Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] wird davon gebracht, wann man das Gold ins Feuer leget, und mit etwas Weinsteinöl reibet.

Der Alchymisten aurum potabile, frantzösisch, Or potable des Alchymistes, ist auch eine pur lautere Grille: sie geben vor, es könne das Gold aufgelöset, und in seine ersteren principia verwandelt, auch das Saltz und der Schwefel davon abgesondert werden, so daß sie in dem Golde nicht wieder zu revivisiciren, so wenig als das Oel und Saltz, so man aus einem Gewächse hat gezogen, wieder in dasselbige zu bringen sind. Und diese praetendirten Dinge, Saltz und Schwefel haben sie aurum potabile genennet, dieweil sie in allerhand liquoribus und nassen Dingen können zerlassen, und dergestalt hinein getruncken werden. Sie schreiben ihm eine Kraft zu, vermöge deren es vor allen und ieden Anstössen verwahret, alle Kranckheiten vertreibet und das Leben verlängert, mit einem Worte, es ist eine Medicina universalis, eine allgemeine Artzney.

Diese vortrefflichen Tugenden des auri potabilis, gründen sich auf andre Grillenfängereyen. Es versichern nemlich die Alchymisten und die Sterngucker, daß zwischen der Sonne und dem Golde, eine sonderliche Ubereinstimmung und vertrauliche Gemeinschaft sey, und zwar, vermittelst desjenigen Einflusses, den sie, die eine dem andern, und hinwiederum ertheilen. Diesemnach ist das Gold voller Einfluß von der Sonne; das Gold aber das Hertz der grossen Welt, und soll um dessentwillen, vermittelst des Goldes, als seines Substituten, seine Kraft und Tugend dem Hertzen der kleinen Welt, das ist, dem Menschen, mittheilen. Nun sind der Sonnen Wirckung, erwärmen, munter und lebendig machen, erfreuen und erfrischen, den Leib von allen bösen Feuchtigkeiten reinigen und saubern, und das gantze Leben glücklich und langwierig machen, auch dasselbige von allen Kranckheiten befreyen. Wo also ihre Sätze alle mit einander richtig sind, so darff niemand nicht Zweiffel tragen, als ob das Gold nicht solte sonderliche und treffliche Wirckungen haben. Allein, da dieses Metall ein überaus compact und dichter, harter Cörper ist, so sind auch seine Kräfte dermassen verschlossen und concentriret, daß man dieselbigen gar nicht verspüren kan, es sey dann, daß es in seine ersten principia, in Schwefel und in Saltz, welche aurum potabile genennet werden, verändert worden sey.

Diese herrlichen Gründe lassen sich gar leichtlich übern Hauffen werffen; sie haben schlechten Grund und wenig Wichtigkeit, fallen dannenhero stracks von ihnen selbsten. Dann erstlich ists umsonst, daß die Alchymisten vorgeben, man könne das Gold in seine ersten principia wiederum zertheilen, und das Saltz und den Schwefel daraus ziehen: weil dieses Metall von solcher Härte ist, und seine unempfindlichen Theilgen dergestalt gebunden sind, daß sich noch niemahls hat ein Mittel finden wollen, dadurch mans gründlich und radicitus auflösen könte, oder eines von erwähnten seinen principiis von denen andern absondern, man mag sich auch bemühen und darnach bestreben, so sehre als man immer will. Man mag es strecken, zertheilen, dünne und zu gantz unvermercklichen kleinen Stäublein, durch die dissolventia, machen, so hat man doch nichts mehr ausrichten können, als daß man ihm, so zu reden, ein anderes Gewand [Spaltenumbruch] hat umgethan, an und für sich selbsten aber ist es gantz und in seinem Stande geblieben, und hat sich stracks durchs schmeltzen in vorigen Zustand wiederum versetzen lassen. Diejenigen praeparationes auri aber, welche uns ein und andere Leute für das Saltz oder Schwefel von diesem Metall haben anschmieren wollen, sind nach genauer Untersuchung anders nichts befunden worden, als ein über die massen raresicirtes Gold, welches durch etwas Salmiac ist aufgelöst gewesen: solches Gold war aber alsofort wiederum zu revivificiren, und in sein voriges Wesen wieder zu versetzen, wann nur das Saltz davon ward abgenommen, und es selbst durchs Feuer gejaget.

