er stärcket, vertreibt Melancholey und Traurigkeit, widerstehet dem Gift, treibt den Urin und die monatliche Blume, desgleichen die Winde und Blehungen, [Spaltenumbruch] hilfft wider den heissen Brand, zertheilet, und dienet zu Quetsuren und Verrenckungen.

Vin de teinte, auf teutsch der Tintenwein, ist ein dicker, schwartzer Wein, der sehr viel Weinstein führet, und aus gewissen schwartzen Trauben gemachet wird. Dieser Wein ist eben nicht gar gut zu trincken, dann er ist gar zu herbe: er dient vielmehr zum färben, daher er auch den frantzösischen Namen Vin de teinte, das möchte soviel heissen, als Färberwein, hat überkommen. Die Weinschencken brauchen ihn dem blancken Weine damit eine rothe Farbe zu geben. Man würde wenig Spiritus davon bekommen.

Er hält an, stärcket und zertheilet, dienet zum Durchfall, zur goldnen Ader und zur Weiber ihrer Zeit, er wird auch zur Bereitung des Martis adstringentis gebrauchet; wie ingleichen äusserlich zu anhaltend- und stärckenden Bähungen.

Die süssen Weine und insonderheit, die in warmen Ländern gewachsen, dienen weit mehr zu Stärckung des Magens, indem sie weit klebrichter sind und einem Syrup gleich, sie bleiben auch viel länger in dem Leibe, und haben derowegen mehrere Zeit das ihre zu verrichten.

Malvasie, lateinisch, Vinum Malvaticum, teutsch, Malvasir, ist eine Gattung süsses Weins, der gar nach Würtze und sehr lieblich schmeckt, auch bey den Alten gar sehr im Gebrauch gewesen: er wird noch zur Zeit in Italien gemacht. Allein, weil er gar selten heraus kommt, deshalben müssen andre süsse Weine seine Stelle zur Artzney vertreten. Er ist dem Magen, dem Haupte, und dem Hertzen dienlich, stärcket, widerstehet dem Gift, und mäßiget den Appetit.

Wann der Speisewein nicht zu unmäßig gebrauchet und mit Wasser vermischet wird, so ist er ein Trunck, welcher unter allen der beste und der gesundeste, wofern man nur auch recht gesund ist; dann, er giebet allen Theilen des Leibes Kraft und Stärcke; er hilfft verdauen; und machet einen guten Speisesaft; er erfrischt und erfreuet das Hertz und das Haupt, durch seine Geisterlein, die dahin kommen; er ermuntert die Lebensgeister; macht gute Gedancken, und ein gut Gedächtnüß. Wird er aber ohne Maß genossen, wie mehr dann zu oft geschicht, so verursachet er Trunckenheit, und vielmahls allerhand Beschwerung und verdrießliche Kranckheiteg.

