Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Hinaus in's Dunkel jener Eichen! Dort findet sich der alte Lauf; Dort stören wir die Liederleichen Aus ihren stillen Gräbern auf! Wenn erst die Lieder nur erwachen, Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor Die Lieben all' in meinen Nachen Aus dunkler Todesfluth empor. Es klingt! -- doch flieh'n im scheuen Fluge Die Töne auf von meiner Hand; So eilt, verspätet, nach dem Zuge Das Vöglein über's Heideland. Nun bin ich meines Herzens Meister! Nun rauscht wie einst der Sturmakkord, Nun springen die versunknen Geister Herauf, herauf an meinen Bord! O du mein Freund, so treu und bieder!
Wohl mir, du bist mir wieder nah! Dein süßes Wort auch hör' ich wieder! Mein holdes Mädchen, bist du da? -- Lenau's Gedichte. 7
Hinaus in's Dunkel jener Eichen! Dort findet ſich der alte Lauf; Dort ſtoͤren wir die Liederleichen Aus ihren ſtillen Graͤbern auf! Wenn erſt die Lieder nur erwachen, Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor Die Lieben all' in meinen Nachen Aus dunkler Todesfluth empor. Es klingt! — doch flieh'n im ſcheuen Fluge Die Toͤne auf von meiner Hand; So eilt, verſpaͤtet, nach dem Zuge Das Voͤglein uͤber's Heideland. Nun bin ich meines Herzens Meiſter! Nun rauſcht wie einſt der Sturmakkord, Nun ſpringen die verſunknen Geiſter Herauf, herauf an meinen Bord! O du mein Freund, ſo treu und bieder!
Wohl mir, du biſt mir wieder nah! Dein ſuͤßes Wort auch hoͤr' ich wieder! Mein holdes Maͤdchen, biſt du da? — Lenau's Gedichte. 7
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Hinaus in's Dunkel jener Eichen!
Dort findet ſich der alte Lauf;
Dort ſtoͤren wir die Liederleichen
Aus ihren ſtillen Graͤbern auf!
Wenn erſt die Lieder nur erwachen,
Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor
Die Lieben all' in meinen Nachen
Aus dunkler Todesfluth empor.
Es klingt! — doch flieh'n im ſcheuen Fluge
Die Toͤne auf von meiner Hand;
So eilt, verſpaͤtet, nach dem Zuge
Das Voͤglein uͤber's Heideland.
Nun bin ich meines Herzens Meiſter!
Nun rauſcht wie einſt der Sturmakkord,
Nun ſpringen die verſunknen Geiſter
Herauf, herauf an meinen Bord!
O du mein Freund, ſo treu und bieder!
Wohl mir, du biſt mir wieder nah!
Dein ſuͤßes Wort auch hoͤr' ich wieder!
Mein holdes Maͤdchen, biſt du da? —
Lenau's Gedichte. 7
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/111>, abgerufen am 16.02.2025. |