Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Vergänglichkeit. Vom Berge schaut hinaus ins tiefe Schweigen Der mondbeseelten, schönen Sommernacht Die Burgruine; und in Tannenzweigen Verseufzt ein Lüftchen, das allein bewacht Die trümmervolle Einsamkeit, Den bangen Laut: "Vergänglichkeit!" "Vergänglichkeit!" mahnt mich im stillen Thale Die ernste Schaar bekreuzter Hügel dort, Wo dauernder der Schmerz in Todtenmahle, Als in verlassne Herzen sich gebohrt; Bei Sterbetages Wiederkehr Befeuchtet sich kein Auge mehr. Der wechselnden Gefühle Traumgestalten
Durchrauschen äffend unser Herz, es sucht Vergebens seinen Himmel festzuhalten, Und fortgerissen in die rasche Flucht Wird selbst der Jammer, und der Hauch Der sanften Wehmuth schwindet auch. Vergänglichkeit. Vom Berge ſchaut hinaus ins tiefe Schweigen Der mondbeſeelten, ſchoͤnen Sommernacht Die Burgruine; und in Tannenzweigen Verſeufzt ein Luͤftchen, das allein bewacht Die truͤmmervolle Einſamkeit, Den bangen Laut: „Vergaͤnglichkeit!“ „Vergaͤnglichkeit!“ mahnt mich im ſtillen Thale Die ernſte Schaar bekreuzter Huͤgel dort, Wo dauernder der Schmerz in Todtenmahle, Als in verlaſſne Herzen ſich gebohrt; Bei Sterbetages Wiederkehr Befeuchtet ſich kein Auge mehr. Der wechſelnden Gefuͤhle Traumgeſtalten
Durchrauſchen aͤffend unſer Herz, es ſucht Vergebens ſeinen Himmel feſtzuhalten, Und fortgeriſſen in die raſche Flucht Wird ſelbſt der Jammer, und der Hauch Der ſanften Wehmuth ſchwindet auch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" n="108"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Vergänglichkeit.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">V</hi>om Berge ſchaut hinaus ins tiefe Schweigen</l><lb/> <l>Der mondbeſeelten, ſchoͤnen Sommernacht</l><lb/> <l>Die Burgruine; und in Tannenzweigen</l><lb/> <l>Verſeufzt ein Luͤftchen, das allein bewacht</l><lb/> <l>Die truͤmmervolle Einſamkeit,</l><lb/> <l>Den bangen Laut: „Vergaͤnglichkeit!“</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>„Vergaͤnglichkeit!“ mahnt mich im ſtillen Thale</l><lb/> <l>Die ernſte Schaar bekreuzter Huͤgel dort,</l><lb/> <l>Wo dauernder der Schmerz in Todtenmahle,</l><lb/> <l>Als in verlaſſne Herzen ſich gebohrt;</l><lb/> <l>Bei Sterbetages Wiederkehr</l><lb/> <l>Befeuchtet ſich kein Auge mehr.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Der wechſelnden Gefuͤhle Traumgeſtalten</l><lb/> <l>Durchrauſchen aͤffend unſer Herz, es ſucht</l><lb/> <l>Vergebens ſeinen Himmel feſtzuhalten,</l><lb/> <l>Und fortgeriſſen in die raſche Flucht</l><lb/> <l>Wird ſelbſt der Jammer, und der Hauch</l><lb/> <l>Der ſanften Wehmuth ſchwindet auch.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0122]
Vergänglichkeit.
Vom Berge ſchaut hinaus ins tiefe Schweigen
Der mondbeſeelten, ſchoͤnen Sommernacht
Die Burgruine; und in Tannenzweigen
Verſeufzt ein Luͤftchen, das allein bewacht
Die truͤmmervolle Einſamkeit,
Den bangen Laut: „Vergaͤnglichkeit!“
„Vergaͤnglichkeit!“ mahnt mich im ſtillen Thale
Die ernſte Schaar bekreuzter Huͤgel dort,
Wo dauernder der Schmerz in Todtenmahle,
Als in verlaſſne Herzen ſich gebohrt;
Bei Sterbetages Wiederkehr
Befeuchtet ſich kein Auge mehr.
Der wechſelnden Gefuͤhle Traumgeſtalten
Durchrauſchen aͤffend unſer Herz, es ſucht
Vergebens ſeinen Himmel feſtzuhalten,
Und fortgeriſſen in die raſche Flucht
Wird ſelbſt der Jammer, und der Hauch
Der ſanften Wehmuth ſchwindet auch.
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