Die Trunckenheit aber wird durch die geistigen Theilgen des Weins zu wege bracht, als welche in zu grosser Menge in das Hirn hinaufgestiegen, und darinne dermassen schnell herum getrieben werden, daß sie alles mit einander unter einander wirren; sie zertreiben den Schleim, der ergiesset sich hernachmahls überall, und da sie den ordentlichen Lauff der Lebensgeister auf gewisse Masse hemmen und verstopfen, nöthigen sie dieselbigen, daß sie wider ihre Natur andere und ungewöhnliche Wege suchen müssen. Zu solcher Zeit siehts recht verwirret aus, alles wancket und taumelt, und der Vestand ist in der Wahrheit nicht viel grösser als bey einem rechten natürlichen Narren. In dieser Raserey verharret man so lang, bis daß der Geist des Weins, der ins Gehirne in die Höh [Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <p><pb facs="#f0612"/><cb type="start"/>
machen diesen Spiritus vom Wein dermassen kräftig und durchtringend, verursachen auch, daß er sich um soviel desto mehr entzünden kann, dergleichen auch die flüchtigen Salpeter-Theilgen thun, wann sie mit schweflichten und ölichten Dingen vermischet werden.</p><lb/>
          <p>Der Wein enthält aber nicht nur einen Schwefelgeist und <hi rendition="#i">phlegma</hi> oder Feuchtigkeit, sondern er stickt voller Weinstein, <hi rendition="#i">Tartarus</hi> genannt, welcher aus einem sauern Saltze, Oel und Erde bestehet. Solchen Weinstein kan man davon erhalten, wañ man den Wein wird destilliren oder abdämpfen lassen; dann, da wird er auf dem Boden im Gefäß, als wie die Hefen liegen bleiben. Doch ist dabey zu mercken, daß der Weinstein, den man auf solche Weise von den süssen Weinen wird bekommen, ein gut Theil ölichter wird seyn, als wie der von frantzösischen Weinen, und zwar um angeführter Ursachen willen.</p><lb/>
          <p>Die Güte des Weines, zum ordentlichen Trunck, bestehet in gewisser natürlicher Proportion und Verbindung dererjenigen Theile, daraus er bestehet, die dann auf der Zunge eine so angenehme Empfindung verursachen, und indem sie die Lebensgeister in geschwindere Bewegung bringen, erfreuen und erfrischen sie zugleich das Hertz, das Gehirn und Magen.</p><lb/>
          <p>Bey der Mahlzeit braucht man dreyerley Wein, blancken, Schieler und rothen, der mag nun dunckel- oder hell roth seyn. Sie müssen aber helle und durchsichtig seyn, eine schöne Farbe haben, einen Geruch, daran man sich ergötzen kann, und einen guten, etwas scharffen, doch dabey angenehmen Geschmack, bald wie Erdbeeren; sie müssen auch den Mund wol füllen, und leise wegschleichen, sonder daß mans in der Kehle merckt, und den Magen sanft erwärmen, iedoch den Kopf mit ihrem Geist und Kraft nicht zu geschwind einnehmen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#fr">blancke Wein,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Vin blanc</hi></hi>, ist ein Wein, dessen Theile, daraus er bestehet, in mehrerer Bewegung sind, und welcher auch am meisten frölich macht, sobald man ihn getruncken: alleine, er verursachet auch gerne Kopfwehtagen. Er eröffnet trefflich, macht, daß man muß das Wasser lassen, ist gut zur Colic, die von Steinbeschwerungen kommt, desgleichen selbst zum Stein und Gries, wider die Melancolie, Wassersucht, und zu Beförderung der Reinigung bey Weibspersonen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#fr">Schieler,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Vin paillet</hi></hi>, kommt dem blancken Weine gar sehr nahe, macht aber nicht so gar viel Dünste, und ist dem Magen vielmehr dienlich. Er wird entweder von Trauben einer Farbe bereitet, oder aber von den Weinschencken zugerichtet, wann sie etwas rothen dicken Wein unter eine grosse Menge blancken Wein vermischen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#fr">rothe Wein,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Vin rouge</hi></hi>, macht nicht viel Dünste, ist dem Magen überaus vorträglich, giebt mehrere Nahrung, und schicket sich am besten zu allerhand Naturen. Er stärcket, vertreibt Melancholey und Traurigkeit, widerstehet dem Gift, treibt den Urin und die monatliche Blume, desgleichen die Winde und Blehungen, <cb/>