Solte man auch in künftigen Zeiten es so weit bringen, daß das Gold vollkommen aufgeschlossen, und sein Saltz und Schwefel daraus gezogen werden möchte, würde dannoch die Frage seyn, was dann für Kraft und Tugend dieselbigen haben und besitzen solten, welches dann die damit angestellten Proben und die Erfahrung bezeugen müsten. Allein ich glaube gäntzlich, daß sie bey weiten nicht die verhofft- und versprochene Wirckung erweisen dürfften. Die Ubereinstimmung des Goldes mit der Sonne, und der gantz sonderliche Einfluß, den es von ihr erhalten soll, sind eine pur lautere Einbildung, die nicht zu glauben stehen. Dann wir sehen ja, daß die Sonne ihre Strahlen und ihre Wärme überall herum, und auf alle und jede Cörper wirfft, darzwischen aber nicht den geringsten Unterscheid nicht macht.

Ob es nun auch schon kein warhaftes aurum potabile, oder trinckbares Gold in der gantzen Welt nicht giebt, dazu auch ungewiß seyn würde, was für Kraft und Wirckung dasselbige haben würde; allenfalls ja eines solte auserfunden werden, so werden dannoch so viele Leute durch diesen Titel betrogen, den Marckschreyern aber Gelegenheit und Anlaß gegeben, sie noch mehr gantz ungescheut und ungestraft zu hintergehen. Dann sie ziehen eine Tinctur aus unterschiedenen Dingen, welche der Farbe des Goldes gleich kommet, und verkauffen dieselbige, unter dem Titel des auri potabilis, um einen sehr hohen Preiß. Und solche Betrügerey gehet diesen Purschen gantz ungemeine wohl von statten: dann die Patienten setzen oftmahls ein gar wunderliches grosses Vertrauen auf dergleichen Medicamenten, welche prächtige Titel führen, und einigen geringen Schein haben. Und man pfleget auch solche Dinge in der gantzen Welt zu rühmen und zu preisen, welche viel gekostet haben; so daß sie nur wegen ihres Werths und ihrer Titel halber hoch gehalten werden. Ingleichen trägt sichs wohl bisweilen zu, daß solche Tincturen, denen man den Titel aurum potabile beygeleget, ein und andere gute Wirckung thun, dieweil sie mit kräftigen und geistreichen Menstruis sind ausgezogen worden, dadurch das Hertz erfrischet, und die bösen Feuchtigkeiten durch die unvermerckliche Ausdünstung aus dem Leibe getrieben werden; da entstehet dann stracks ein Geschrey von Miracul und Wunderwerck, und dem Golde wird solche eine Wirckung zugeschrieben, daran es doch nicht den geringsten Antheil hat, dieweil nicht das geringste von demselben in den liquor ist gekommen.

Andere, doch nicht so grosse Betrüger, als wie erst beschriebene sind, lassen das Gold in geistreichen liquoribus auf bekannte und gemeine Art sich auflösen [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wird davon gebracht, wann man das Gold ins Feuer leget, und mit etwas Weinsteinöl reibet.

Der Alchymisten aurum potabile, frantzösisch, Or potable des Alchymistes, ist auch eine pur lautere Grille: sie geben vor, es könne das Gold aufgelöset, und in seine ersteren principia verwandelt, auch das Saltz und der Schwefel davon abgesondert werden, so daß sie in dem Golde nicht wieder zu revivisiciren, so wenig als das Oel und Saltz, so man aus einem Gewächse hat gezogen, wieder in dasselbige zu bringen sind. Und diese prætendirten Dinge, Saltz und Schwefel haben sie aurum potabile genennet, dieweil sie in allerhand liquoribus und nassen Dingen können zerlassen, und dergestalt hinein getruncken werden. Sie schreiben ihm eine Kraft zu, vermöge deren es vor allen und ieden Anstössen verwahret, alle Kranckheiten vertreibet und das Leben verlängert, mit einem Worte, es ist eine Medicina universalis, eine allgemeine Artzney.

