Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.hingekleckten Charakteren, von denen all un- sere bärtige und unbärtige Schulübungen so voll; wo bey einer schwimmenden un- gefähren Aehnlichkeit des Zuschauers Fanta- sey das Beste thun muß -- selbst nicht von dem famam sequere sibi convenientia finge des Horatz, noch von seinem servetur ad imum, was das Journal Encyclopedique sou- tenir les Characteres nennt -- es ist die Rede von Charakteren, die sich ihre Begebenhei- ten erschaffen, die selbstständig und unverän- derlich die ganze grosse Maschine selbst dre- hen, ohne die Gottheiten in den Wolken an- ders nöthig zu haben, als wenn sie wollen zu Zuschauern, nicht von Bildern, von Ma- rionettenpuppen -- von Menschen. Ha aber freilich dazu gehört Gesichtspunkt, Blick der Gottheit in die Welt, den die Alten nicht ha- ben konnten, und wir zu unserer Schande nicht haben wollen. Er fährt fort, wie er denn nicht anders konnte: "Die Fabel also ist der Grund, (Principium) und gleichsam die Seele der Tragödie, das zweyte aber sind die Sitten. Es ist wie in der Mahlerey, wenn einer mit den schönsten Farben das Papier beschmierte, würde er lange so nicht ergetzen, als einer, der ein Bild drauf hinzeichnet (Er vergleicht also die Fabel mit der Zeich- nung, die Charaktere mit dem Kolorit??) Es ist aber das Trauerspiel die Nachahmung einer
hingekleckten Charakteren, von denen all un- ſere baͤrtige und unbaͤrtige Schuluͤbungen ſo voll; wo bey einer ſchwimmenden un- gefaͤhren Aehnlichkeit des Zuſchauers Fanta- ſey das Beſte thun muß — ſelbſt nicht von dem famam ſequere ſibi convenientia finge des Horatz, noch von ſeinem ſervetur ad imum, was das Journal Encyclopedique ſou- tenir les Characteres nennt — es iſt die Rede von Charakteren, die ſich ihre Begebenhei- ten erſchaffen, die ſelbſtſtaͤndig und unveraͤn- derlich die ganze groſſe Maſchine ſelbſt dre- hen, ohne die Gottheiten in den Wolken an- ders noͤthig zu haben, als wenn ſie wollen zu Zuſchauern, nicht von Bildern, von Ma- rionettenpuppen — von Menſchen. Ha aber freilich dazu gehoͤrt Geſichtspunkt, Blick der Gottheit in die Welt, den die Alten nicht ha- ben konnten, und wir zu unſerer Schande nicht haben wollen. Er faͤhrt fort, wie er denn nicht anders konnte: „Die Fabel alſo iſt der Grund, (Principium) und gleichſam die Seele der Tragoͤdie, das zweyte aber ſind die Sitten. Es iſt wie in der Mahlerey, wenn einer mit den ſchoͤnſten Farben das Papier beſchmierte, wuͤrde er lange ſo nicht ergetzen, als einer, der ein Bild drauf hinzeichnet (Er vergleicht alſo die Fabel mit der Zeich- nung, die Charaktere mit dem Kolorit??) Es iſt aber das Trauerſpiel die Nachahmung einer
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hingekleckten Charakteren, von denen all un-
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gefaͤhren Aehnlichkeit des Zuſchauers Fanta-
ſey das Beſte thun muß — ſelbſt nicht von
dem famam ſequere ſibi convenientia finge
des Horatz, noch von ſeinem ſervetur ad
imum, was das Journal Encyclopedique ſou-
tenir les Characteres nennt — es iſt die Rede
von Charakteren, die ſich ihre Begebenhei-
ten erſchaffen, die ſelbſtſtaͤndig und unveraͤn-
derlich die ganze groſſe Maſchine ſelbſt dre-
hen, ohne die Gottheiten in den Wolken an-
ders noͤthig zu haben, als wenn ſie wollen
zu Zuſchauern, nicht von Bildern, von Ma-
rionettenpuppen — von Menſchen. Ha aber
freilich dazu gehoͤrt Geſichtspunkt, Blick der
Gottheit in die Welt, den die Alten nicht ha-
ben konnten, und wir zu unſerer Schande
nicht haben wollen. Er faͤhrt fort, wie er
denn nicht anders konnte: „Die Fabel alſo
iſt der Grund, (Principium) und gleichſam
die Seele der Tragoͤdie, das zweyte aber ſind
die Sitten. Es iſt wie in der Mahlerey, wenn
einer mit den ſchoͤnſten Farben das Papier
beſchmierte, wuͤrde er lange ſo nicht ergetzen,
als einer, der ein Bild drauf hinzeichnet
(Er vergleicht alſo die Fabel mit der Zeich-
nung, die Charaktere mit dem Kolorit??)
Es iſt aber das Trauerſpiel die Nachahmung
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