hilfft wider den heissen Brand, zertheilet, und dienet zu Quetsuren und Verrenckungen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Vin de teinte</hi></hi>, auf teutsch der <hi rendition="#fr">Tintenwein,</hi> ist ein dicker, schwartzer Wein, der sehr viel Weinstein führet, und aus gewissen schwartzen Trauben gemachet wird. Dieser Wein ist eben nicht gar gut zu trincken, dann er ist gar zu herbe: er dient vielmehr zum färben, daher er auch den frantzösischen Namen <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Vin de teinte</hi></hi>, das möchte soviel heissen, als Färberwein, hat überkommen. Die Weinschencken brauchen ihn dem blancken Weine damit eine rothe Farbe zu geben. Man würde wenig Spiritus davon bekommen.</p><lb/>
          <p>Er hält an, stärcket und zertheilet, dienet zum Durchfall, zur goldnen Ader und zur Weiber ihrer Zeit, er wird auch zur Bereitung des <hi rendition="#i">Martis adstringentis</hi> gebrauchet; wie ingleichen äusserlich zu anhaltend- und stärckenden Bähungen.</p><lb/>
          <p>Die süssen Weine und insonderheit, die in warmen Ländern gewachsen, dienen weit mehr zu Stärckung des Magens, indem sie weit klebrichter sind und einem Syrup gleich, sie bleiben auch viel länger in dem Leibe, und haben derowegen mehrere Zeit das ihre zu verrichten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Malvasie</hi></hi>, lateinisch, <hi rendition="#i">Vinum Malvaticum,</hi> teutsch, <hi rendition="#fr">Malvasir,</hi> ist eine Gattung süsses Weins, der gar nach Würtze und sehr lieblich schmeckt, auch bey den Alten gar sehr im Gebrauch gewesen: er wird noch zur Zeit in Italien gemacht. Allein, weil er gar selten heraus kommt, deshalben müssen andre süsse Weine seine Stelle zur Artzney vertreten. Er ist dem Magen, dem Haupte, und dem Hertzen dienlich, stärcket, widerstehet dem Gift, und mäßiget den Appetit.</p><lb/>
          <p>Wann der Speisewein nicht zu unmäßig gebrauchet und mit Wasser vermischet wird, so ist er ein Trunck, welcher unter allen der beste und der gesundeste, wofern man nur auch recht gesund ist; dann, er giebet allen Theilen des Leibes Kraft und Stärcke; er hilfft verdauen; und machet einen guten Speisesaft; er erfrischt und erfreuet das Hertz und das Haupt, durch seine Geisterlein, die dahin kommen; er ermuntert die Lebensgeister; macht gute Gedancken, und ein gut Gedächtnüß. Wird er aber ohne Maß genossen, wie mehr dann zu oft geschicht, so verursachet er Trunckenheit, und vielmahls allerhand Beschwerung und verdrießliche Kranckheiteg.</p><lb/>
          <p>Die Trunckenheit aber wird durch die geistigen Theilgen des Weins zu wege bracht, als welche in zu grosser Menge in das Hirn hinaufgestiegen, und darinne dermassen schnell herum getrieben werden, daß sie alles mit einander unter einander wirren; sie zertreiben den Schleim, der ergiesset sich hernachmahls überall, und da sie den ordentlichen Lauff der Lebensgeister auf gewisse Masse hemmen und verstopfen, nöthigen sie dieselbigen, daß sie wider ihre Natur andere und ungewöhnliche Wege suchen müssen. Zu solcher Zeit siehts recht verwirret aus, alles wancket und taumelt, und der Vestand ist in der Wahrheit nicht viel grösser als bey einem rechten natürlichen Narren. In dieser Raserey verharret man so lang, bis daß der Geist des Weins, der ins Gehirne in die Höh <cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0612] machen diesen Spiritus vom Wein dermassen kräftig und durchtringend, verursachen auch, daß er sich um soviel desto mehr entzünden kann, dergleichen auch die flüchtigen Salpeter-Theilgen thun, wann sie mit schweflichten und ölichten Dingen vermischet werden. Der Wein enthält aber nicht nur einen Schwefelgeist und phlegma oder Feuchtigkeit, sondern er stickt voller Weinstein, Tartarus genannt, welcher aus einem sauern Saltze, Oel und Erde bestehet. Solchen Weinstein kan man davon erhalten, wañ man den Wein wird destilliren oder abdämpfen lassen; dann, da wird er auf dem Boden im Gefäß, als wie die Hefen liegen bleiben. Doch ist dabey zu mercken, daß der Weinstein, den man auf solche Weise von den süssen Weinen wird bekommen, ein gut Theil ölichter wird seyn, als wie der von frantzösischen Weinen, und zwar um angeführter Ursachen willen. Die Güte des Weines, zum ordentlichen Trunck, bestehet in gewisser natürlicher Proportion und Verbindung dererjenigen Theile, daraus er bestehet, die dann auf der Zunge eine so angenehme Empfindung verursachen, und indem sie die Lebensgeister in geschwindere Bewegung bringen, erfreuen und erfrischen sie zugleich das Hertz, das Gehirn und Magen. Bey der Mahlzeit braucht man dreyerley Wein, blancken, Schieler und rothen, der mag nun dunckel- oder hell roth seyn. Sie müssen aber helle und durchsichtig seyn, eine schöne Farbe haben, einen Geruch, daran man sich ergötzen kann, und einen guten, etwas scharffen, doch