Diese vortrefflichen Tugenden des auri potabilis, gründen sich auf andre Grillenfängereyen. Es versichern nemlich die Alchymisten und die Sterngucker, daß zwischen der Sonne und dem Golde, eine sonderliche Ubereinstimmung und vertrauliche Gemeinschaft sey, und zwar, vermittelst desjenigen Einflusses, den sie, die eine dem andern, und hinwiederum ertheilen. Diesemnach ist das Gold voller Einfluß von der Sonne; das Gold aber das Hertz der grossen Welt, und soll um dessentwillen, vermittelst des Goldes, als seines Substituten, seine Kraft und Tugend dem Hertzen der kleinen Welt, das ist, dem Menschen, mittheilen. Nun sind der Sonnen Wirckung, erwärmen, munter und lebendig machen, erfreuen und erfrischen, den Leib von allen bösen Feuchtigkeiten reinigen und saubern, und das gantze Leben glücklich und langwierig machen, auch dasselbige von allen Kranckheiten befreyen. Wo also ihre Sätze alle mit einander richtig sind, so darff niemand nicht Zweiffel tragen, als ob das Gold nicht solte sonderliche und treffliche Wirckungen haben. Allein, da dieses Metall ein überaus compact und dichter, harter Cörper ist, so sind auch seine Kräfte dermassen verschlossen und concentriret, daß man dieselbigen gar nicht verspüren kan, es sey dann, daß es in seine ersten principia, in Schwefel und in Saltz, welche aurum potabile genennet werden, verändert worden sey.

Diese herrlichen Gründe lassen sich gar leichtlich übern Hauffen werffen; sie haben schlechten Grund und wenig Wichtigkeit, fallen dannenhero stracks von ihnen selbsten. Dann erstlich ists umsonst, daß die Alchymisten vorgeben, man könne das Gold in seine ersten principia wiederum zertheilen, und das Saltz und den Schwefel daraus ziehen: weil dieses Metall von solcher Härte ist, und seine unempfindlichen Theilgen dergestalt gebunden sind, daß sich noch niemahls hat ein Mittel finden wollen, dadurch mans gründlich und radicitus auflösen könte, oder eines von erwähnten seinen principiis von denen andern absondern, man mag sich auch bemühen und darnach bestreben, so sehre als man immer will. Man mag es strecken, zertheilen, dünne und zu gantz unvermercklichen kleinen Stäublein, durch die dissolventia, machen, so hat man doch nichts mehr ausrichten können, als daß man ihm, so zu reden, ein anderes Gewand [Spaltenumbruch] hat umgethan, an und für sich selbsten aber ist es gantz und in seinem Stande geblieben, und hat sich stracks durchs schmeltzen in vorigen Zustand wiederum versetzen lassen. Diejenigen præparationes auri aber, welche uns ein und andere Leute für das Saltz oder Schwefel von diesem Metall haben anschmieren wollen, sind nach genauer Untersuchung anders nichts befunden worden, als ein über die massen raresicirtes Gold, welches durch etwas Salmiac ist aufgelöst gewesen: solches Gold war aber alsofort wiederum zu revivificiren, und in sein voriges Wesen wieder zu versetzen, wann nur das Saltz davon ward abgenommen, und es selbst durchs Feuer gejaget.

Solte man auch in künftigen Zeiten es so weit bringen, daß das Gold vollkommen aufgeschlossen, und sein Saltz und Schwefel daraus gezogen werden möchte, würde dannoch die Frage seyn, was dann für Kraft und Tugend dieselbigen haben und besitzen solten, welches dann die damit angestellten Proben und die Erfahrung bezeugen müsten. Allein ich glaube gäntzlich, daß sie bey weiten nicht die verhofft- und versprochene Wirckung erweisen dürfften. Die Ubereinstimmung des Goldes mit der Sonne, und der gantz sonderliche Einfluß, den es von ihr erhalten soll, sind eine pur lautere Einbildung, die nicht zu glauben stehen. Dann wir sehen ja, daß die Sonne ihre Strahlen und ihre Wärme überall herum, und auf alle und jede Cörper wirfft, darzwischen aber nicht den geringsten Unterscheid nicht macht.

