Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
In die weiche Brust gedrungen
Ist der Dolch des Mordgesellen,
Und der treue, warme Purpur
Quillt hervor in raschen Wellen.
Und ein stilles, starres Lächeln
Ruht so hold auf ihrem Munde,
Gleich als fühlte sie mit Wonne
Bluten ihre tiefe Wunde. --
Wer die Liebe hat im Herzen
Mit dem vollen Göttertriebe,
Fühlt wohl auch die süße Sehnsucht,
Hinzusterben für die Liebe,
Hinzuschütten alles Leben
Mit dem einen süßen Worte,
Ha, wie stürzt das Blut so selig
Durch die aufgerissne Pforte! --
Doch der alte, treue Marko
Waltet ohne Rast noch immer;
Sieht vielleicht sein scharfes Auge
Noch wo dämmern einen Schimmer?
In die weiche Bruſt gedrungen
Iſt der Dolch des Mordgeſellen,
Und der treue, warme Purpur
Quillt hervor in raſchen Wellen.
Und ein ſtilles, ſtarres Laͤcheln
Ruht ſo hold auf ihrem Munde,
Gleich als fuͤhlte ſie mit Wonne
Bluten ihre tiefe Wunde. —
Wer die Liebe hat im Herzen
Mit dem vollen Goͤttertriebe,
Fuͤhlt wohl auch die ſuͤße Sehnſucht,
Hinzuſterben fuͤr die Liebe,
Hinzuſchuͤtten alles Leben
Mit dem einen ſuͤßen Worte,
Ha, wie ſtuͤrzt das Blut ſo ſelig
Durch die aufgeriſſne Pforte! —
Doch der alte, treue Marko
Waltet ohne Raſt noch immer;
Sieht vielleicht ſein ſcharfes Auge
Noch wo daͤmmern einen Schimmer?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0268" n="254"/>
            <lg n="5">
              <l>In die weiche Bru&#x017F;t gedrungen</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t der Dolch des Mordge&#x017F;ellen,</l><lb/>
              <l>Und der treue, warme Purpur</l><lb/>
              <l>Quillt hervor in ra&#x017F;chen Wellen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l>Und ein &#x017F;tilles, &#x017F;tarres La&#x0364;cheln</l><lb/>
              <l>Ruht &#x017F;o hold auf ihrem Munde,</l><lb/>
              <l>Gleich als fu&#x0364;hlte &#x017F;ie mit Wonne</l><lb/>
              <l>Bluten ihre tiefe Wunde. &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l>Wer die Liebe hat im Herzen</l><lb/>
              <l>Mit dem vollen Go&#x0364;ttertriebe,</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hlt wohl auch die &#x017F;u&#x0364;ße Sehn&#x017F;ucht,</l><lb/>
              <l>Hinzu&#x017F;terben fu&#x0364;r die Liebe,</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l>Hinzu&#x017F;chu&#x0364;tten alles Leben</l><lb/>
              <l>Mit dem einen &#x017F;u&#x0364;ßen Worte,</l><lb/>
              <l>Ha, wie &#x017F;tu&#x0364;rzt das Blut &#x017F;o &#x017F;elig</l><lb/>
              <l>Durch die aufgeri&#x017F;&#x017F;ne Pforte! &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <l>Doch der alte, treue Marko</l><lb/>
              <l>Waltet ohne Ra&#x017F;t noch immer;</l><lb/>
              <l>Sieht vielleicht &#x017F;ein &#x017F;charfes Auge</l><lb/>
              <l>Noch wo da&#x0364;mmern einen Schimmer?</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0268] In die weiche Bruſt gedrungen Iſt der Dolch des Mordgeſellen, Und der treue, warme Purpur Quillt hervor in raſchen Wellen. Und ein ſtilles, ſtarres Laͤcheln Ruht ſo hold auf ihrem Munde, Gleich als fuͤhlte ſie mit Wonne Bluten ihre tiefe Wunde. — Wer die Liebe hat im Herzen Mit dem vollen Goͤttertriebe, Fuͤhlt wohl auch die ſuͤße Sehnſucht, Hinzuſterben fuͤr die Liebe, Hinzuſchuͤtten alles Leben Mit dem einen ſuͤßen Worte, Ha, wie ſtuͤrzt das Blut ſo ſelig Durch die aufgeriſſne Pforte! — Doch der alte, treue Marko Waltet ohne Raſt noch immer; Sieht vielleicht ſein ſcharfes Auge Noch wo daͤmmern einen Schimmer?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/268
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/268>, abgerufen am 24.11.2024.