Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
6.
Schon seh' ich Hirt' und Herde nimmer
Die Zirbel nur ist mein Geleit;
Der steile Pfad wird steiler immer,
Es wächst die wilde Einsamkeit.
Dort stürzt aus dunkler Felsenpforte
Der Quell mit einem bangen Schrei,
Enteilt dem grauenvollen Orte,
Hinab zum freundlich grünen Mai.
Verschwunden ist das lezte Leben,
Hier grünt kein Blatt, kein Vogel ruft,
Und selbst der Pfad scheint hier zu beben,
So zwischen Wand und Todeskluft.
Komm, Gottesläugner, Gott zu fühlen,
Dein Frevel wird auf diesem Rand
Den Todesabgrund tiefer wühlen,
Dir steiler thürmen diese Wand! --

6.
Schon ſeh' ich Hirt' und Herde nimmer
Die Zirbel nur iſt mein Geleit;
Der ſteile Pfad wird ſteiler immer,
Es waͤchſt die wilde Einſamkeit.
Dort ſtuͤrzt aus dunkler Felſenpforte
Der Quell mit einem bangen Schrei,
Enteilt dem grauenvollen Orte,
Hinab zum freundlich gruͤnen Mai.
Verſchwunden iſt das lezte Leben,
Hier gruͤnt kein Blatt, kein Vogel ruft,
Und ſelbſt der Pfad ſcheint hier zu beben,
So zwiſchen Wand und Todeskluft.
Komm, Gotteslaͤugner, Gott zu fuͤhlen,
Dein Frevel wird auf dieſem Rand
Den Todesabgrund tiefer wuͤhlen,
Dir ſteiler thuͤrmen dieſe Wand! —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0161" n="147"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">6.</hi><lb/>
            </head>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l><hi rendition="#in">S</hi>chon &#x017F;eh' ich Hirt' und Herde nimmer</l><lb/>
                <l>Die Zirbel nur i&#x017F;t mein Geleit;</l><lb/>
                <l>Der &#x017F;teile Pfad wird &#x017F;teiler immer,</l><lb/>
                <l>Es wa&#x0364;ch&#x017F;t die wilde Ein&#x017F;amkeit.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Dort &#x017F;tu&#x0364;rzt aus dunkler Fel&#x017F;enpforte</l><lb/>
                <l>Der Quell mit einem bangen Schrei,</l><lb/>
                <l>Enteilt dem grauenvollen Orte,</l><lb/>
                <l>Hinab zum freundlich gru&#x0364;nen Mai.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Ver&#x017F;chwunden i&#x017F;t das lezte Leben,</l><lb/>
                <l>Hier gru&#x0364;nt kein Blatt, kein Vogel ruft,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;elb&#x017F;t der Pfad &#x017F;cheint hier zu beben,</l><lb/>
                <l>So zwi&#x017F;chen Wand und Todeskluft.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="4">
                <l>Komm, Gottesla&#x0364;ugner, Gott zu fu&#x0364;hlen,</l><lb/>
                <l>Dein Frevel wird auf die&#x017F;em Rand</l><lb/>
                <l>Den Todesabgrund tiefer wu&#x0364;hlen,</l><lb/>
                <l>Dir &#x017F;teiler thu&#x0364;rmen die&#x017F;e Wand! &#x2014;</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0161] 6. Schon ſeh' ich Hirt' und Herde nimmer Die Zirbel nur iſt mein Geleit; Der ſteile Pfad wird ſteiler immer, Es waͤchſt die wilde Einſamkeit. Dort ſtuͤrzt aus dunkler Felſenpforte Der Quell mit einem bangen Schrei, Enteilt dem grauenvollen Orte, Hinab zum freundlich gruͤnen Mai. Verſchwunden iſt das lezte Leben, Hier gruͤnt kein Blatt, kein Vogel ruft, Und ſelbſt der Pfad ſcheint hier zu beben, So zwiſchen Wand und Todeskluft. Komm, Gotteslaͤugner, Gott zu fuͤhlen, Dein Frevel wird auf dieſem Rand Den Todesabgrund tiefer wuͤhlen, Dir ſteiler thuͤrmen dieſe Wand! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/161
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/161>, abgerufen am 27.11.2024.