Ob es nun auch schon kein warhaftes aurum potabile, oder trinckbares Gold in der gantzen Welt nicht giebt, dazu auch ungewiß seyn würde, was für Kraft und Wirckung dasselbige haben würde; allenfalls ja eines solte auserfunden werden, so werden dannoch so viele Leute durch diesen Titel betrogen, den Marckschreyern aber Gelegenheit und Anlaß gegeben, sie noch mehr gantz ungescheut und ungestraft zu hintergehen. Dann sie ziehen eine Tinctur aus unterschiedenen Dingen, welche der Farbe des Goldes gleich kommet, und verkauffen dieselbige, unter dem Titel des auri potabilis, um einen sehr hohen Preiß. Und solche Betrügerey gehet diesen Purschen gantz ungemeine wohl von statten: dann die Patienten setzen oftmahls ein gar wunderliches grosses Vertrauen auf dergleichen Medicamenten, welche prächtige Titel führen, und einigen geringen Schein haben. Und man pfleget auch solche Dinge in der gantzen Welt zu rühmen und zu preisen, welche viel gekostet haben; so daß sie nur wegen ihres Werths und ihrer Titel halber hoch gehalten werden. Ingleichen trägt sichs wohl bisweilen zu, daß solche Tincturen, denen man den Titel aurum potabile beygeleget, ein und andere gute Wirckung thun, dieweil sie mit kräftigen und geistreichen Menstruis sind ausgezogen worden, dadurch das Hertz erfrischet, und die bösen Feuchtigkeiten durch die unvermerckliche Ausdünstung aus dem Leibe getrieben werden; da entstehet dann stracks ein Geschrey von Miracul und Wunderwerck, und dem Golde wird solche eine Wirckung zugeschrieben, daran es doch nicht den geringsten Antheil hat, dieweil nicht das geringste von demselben in den liquor ist gekommen.

