Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Abschied.

Lied eines auswandernden Portugiesen.


Sey mir zum leztenmal gegrüßt,
Mein Vaterland, das feige dumm,
Die Ferse dem Despoten küßt,
Und seinem Wink gehorchet stumm.
Wohl schlief das Kind in deinem Arm,
Du gabst, was Knaben freuen kann,
Der Jüngling fand ein Liebchen warm;
Doch keine Freiheit fand der Mann.
Im Hochland streckt der Jäger sich
Zu Boden schnell, wenn Wildesschaar
Heran sich stürzet fürchterlich,
Dann schnaubt vorüber die Gefahr:
Mein Vaterland, so sinkst du hin,
Rauscht deines Herrschers Tritt heran,
Und lässest ihn vorüberzieh'n,
Und hältst den bangen Athem an. --
Abschied.

Lied eines auswandernden Portugieſen.


Sey mir zum leztenmal gegruͤßt,
Mein Vaterland, das feige dumm,
Die Ferſe dem Deſpoten kuͤßt,
Und ſeinem Wink gehorchet ſtumm.
Wohl ſchlief das Kind in deinem Arm,
Du gabſt, was Knaben freuen kann,
Der Juͤngling fand ein Liebchen warm;
Doch keine Freiheit fand der Mann.
Im Hochland ſtreckt der Jaͤger ſich
Zu Boden ſchnell, wenn Wildesſchaar
Heran ſich ſtuͤrzet fuͤrchterlich,
Dann ſchnaubt voruͤber die Gefahr:
Mein Vaterland, ſo ſinkſt du hin,
Rauſcht deines Herrſchers Tritt heran,
Und laͤſſeſt ihn voruͤberzieh'n,
Und haͤltſt den bangen Athem an. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0131" n="117"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Abschied</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <p><hi rendition="#g">Lied eines auswandernden Portugie&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>ey mir zum leztenmal gegru&#x0364;ßt,</l><lb/>
              <l>Mein Vaterland, das feige dumm,</l><lb/>
              <l>Die Fer&#x017F;e dem De&#x017F;poten ku&#x0364;ßt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;einem Wink gehorchet &#x017F;tumm.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Wohl &#x017F;chlief das Kind in deinem Arm,</l><lb/>
              <l>Du gab&#x017F;t, was Knaben freuen kann,</l><lb/>
              <l>Der Ju&#x0364;ngling fand ein Liebchen warm;</l><lb/>
              <l>Doch keine Freiheit fand der Mann.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Im Hochland &#x017F;treckt der Ja&#x0364;ger &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Zu Boden &#x017F;chnell, wenn Wildes&#x017F;chaar</l><lb/>
              <l>Heran &#x017F;ich &#x017F;tu&#x0364;rzet fu&#x0364;rchterlich,</l><lb/>
              <l>Dann &#x017F;chnaubt voru&#x0364;ber die Gefahr:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Mein Vaterland, &#x017F;o &#x017F;ink&#x017F;t du hin,</l><lb/>
              <l>Rau&#x017F;cht deines Herr&#x017F;chers Tritt heran,</l><lb/>
              <l>Und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t ihn voru&#x0364;berzieh'n,</l><lb/>
              <l>Und ha&#x0364;lt&#x017F;t den bangen Athem an. &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0131] Abschied. Lied eines auswandernden Portugieſen. Sey mir zum leztenmal gegruͤßt, Mein Vaterland, das feige dumm, Die Ferſe dem Deſpoten kuͤßt, Und ſeinem Wink gehorchet ſtumm. Wohl ſchlief das Kind in deinem Arm, Du gabſt, was Knaben freuen kann, Der Juͤngling fand ein Liebchen warm; Doch keine Freiheit fand der Mann. Im Hochland ſtreckt der Jaͤger ſich Zu Boden ſchnell, wenn Wildesſchaar Heran ſich ſtuͤrzet fuͤrchterlich, Dann ſchnaubt voruͤber die Gefahr: Mein Vaterland, ſo ſinkſt du hin, Rauſcht deines Herrſchers Tritt heran, Und laͤſſeſt ihn voruͤberzieh'n, Und haͤltſt den bangen Athem an. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/131
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/131>, abgerufen am 24.11.2024.