dabey angenehmen Geschmack, bald wie Erdbeeren; sie müssen auch den Mund wol füllen, und leise wegschleichen, sonder daß mans in der Kehle merckt, und den Magen sanft erwärmen, iedoch den Kopf mit ihrem Geist und Kraft nicht zu geschwind einnehmen. Der blancke Wein, frantzösisch, Vin blanc, ist ein Wein, dessen Theile, daraus er bestehet, in mehrerer Bewegung sind, und welcher auch am meisten frölich macht, sobald man ihn getruncken: alleine, er verursachet auch gerne Kopfwehtagen. Er eröffnet trefflich, macht, daß man muß das Wasser lassen, ist gut zur Colic, die von Steinbeschwerungen kommt, desgleichen selbst zum Stein und Gries, wider die Melancolie, Wassersucht, und zu Beförderung der Reinigung bey Weibspersonen. Der Schieler, frantzösisch, Vin paillet, kommt dem blancken Weine gar sehr nahe, macht aber nicht so gar viel Dünste, und ist dem Magen vielmehr dienlich. Er wird entweder von Trauben einer Farbe bereitet, oder aber von den Weinschencken zugerichtet, wann sie etwas rothen dicken Wein unter eine grosse Menge blancken Wein vermischen. Der rothe Wein, frantzösisch, Vin rouge, macht nicht viel Dünste, ist dem Magen überaus vorträglich, giebt mehrere Nahrung, und schicket sich am besten zu allerhand Naturen. Er stärcket, vertreibt Melancholey und Traurigkeit, widerstehet dem Gift, treibt den Urin und die monatliche Blume, desgleichen die Winde und Blehungen, hilfft wider den heissen Brand, zertheilet, und dienet zu Quetsuren und Verrenckungen. Vin de teinte, auf teutsch der Tintenwein, ist ein dicker, schwartzer Wein, der sehr viel Weinstein führet, und aus gewissen schwartzen Trauben gemachet wird. Dieser Wein ist eben nicht gar gut zu trincken, dann er ist gar zu herbe: er dient vielmehr zum färben, daher er auch den frantzösischen Namen Vin de teinte, das möchte soviel heissen, als Färberwein, hat überkommen. Die Weinschencken brauchen ihn dem blancken Weine damit eine rothe Farbe zu geben. Man würde wenig Spiritus davon bekommen. Er hält an, stärcket und zertheilet, dienet zum Durchfall, zur goldnen Ader und zur Weiber ihrer Zeit, er wird auch zur Bereitung des Martis adstringentis gebrauchet; wie ingleichen äusserlich zu anhaltend- und stärckenden Bähungen. Die süssen Weine und insonderheit, die in warmen Ländern gewachsen, dienen weit mehr zu Stärckung des Magens, indem sie weit klebrichter sind und einem Syrup gleich, sie bleiben auch viel länger in dem Leibe, und haben derowegen mehrere Zeit das ihre zu verrichten. Malvasie, lateinisch, Vinum Malvaticum, teutsch, Malvasir, ist eine Gattung süsses Weins, der gar nach Würtze und sehr lieblich schmeckt, auch bey den Alten gar sehr im Gebrauch gewesen: er wird noch zur Zeit in Italien gemacht. Allein, weil er gar selten heraus kommt, deshalben müssen andre süsse Weine seine Stelle zur Artzney vertreten. Er ist dem Magen, dem Haupte, und dem Hertzen dienlich, stärcket, widerstehet dem Gift, und mäßiget den Appetit. Wann der Speisewein nicht zu unmäßig gebrauchet und mit Wasser vermischet wird, so ist er ein Trunck, welcher unter allen der beste und der gesundeste, wofern man nur auch recht gesund ist; dann, er giebet allen Theilen des Leibes Kraft und Stärcke; er hilfft verdauen; und machet einen guten Speisesaft; er erfrischt und erfreuet das Hertz und das Haupt, durch seine Geisterlein, die dahin kommen; er ermuntert die Lebensgeister; macht gute Gedancken, und ein gut Gedächtnüß. Wird er aber ohne Maß genossen, wie mehr dann zu oft geschicht, so verursachet er Trunckenheit, und vielmahls allerhand Beschwerung und verdrießliche Kranckheiteg. Die Trunckenheit aber wird durch die geistigen Theilgen des Weins zu wege bracht, als welche in zu grosser Menge in das Hirn hinaufgestiegen, und darinne dermassen schnell herum getrieben werden, daß sie alles mit einander unter einander wirren; sie zertreiben den Schleim, der ergiesset sich hernachmahls überall, und da sie den ordentlichen Lauff der Lebensgeister auf gewisse Masse hemmen und verstopfen, nöthigen sie dieselbigen, daß sie wider ihre Natur andere und ungewöhnliche Wege suchen müssen. Zu solcher Zeit siehts recht verwirret aus, alles wancket und taumelt, und der Vestand ist in der Wahrheit nicht viel grösser als bey einem rechten natürlichen Narren. In dieser Raserey verharret man so lang, bis daß der Geist des Weins, der ins Gehirne in die Höh

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/612
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/612>, abgerufen am 24.11.2024.