Andere, doch nicht so grosse Betrüger, als wie erst beschriebene sind, lassen das Gold in geistreichen liquoribus auf bekannte und gemeine Art sich auflösen [Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div type="lexiconEntry">
          <p><pb facs="#f0089"/><cb type="start"/>
wird davon gebracht, wann man das Gold ins Feuer leget, und mit etwas Weinsteinöl reibet.</p><lb/>
          <p>Der Alchymisten <hi rendition="#i">aurum potabile,</hi> frantzösisch, <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Or potable des Alchymistes</hi></hi>, ist auch eine pur lautere Grille: sie geben vor, es könne das Gold aufgelöset, und in seine ersteren <hi rendition="#i">principia</hi> verwandelt, auch das Saltz und der Schwefel davon abgesondert werden, so daß sie in dem Golde nicht wieder zu <hi rendition="#i">revivisici</hi>ren, so wenig als das Oel und Saltz, so man aus einem Gewächse hat gezogen, wieder in dasselbige zu bringen sind. Und diese <hi rendition="#i">prætendi</hi>rten Dinge, Saltz und Schwefel haben sie <hi rendition="#i">aurum potabile</hi> genennet, dieweil sie in allerhand <hi rendition="#i">liquoribus</hi> und nassen Dingen können zerlassen, und dergestalt hinein getruncken werden. Sie schreiben ihm eine Kraft zu, vermöge deren es vor allen und ieden Anstössen verwahret, alle Kranckheiten vertreibet und das Leben verlängert, mit einem Worte, es ist eine <hi rendition="#i">Medicina universalis,</hi> eine allgemeine Artzney.</p><lb/>
          <p>Diese vortrefflichen Tugenden des <hi rendition="#i">auri potabilis,</hi> gründen sich auf andre Grillenfängereyen. Es versichern nemlich die Alchymisten und die Sterngucker, daß zwischen der Sonne und dem Golde, eine sonderliche Ubereinstimmung und vertrauliche Gemeinschaft sey, und zwar, vermittelst desjenigen Einflusses, den sie, die eine dem andern, und hinwiederum ertheilen. Diesemnach ist das Gold voller Einfluß von der Sonne; das Gold aber das Hertz der grossen Welt, und soll um dessentwillen, vermittelst des Goldes, als seines <hi rendition="#i">Substitut</hi>en, seine Kraft und Tugend dem Hertzen der kleinen Welt, das ist, dem Menschen, mittheilen. Nun sind der Sonnen Wirckung, erwärmen, munter und lebendig machen, erfreuen und erfrischen, den Leib von allen bösen Feuchtigkeiten reinigen und saubern, und das gantze Leben glücklich und langwierig machen, auch dasselbige von allen Kranckheiten befreyen. Wo also ihre Sätze alle mit einander richtig sind, so darff niemand nicht Zweiffel tragen, als ob das Gold nicht solte sonderliche und treffliche Wirckungen haben. Allein, da dieses Metall ein überaus <hi rendition="#i">compact</hi> und dichter, harter Cörper ist, so sind auch seine Kräfte dermassen verschlossen und <hi rendition="#i">concentri</hi>ret, daß man dieselbigen gar nicht verspüren kan, es sey dann, daß es in seine ersten <hi rendition="#i">principia,</hi> in Schwefel und in Saltz, welche <hi rendition="#i">aurum potabile</hi> genennet werden, verändert worden sey.</p><lb/>
          <p>Diese herrlichen Gründe lassen sich gar leichtlich übern Hauffen werffen; sie haben schlechten Grund und wenig Wichtigkeit, fallen dannenhero stracks von ihnen selbsten. Dann erstlich ists umsonst, daß die Alchymisten vorgeben, man könne das Gold in seine ersten <hi rendition="#i">principia</hi> wiederum zertheilen, und das Saltz und den Schwefel daraus ziehen: weil dieses Metall von solcher Härte ist, und seine unempfindlichen Theilgen dergestalt gebunden sind, daß sich noch niemahls hat ein Mittel finden wollen, dadurch mans gründlich und <hi rendition="#i">radicitus</hi> auflösen könte, oder eines von erwähnten seinen <hi rendition="#i">principiis</hi> von denen andern absondern, man mag sich auch bemühen und darnach bestreben, so sehre als man immer will. Man mag es strecken, zertheilen, dünne und zu gantz unvermercklichen kleinen Stäublein, durch die <hi rendition="#i">dissolventia,</hi> machen, so hat man doch nichts mehr ausrichten können, als daß man ihm, so zu reden, ein anderes Gewand <cb/>
hat umgethan, an und für sich selbsten aber ist es gantz und in seinem Stande geblieben, und hat sich stracks durchs schmeltzen in vorigen Zustand wiederum versetzen lassen. Diejenigen <hi rendition="#i">præparationes auri</hi> aber, welche uns ein und andere Leute für das Saltz oder Schwefel von diesem Metall haben anschmieren wollen, sind nach genauer Untersuchung anders nichts befunden worden, als ein über die massen raresicirtes Gold, welches durch etwas Salmiac ist aufgelöst gewesen: solches Gold war aber alsofort wiederum zu <hi rendition="#i">revivificiren,</hi> und in sein voriges Wesen wieder zu versetzen, wann nur das Saltz davon ward abgenommen, und es selbst durchs Feuer gejaget.</p><lb/>
