Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776. Marie (einen tiefen Knicks.) Jetzt können Sie Jhre Liebesdeklaration machen, (läuft ab, die Kammerthür hinter sich zuschlagend. Jungfer Zipfersaat ganz verlegen tritt ans Fenster. Desportes, der sie verächtlich angesehen, paßt auf Marien, die von Zeit zu Zeit die Kammerthür ein wenig eröffnet. Endlich steckt sie den Kopf herans: höhnisch) Na, seyd ihr bald fertig? (Desporees sucht sich zwischen die Thür einzu- klemmen, Marie sticht ihn mit einer großen Steck- nadel fort, er schreyt und läuft plotzlich heraus, um durch eine andere Thür in jenes Zimmer zu kommen. Jungfer Zipfersaat geht ganz verdrüßlich fort, der- weil das Geschrey und Gejauchz im Nebenzimmer fortwährt. Weseners alte Mutter kriecht durch die Stube, die Brille auf der Nase, setzt sich in eine Ecke des Fenfters, und strickt und fingt, oder krächzt vielmehr mit ihrer alten rauhen Stimme:) Ein Mädele jung ein Würfel ist, Wohl auf den Tisch gelegen: Das kleine Rösel aus Hennegau Wird bald zu Gottes Tisch gehen. (zählt die Maschen ab.) Was lächelst so froh mein liebes Kind, Dein Kreuz wird dir'n schon kommen. Wenns heißt, das Rösel aus Hennegau Hab nun einen Mann genommen. O Kind-
Marie (einen tiefen Knicks.) Jetzt koͤnnen Sie Jhre Liebesdeklaration machen, (laͤuft ab, die Kammerthuͤr hinter ſich zuſchlagend. Jungfer Zipferſaat ganz verlegen tritt ans Fenſter. Desportes, der ſie veraͤchtlich angeſehen, paßt auf Marien, die von Zeit zu Zeit die Kammerthuͤr ein wenig eroͤffnet. Endlich ſteckt ſie den Kopf herans: hoͤhniſch) Na, ſeyd ihr bald fertig? (Desporees ſucht ſich zwiſchen die Thuͤr einzu- klemmen, Marie ſticht ihn mit einer großen Steck- nadel fort, er ſchreyt und laͤuft plotzlich heraus, um durch eine andere Thuͤr in jenes Zimmer zu kommen. Jungfer Zipferſaat geht ganz verdruͤßlich fort, der- weil das Geſchrey und Gejauchz im Nebenzimmer fortwaͤhrt. Weſeners alte Mutter kriecht durch die Stube, die Brille auf der Naſe, ſetzt ſich in eine Ecke des Fenfters, und ſtrickt und fingt, oder kraͤchzt vielmehr mit ihrer alten rauhen Stimme:) Ein Maͤdele jung ein Wuͤrfel iſt, Wohl auf den Tiſch gelegen: Das kleine Roͤſel aus Hennegau Wird bald zu Gottes Tiſch gehen. (zaͤhlt die Maſchen ab.) Was laͤchelſt ſo froh mein liebes Kind, Dein Kreuz wird dir’n ſchon kommen. Wenns heißt, das Roͤſel aus Hennegau Hab nun einen Mann genommen. O Kind-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0056" n="52"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker>Marie</speaker> <stage>(<hi rendition="#fr">einen tiefen Knicks.</hi>)</stage> <p>Jetzt koͤnnen<lb/> Sie Jhre Liebesdeklaration machen, <stage>(<hi rendition="#fr">laͤuft<lb/> ab, die Kammerthuͤr hinter ſich zuſchlagend. Jungfer<lb/> Zipferſaat ganz verlegen tritt ans Fenſter. Desportes,<lb/> der ſie veraͤchtlich angeſehen, paßt auf Marien, die<lb/> von Zeit zu Zeit die Kammerthuͤr ein wenig eroͤffnet.<lb/> Endlich ſteckt ſie den Kopf herans: hoͤhniſch</hi>)</stage> Na,<lb/> ſeyd ihr bald fertig?</p> </sp><lb/> <stage> <hi rendition="#fr">(Desporees ſucht ſich zwiſchen die Thuͤr einzu-<lb/> klemmen, Marie ſticht ihn mit einer großen Steck-<lb/> nadel fort, er ſchreyt und laͤuft plotzlich heraus, um<lb/> durch eine andere Thuͤr in jenes Zimmer zu kommen.<lb/> Jungfer Zipferſaat geht ganz verdruͤßlich fort, der-<lb/> weil das Geſchrey und Gejauchz im Nebenzimmer<lb/> fortwaͤhrt.</hi> </stage><lb/> <stage> <hi rendition="#fr">Weſeners alte Mutter kriecht durch die Stube,<lb/> die Brille auf der Naſe, ſetzt ſich in eine Ecke des<lb/> Fenfters, und ſtrickt und fingt, oder kraͤchzt vielmehr<lb/> mit ihrer alten rauhen Stimme:)</hi> </stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Ein Maͤdele jung ein Wuͤrfel iſt,</l><lb/> <l>Wohl auf den Tiſch gelegen:</l><lb/> <l>Das kleine Roͤſel aus Hennegau</l><lb/> <l>Wird bald zu Gottes Tiſch gehen.</l> </lg><lb/> <stage>(<hi rendition="#fr">zaͤhlt die Maſchen ab.</hi>)</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Was laͤchelſt ſo froh mein liebes Kind,</l><lb/> <l>Dein Kreuz wird dir’n ſchon kommen.</l><lb/> <l>Wenns heißt, das Roͤſel aus Hennegau</l><lb/> <l>Hab nun einen Mann genommen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">O Kind-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0056]
Marie (einen tiefen Knicks.) Jetzt koͤnnen
Sie Jhre Liebesdeklaration machen, (laͤuft
ab, die Kammerthuͤr hinter ſich zuſchlagend. Jungfer
Zipferſaat ganz verlegen tritt ans Fenſter. Desportes,
der ſie veraͤchtlich angeſehen, paßt auf Marien, die
von Zeit zu Zeit die Kammerthuͤr ein wenig eroͤffnet.
Endlich ſteckt ſie den Kopf herans: hoͤhniſch) Na,
ſeyd ihr bald fertig?
(Desporees ſucht ſich zwiſchen die Thuͤr einzu-
klemmen, Marie ſticht ihn mit einer großen Steck-
nadel fort, er ſchreyt und laͤuft plotzlich heraus, um
durch eine andere Thuͤr in jenes Zimmer zu kommen.
Jungfer Zipferſaat geht ganz verdruͤßlich fort, der-
weil das Geſchrey und Gejauchz im Nebenzimmer
fortwaͤhrt.
Weſeners alte Mutter kriecht durch die Stube,
die Brille auf der Naſe, ſetzt ſich in eine Ecke des
Fenfters, und ſtrickt und fingt, oder kraͤchzt vielmehr
mit ihrer alten rauhen Stimme:)
Ein Maͤdele jung ein Wuͤrfel iſt,
Wohl auf den Tiſch gelegen:
Das kleine Roͤſel aus Hennegau
Wird bald zu Gottes Tiſch gehen.
(zaͤhlt die Maſchen ab.)
Was laͤchelſt ſo froh mein liebes Kind,
Dein Kreuz wird dir’n ſchon kommen.
Wenns heißt, das Roͤſel aus Hennegau
Hab nun einen Mann genommen.
O Kind-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |