Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774. Dümain. Wie verschlagen gegen die Beschlagenheit! Longaville. Er will einen Acker besäen und doch läßt er das Unkraut wachsen. Biron. Die Gesselchen haben keine Fe- dern, doch müssen sie schon gacksen. Dümain. Wie paßt das hieher? Longaville. Jch sehe keinen Sinn drin. Biron. So hör ich einen Reim drin. Longaville. Biron ist wie ein neidi- scher, beissender Frost, der die neuaufgekeim- ten Kinder des Frühlings tödtet. Biron. Warum prahlt ihr dann mit Blüthen, eh noch die Vögel angefangen zu singen? Soll ich eurer Fehlgeburten scho- nen? Jch verlange so wenig um Weihnach- ten eine Rose aufblühen zu sehen als in May- blumen schneyen. Jedes Ding für seine Jahrs- zeit, so ihr, jetzt ists für euch zu spät, das heißt übers Haus steigen um ein Fenster aufzumachen. König. Gut, so bleibt draussen. Geht heim Biron! Adieu. Biron. Nein, mein Fürst! ich habe ge- schworen. Obschon ich für die Barbarey ge- sprochen, so will ich doch halten was ich schwur. Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch- gehen und dann meinen Namen unterschrei- ben. König.
Duͤmain. Wie verſchlagen gegen die Beſchlagenheit! Longaville. Er will einen Acker beſaͤen und doch laͤßt er das Unkraut wachſen. Biron. Die Geſſelchen haben keine Fe- dern, doch muͤſſen ſie ſchon gackſen. Duͤmain. Wie paßt das hieher? Longaville. Jch ſehe keinen Sinn drin. Biron. So hoͤr ich einen Reim drin. Longaville. Biron iſt wie ein neidi- ſcher, beiſſender Froſt, der die neuaufgekeim- ten Kinder des Fruͤhlings toͤdtet. Biron. Warum prahlt ihr dann mit Bluͤthen, eh noch die Voͤgel angefangen zu ſingen? Soll ich eurer Fehlgeburten ſcho- nen? Jch verlange ſo wenig um Weihnach- ten eine Roſe aufbluͤhen zu ſehen als in May- blumen ſchneyen. Jedes Ding fuͤr ſeine Jahrs- zeit, ſo ihr, jetzt iſts fuͤr euch zu ſpaͤt, das heißt uͤbers Haus ſteigen um ein Fenſter aufzumachen. Koͤnig. Gut, ſo bleibt drauſſen. Geht heim Biron! Adieu. Biron. Nein, mein Fuͤrſt! ich habe ge- ſchworen. Obſchon ich fuͤr die Barbarey ge- ſprochen, ſo will ich doch halten was ich ſchwur. Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch- gehen und dann meinen Namen unterſchrei- ben. Koͤnig.
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Duͤmain. Wie verſchlagen gegen die
Beſchlagenheit!
Longaville. Er will einen Acker
beſaͤen und doch laͤßt er das Unkraut
wachſen.
Biron. Die Geſſelchen haben keine Fe-
dern, doch muͤſſen ſie ſchon gackſen.
Duͤmain. Wie paßt das hieher?
Longaville. Jch ſehe keinen Sinn
drin.
Biron. So hoͤr ich einen Reim drin.
Longaville. Biron iſt wie ein neidi-
ſcher, beiſſender Froſt, der die neuaufgekeim-
ten Kinder des Fruͤhlings toͤdtet.
Biron. Warum prahlt ihr dann mit
Bluͤthen, eh noch die Voͤgel angefangen zu
ſingen? Soll ich eurer Fehlgeburten ſcho-
nen? Jch verlange ſo wenig um Weihnach-
ten eine Roſe aufbluͤhen zu ſehen als in May-
blumen ſchneyen. Jedes Ding fuͤr ſeine Jahrs-
zeit, ſo ihr, jetzt iſts fuͤr euch zu ſpaͤt, das
heißt uͤbers Haus ſteigen um ein Fenſter
aufzumachen.
Koͤnig. Gut, ſo bleibt drauſſen. Geht
heim Biron! Adieu.
Biron. Nein, mein Fuͤrſt! ich habe ge-
ſchworen. Obſchon ich fuͤr die Barbarey ge-
ſprochen, ſo will ich doch halten was ich ſchwur.
Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch-
gehen und dann meinen Namen unterſchrei-
ben.
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Zitationshilfe: | Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/69>, abgerufen am 19.07.2024. |