          <p>Solte man auch in künftigen Zeiten es so weit bringen, daß das Gold vollkommen aufgeschlossen, und sein Saltz und Schwefel daraus gezogen werden möchte, würde dannoch die Frage seyn, was dann für Kraft und Tugend dieselbigen haben und besitzen solten, welches dann die damit angestellten Proben und die Erfahrung bezeugen müsten. Allein ich glaube gäntzlich, daß sie bey weiten nicht die verhofft- und versprochene Wirckung erweisen dürfften. Die Ubereinstimmung des Goldes mit der Sonne, und der gantz sonderliche Einfluß, den es von ihr erhalten soll, sind eine pur lautere Einbildung, die nicht zu glauben stehen. Dann wir sehen ja, daß die Sonne ihre Strahlen und ihre Wärme überall herum, und auf alle und jede Cörper wirfft, darzwischen aber nicht den geringsten Unterscheid nicht macht.</p><lb/>
          <p>Ob es nun auch schon kein warhaftes <hi rendition="#i">aurum potabile,</hi> oder trinckbares Gold in der gantzen Welt nicht giebt, dazu auch ungewiß seyn würde, was für Kraft und Wirckung dasselbige haben würde; allenfalls ja eines solte auserfunden werden, so werden dannoch so viele Leute durch diesen Titel betrogen, den Marckschreyern aber Gelegenheit und Anlaß gegeben, sie noch mehr gantz ungescheut und ungestraft zu hintergehen. Dann sie ziehen eine Tinctur aus unterschiedenen Dingen, welche der Farbe des Goldes gleich kommet, und verkauffen dieselbige, unter dem Titel des <hi rendition="#i">auri potabilis,</hi> um einen sehr hohen Preiß. Und solche Betrügerey gehet diesen Purschen gantz ungemeine wohl von statten: dann die Patienten setzen oftmahls ein gar wunderliches grosses Vertrauen auf dergleichen Medicamenten, welche prächtige Titel führen, und einigen geringen Schein haben. Und man pfleget auch solche Dinge in der gantzen Welt zu rühmen und zu preisen, welche viel gekostet haben; so daß sie nur wegen ihres Werths und ihrer Titel halber hoch gehalten werden. Ingleichen trägt sichs wohl bisweilen zu, daß solche Tincturen, denen man den Titel <hi rendition="#i">aurum potabile</hi> beygeleget, ein und andere gute Wirckung thun, dieweil sie mit kräftigen und geistreichen <hi rendition="#i">Menstruis</hi> sind ausgezogen worden, dadurch das Hertz erfrischet, und die bösen Feuchtigkeiten durch die unvermerckliche Ausdünstung aus dem Leibe getrieben werden; da entstehet dann stracks ein Geschrey von Miracul und Wunderwerck, und dem Golde wird solche eine Wirckung zugeschrieben, daran es doch nicht den geringsten Antheil hat, dieweil nicht das geringste von demselben in den <hi rendition="#i">liquor</hi> ist gekommen.</p><lb/>
          <p>Andere, doch nicht so grosse Betrüger, als wie erst beschriebene sind, lassen das Gold in geistreichen <hi rendition="#i">liquoribus</hi> auf bekannte und gemeine Art sich auflösen <cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] wird davon gebracht, wann man das Gold ins Feuer leget, und mit etwas Weinsteinöl reibet. Der Alchymisten aurum potabile, frantzösisch, Or potable des Alchymistes, ist auch eine pur lautere Grille: sie geben vor, es könne das Gold aufgelöset, und in seine ersteren principia verwandelt, auch das Saltz und der Schwefel davon abgesondert werden, so daß sie in dem Golde nicht wieder zu revivisiciren, so wenig als das Oel und Saltz, so man aus einem Gewächse hat gezogen, wieder in dasselbige zu bringen sind. Und diese prætendirten Dinge, Saltz und Schwefel haben sie aurum potabile genennet, dieweil sie in allerhand liquoribus und nassen Dingen können zerlassen, und dergestalt hinein getruncken werden. Sie schreiben ihm eine Kraft zu, vermöge deren es vor allen und ieden Anstössen verwahret, alle Kranckheiten vertreibet und das Leben verlängert, mit einem Worte, es ist eine Medicina universalis, eine allgemeine Artzney. Diese vortrefflichen Tugenden des auri potabilis, gründen sich auf andre Grillenfängereyen. Es versichern nemlich die Alchymisten und die Sterngucker, daß zwischen der Sonne und dem Golde, eine sonderliche Ubereinstimmung und vertrauliche Gemeinschaft sey, und zwar, vermittelst desjenigen Einflusses, den sie, die eine dem andern, und hinwiederum ertheilen. Diesemnach ist das Gold voller Einfluß von der Sonne; das Gold aber das Hertz der grossen Welt, und soll um dessentwillen, vermittelst des Goldes, als seines Substituten, seine Kraft und Tugend dem Hertzen der kleinen Welt, das ist, dem Menschen, mittheilen. Nun sind der Sonnen Wirckung, erwärmen, munter und lebendig machen, erfreuen und erfrischen, den Leib von allen bösen Feuchtigkeiten reinigen und saubern, und das gantze Leben glücklich und langwierig machen, auch dasselbige von allen Kranckheiten befreyen. Wo also ihre Sätze alle mit einander richtig sind, so darff niemand nicht Zweiffel tragen, als ob das Gold nicht solte sonderliche und treffliche Wirckungen haben. Allein, da dieses Metall ein überaus compact und dichter, harter Cörper ist, so sind auch seine Kräfte dermassen verschlossen und concentriret, daß man dieselbigen gar nicht verspüren kan, es sey dann, daß es in seine ersten principia, in Schwefel und in Saltz, welche aurum potabile genennet werden, verändert worden sey. Diese herrlichen Gründe lassen sich gar leichtlich übern Hauffen werffen; sie haben schlechten Grund und wenig Wichtigkeit, fallen dannenhero stracks von ihnen selbsten. Dann erstlich ists umsonst, daß die Alchymisten vorgeben, man könne das Gold in seine ersten principia wiederum zertheilen, und das Saltz und den Schwefel daraus ziehen: weil dieses Metall von solcher Härte ist, und seine unempfindlichen Theilgen dergestalt gebunden sind, daß sich noch niemahls hat ein Mittel finden wollen, dadurch mans gründlich und radicitus auflösen könte, oder eines von erwähnten seinen principiis von denen andern absondern, man mag sich auch bemühen und darnach bestreben, so sehre als man immer will. Man mag es strecken, zertheilen, dünne und zu gantz unvermercklichen kleinen Stäublein, durch die dissolventia, machen, so hat man doch nichts mehr ausrichten können, als daß man ihm, so zu reden, ein anderes Gewand hat umgethan, an und für sich selbsten aber ist es gantz und in seinem Stande geblieben, und hat sich stracks durchs schmeltzen in vorigen Zustand wiederum versetzen lassen. Diejenigen præparationes auri aber, welche uns ein und andere Leute für das Saltz oder Schwefel von diesem Metall haben anschmieren wollen, sind nach genauer Untersuchung anders nichts befunden worden, als ein über die massen raresicirtes Gold, welches durch etwas Salmiac ist aufgelöst gewesen: solches Gold war aber alsofort wiederum zu revivificiren, und in sein voriges Wesen wieder zu versetzen, wann nur das Saltz davon ward abgenommen, und es selbst durchs Feuer gejaget. Solte man auch in künftigen Zeiten es so weit bringen, daß das Gold vollkommen aufgeschlossen, und sein Saltz und Schwefel daraus gezogen werden möchte, würde dannoch die Frage seyn, was dann für Kraft und Tugend dieselbigen haben und besitzen solten, welches dann die damit angestellten Proben und die Erfahrung bezeugen müsten. Allein ich glaube gäntzlich, daß sie bey weiten nicht die verhofft- und versprochene Wirckung erweisen dürfften. Die Ubereinstimmung des Goldes mit der Sonne, und der gantz sonderliche Einfluß, den es von ihr erhalten soll, sind eine pur lautere Einbildung, die nicht zu glauben stehen. Dann wir sehen ja, daß die Sonne ihre Strahlen und ihre Wärme überall herum, und auf alle und jede Cörper wirfft, darzwischen aber nicht den geringsten Unterscheid nicht macht. Ob es nun auch schon kein warhaftes aurum potabile, oder trinckbares Gold in der gantzen Welt nicht giebt, dazu auch ungewiß seyn würde, was für Kraft und Wirckung dasselbige haben würde; allenfalls ja eines solte auserfunden werden, so werden dannoch so viele Leute durch diesen Titel betrogen, den Marckschreyern aber Gelegenheit und Anlaß gegeben, sie noch mehr gantz ungescheut und ungestraft zu hintergehen. Dann sie ziehen eine Tinctur aus unterschiedenen Dingen, welche der Farbe des Goldes gleich kommet, und verkauffen dieselbige, unter dem Titel des auri potabilis, um einen sehr hohen Preiß. Und solche Betrügerey gehet diesen Purschen gantz ungemeine wohl von statten: dann die Patienten setzen oftmahls ein gar wunderliches grosses Vertrauen auf dergleichen Medicamenten, welche prächtige Titel führen, und einigen geringen Schein haben. Und man pfleget auch solche Dinge in der gantzen Welt zu rühmen und zu preisen, welche viel gekostet haben; so daß sie nur wegen ihres Werths und ihrer Titel halber hoch gehalten werden. Ingleichen trägt sichs wohl bisweilen zu, daß solche Tincturen, denen man den Titel aurum potabile beygeleget, ein und andere gute Wirckung thun, dieweil sie mit kräftigen und geistreichen Menstruis sind ausgezogen worden, dadurch das Hertz erfrischet, und die bösen Feuchtigkeiten durch die unvermerckliche Ausdünstung aus dem Leibe getrieben werden; da entstehet dann stracks ein Geschrey von Miracul und Wunderwerck, und dem Golde wird solche eine Wirckung zugeschrieben, daran es doch nicht den geringsten Antheil hat, dieweil nicht das geringste von demselben in den liquor ist gekommen. Andere, doch nicht so grosse Betrüger, als wie erst beschriebene sind, lassen das Gold in geistreichen liquoribus auf bekannte und gemeine Art sich auflösen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

TextGrid: Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-02-19T20:05:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-02-19T20:05:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: nein;

Abbildungen innerhalb des Textteils wurden nicht markiert. Die Stichwörter der einzelnen Einträge innerhalb des Textteils sind, abweichend von der Vorlage, nicht in Versalien gesetzt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/89
Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/89>, abgerufen am 24.05.2024.